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Wasserdicht und atmungsaktiv? Was hinter der neuen ePE-Membran von Gore Fabrics steckt

Thomas Ebert, Montag, 11. November 2024

Gut sieben Jahre nach der Ankündigung eines PFC-freien Laminats bringt Gore Fabrics seine neue ePE-Membran auf den Markt. Was steckt hinter der Neuentwicklung?

13 Jahre ist es nun her, dass Greenpeace mit seiner «Detox»-Kampagne Alarm schlug. Nach dem Auftakt im Jahr 2011, der sich vor allem gegen den Einsatz gefährlicher Chemikalien in der Modeindustrie richtete, nahm man 2015 auch die Bergsport- und Outdoor-Industrie in den Fokus – speziell die imprägnierten Wetterschutzjacken. Rückblickend ist es wohl keine Übertreibung, dass in dieser Bewegung eine, wenn nicht die entscheidende Keimzelle des Nachhaltigkeits-Trends liegt, der heute die gesamte Branche erfasst hat.

Aber der Reihe nach: Als problematisch enttarnte man die Imprägnierungen von Hardshelljacken, also jene Mittel, die den gewünschten Abperleffekt auf den Jacken erzeugten. Das Problem: In den Imprägnierungen steckten PFAS, also per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. So nennt die Fachwelt jene Stoffgruppe, die im Volksmund häufiger «PFC» (polyfluorierte Chemikalien) genannt werden. Grob gesagt sind das Kohlenstoffmoleküle mit Fluoranteil, denen man im Alltag auf Schritt und Tritt begegnet: in der Beschichtung von To-go-Kaffeebechern, in der Bratpfanne mit Anti-Haft-Beschichtung, im Kettenöl fürs Velo, in schmutzresistenten Teppichen – oder eben in wasserabweisenden Imprägnierungen von Jacken, Seilen und Schuhen. 

Trockene Füsse dank Imprägnierung  doch die Natur kann PFC nicht abbauen.

Problematisch ist an diesen PFC vor allem, dass sie besonders persistent sind, sich in der Natur also nicht abbauen, denn Verbindungen von Kohlenstoff und Fluor können nur mit sehr hohem Energieaufwand (z. B. Temperaturen von 1300 °C) wieder getrennt werden. Ob in menschlichem Blut oder in der Antarktis: Überall auf der Welt wurden und werden PFC nachgewiesen. Und was sich nicht abbaut, reichert sich an – bis hin zu Konzentrationen, die für die Umwelt schädlich sind. Immer mehr Studien legen heute offen, dass PFC sich negativ auf das menschliche Immunsystem auswirken (etwa den Cholesterinspiegel), Schilddrüsenerkrankungen befördern und krebserregend wirken.

Inzwischen ist ein als «PFC-frei» beworbenes Bergsport-Produkt nicht nur ein Verkaufsargument für eine immer sensiblere und umweltbewusstere Kundschaft. PFC-freie Produkte werden in absehbarer Zukunft auch gesetzlich nötig sein: Seit 2020 sind die besonders langkettigen PFOA in der Europäischen Union verboten, zumindest dann, wenn sie in Europa erzeugt werden. Die Übergangsfristen (etwa für den medizinischen Gebrauch von PFC, z. B. in Herzklappen) sind indes noch lang und die Ausnahmen, etwa für kurzkettige PFC, zahlreich. Fakten geschaffen hat beispielsweise bereits der Wintersport: Fluorierte Skiwachse sind bei Wettkämpfen der FIS oder auch beim Biathlon (IBU-Verband) verboten.

Warum Gore eine neue Membran braucht

Aber auch in der Outdoorbranche haben die meisten Hersteller bereits grosse Anstrengungen unternommen, um die so nützlichen, aber eben auch schädlichen PFC aus dem Herstellungsprozess zu verbannen. Dieser Prozess ist nach wie vor im Gange. So setzten einige Anbieter von Imprägnierungen früh auf PFC-freie Mittel – unter der Zuhilfenahme von Silikonen, Polyurethanen oder Paraffinen, um die positiven Eigenschaften von PFC nachzuahmen. Andere dagegen fahren zweigleisig und bieten neben einer PFC-freien Variante auch heute noch die bewährten und effektiven Mittel mit Fluor an.

Weil PFC-freie Imprägnierungen mehr und mehr zum Standard werden, ist die richtige Pflege einer Hardshelljacke – Wäsche und Erneuerung der Imprägnierung – noch wichtiger geworden.

Doch das Problem der PFC betrifft nicht nur Imprägnierungen. Auch wenn es inzwischen eine Vielzahl anderer Hersteller von Funktionstextilien gibt: Das Unternehmen Gore Fabrics und besonders ihre Gore-Tex-Laminate sind nahezu ein Deonym für Wetterschutzjacken. Soll heissen: Ihr Markenname steht so selbstverständlich für eine Produktkategorie wie ein Tempo-Taschentuch, ein Jeep oder ein Föhn. Eigentlich, so könnte man meinen, müsste Gore das PFC-Problem nicht gross kümmern, denn für die Imprägnierung einer Jacke ist der Hersteller des Laminats ja nicht zuständig. 

Bei Gore-Tex reicht das Problem dagegen tiefer, denn auch die Membran, die im Laminat zwischen Oberstoff und Innenfutter steckt und die eigentliche «Funktion» einer Funktionsjacke ausmacht, besteht bzw. bestand bei Gore-Tex seit jeher aus perfluorierten Stoffen. 1969 entdeckte Robert W. Gore die Eigenschaften von ePTFE, also expandiertem Polytetrafluorethylen. Ganz vereinfacht gesagt ist ePTFE eine hauchdünne Folie, die so gereckt (expandiert) wird, dass sie mikroskopisch kleine Poren bekommt – rund 1,4 Milliarden pro Quadratzentimeter. Diese Poren sind so gross, dass gasförmiger Wasserdampf passieren kann, flüssige Wassermoleküle aber nicht. Eigentlich genial. Das Problem: PTFE, besser bekannt unter dem Handelsnamen Teflon, gehört zur Gruppe der perfluorierten Chemikalien.

Auch unter dem wachsenden öffentlichen Druck erklärte Gore Fabrics Anfang 2017, bis 2023 die gesamte Produktion PFC-frei zu machen, heute geht man eher von 2025 aus. Ein gewaltiger Schritt. Denn nicht nur war Gores bewährte ePTFE-Membran seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz, auch Dutzende Hersteller, von Arc’teryx über Patagonia bis Norrona, setzten Gore-Tex-Laminate ein. Das Vertrauen in die Gore-Tex-Produkte war (und ist) so gross, dass eine Abkehr vom bewährten ePTFE nur dann gelingen konnte, wenn ein gleichwertiges Ersatzprodukt gefunden wurde – und genau daran scheiterte es lange, denn die Eigenschaften von PFC waren für die Anforderungen «wasserdicht» und «wasserdampfdurchlässig» schlichtweg zu gut, um sie mit umweltverträglichen Mitteln nachzuahmen. So sieht es auch Joachim Stark, der seit mehreren Jahrzehnten Marketingarbeit für Gore-Tex-Produkte leistet: «Die bisherige Generation an Laminaten hat die Standards gesetzt, an denen sich künftige Produkte messen lassen müssen.»

Der Dampf muss durch

In jeder Hardshell- oder Wetterschutzjacke steckt eine wasserdichte, aber dampfdurchlässige Membran. Geschützt wird die Membran in der Regel von einem auflaminierten Oberstoff. Damit Regen besonders gut von ihm abperlt, wird er imprägniert. Sowohl in Membranen als auch in Imprägnierungen kamen lange Zeit, bis heute, PFC zum Einsatz.

An dieser Stelle ein kurzer Exkurs in Sachen Abperleffekt: Dieser hat nichts mit der Wasserdichtigkeit einer Jacke zu tun. Auch wenn sich eine Imprägnierung abgenutzt hat und der Abperleffekt nachlässt, sind Wetterschutzjacken mit Membran von aussen wasserdicht. Entscheidend ist der Abperleffekt vielmehr für die zweite Anforderung, die Funktionsjacken erfüllen müssen: der Wasserdampfdurchlass. Saugt sich der Oberstoff einer Jacke mangels Abperleffekt voll, fühlt sich die Jacke von innen irgendwann nass an. Bei diesem «Wetting-out-Effekt» dringt aber kein Regen nach innen, sondern es ist der körpereigene Wasserdampf, der im Inneren der Jacke kondensiert, weil er nicht mehr durch die Membran passieren kann.

Schon bevor man bei Gore Fabrics 2011 die Suche nach einem gleichwertigen, PFC-freien ePTFE-Ersatz begann, machten einige Unternehmen mit Alternativen von sich reden. Etabliert hat sich dabei etwa die 1999 entwickelte Membran eVent, die auch unter dem Namen DryQ vertrieben wird und besonders wasserdampfdurchlässig, allerdings auch nicht vollständig winddicht ist. Gleiches gilt für die NeoShell-Membran von Polartec, die auf elektrogesponnenen Submikronfasern basiert. Weit verbreitet sind inzwischen auch die Dermizax-Membranen des japanischen Herstellers Toray, die etwa in Ortovox-Jacken stecken, oder die OutDry-Laminate, die ohne Imprägnierung auskommen. The North Face forschte mit grossem Budget an seiner «Futurelight»-Membran, und auch der seit jeher auf PFC-freie Laminate setzende Hersteller Sympatex bekam wieder etwas Aufwind. Sympatex-Membranen sind porenlos, können also anders als die winzigen Poren von ePTFE und Co. nicht durch Salze, Fette o. Ä. verstopfen und so den Wasserdampfdurchlass mindern. Auch in puncto Elastizität und Wiederverwertbarkeit bzw. Sortenreinheit von Laminaten sind in der Zwischenzeit beträchtliche Fortschritte erzielt worden.

Zur Ispo 2022 war es dann so weit: Unter dem Stichwort ePE – das «TF» für Tetrafluor ist verschwunden – präsentierte Gore Fabrics sein neues Laminat. Dabei sind laut Gore «Membran, Laminate und DWR-Behandlungen PFC-frei». Das Prinzip ist gleich geblieben: Expandiertes Polyethylen ist von aussen wasserdicht und soll mittels kleinster Poren von innen Wasserdampf entweichen lassen. Klar, dass die neue ePE-Membran ein «Meilenstein auf der jahrzehntelangen Innovationsreise des Unternehmens» (Gore über Gore) ist. Was die Funktionalität der ePE-Membran angeht, lehnte man sich indes weniger weit aus dem Fenster: «Die neuen Gore-Tex-Produkte mit der neuen Membran bieten bewährte Leistung und Haltbarkeit», zitierte ein Advertorial im Umfeld der Ispo 2022 Lara Wittmann, Strategic Marketing Gore Consumer Fabrics.

Damit auch umweltverträgliche Imprägniermittel den gewünschten Abperleffekt erzeugen (und damit den Dampfdurchlass verbessern), müssen diese regelmässig aufgetragen werden.

Was kann die neue Membran?

Wie gut also sind die neuen Laminate? Können sie mit den alten fluorierten Laminaten mithalten? Was auffällt: Die früher übliche Angabe eines Wasserdampfdurchgangswertes, etwa als MVTR- oder RET-Wert, sucht man bei den neuen Gore-Tex ePE-Jacken noch vergeblich. «Wir haben faktisch kaum Infos zu den neuen ePE-Laminaten bekommen», konstatiert auch Bächli-Textileinkäufer Marcus Liss. Solche Werte besagten, wie gut Schweiss und Feuchtigkeit aus dem Inneren der Jacke vom Körper weg passieren können. 

Ein MVTR-Wert von mehr als 40'000 g/m2/24h gilt als herausragend, unterhalb von 10'000 g/m2/24h gilt eine Jacke als nicht mehr «atmungsaktiv». Nebenbei gesagt ist die oft zitierte Atmungsaktivität ein irreführender Begriff, denn «aktiv» atmen kann kein Laminat der Welt. Beim RET-Wert gilt alles unter 6 als extrem dampfdurchlässig, alles über 20 als nicht mehr atmungsaktiv. Zum Vergleich: In den Regularien des berühmten Trailrunning-Events UTMB wird etwa eine Wetterschutzjacke mit einem RET-Wert unter 13 empfohlen.

Auf Basis seiner Erfahrungen neigt Bächli-Experte Liss dazu, die Erwartungshaltungen an Gores neue ePE-Membran etwas zu dämpfen: «Aufgrund der niedrigeren Atmungsaktivität wurden die bisher auf dem Markt befindlichen ePE-Laminate mehrheitlich für Produkte in den weniger anaeroben Bereichen Wandern und Skisport eingesetzt», so Liss. Oder anders gesagt: Während man bei der Wetterfestigkeit, also den wasser- und winddichten Eigenschaften der neuen Gore-Membran blind vertrauen darf, wird man den Wasserdampfdurchlass bei intensiver Gangart oder ungünstigen Aussenbedingungen wohl auch künftig ans Limit bringen. 

Auch bei Gore selbst ist zwischen den Marketingzeilen herauszulesen, dass noch Arbeit zu tun ist: «Die Reise geht weiter», kommuniziert Gore Fabrics, die ePE-Membran werde in den nächsten Jahren «in einer viel breiteren Palette von Laminaten und für erweiterte Endanwendungen» eingesetzt. Klar, denn auch die ePTFE-Laminate in Schuhen, Handschuhen usw. muss ja durch ePE ersetzt werden. 

Und Joachim Stark rät vorsorglich gleich noch, die im Umlauf befindlichen Jacken mit ePTFE-Membran nicht zu verteufeln, sondern weiter zu nutzen: «Produkte mit der bisherigen Technologie auf ePTFE-Basis werden nicht schlechter, nur weil sich bei den neuen die Materialität geändert hat.» Nicht zuletzt steht aber auch der Konsument in der Pflicht: Er sollte sich die Frage stellen, ob es wirklich das allerhöchste Mass an Dampfdurchlass braucht. Und sich bewusst sein, dass am Ende immer die Physik gegen die Chemie gewinnt: Auch mit der besten Hardshell aller Zeiten schwitzt man nicht weniger, als ohne.


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