Die Funktionsweise von Sicherungsgeräten ist simpel, aber genial: Sie erhöhen die Seilreibung. Diese Erhöhung verringert die Haltekraft, die von der sichernden Person aufgebracht werden muss, um einen Sturz zu halten. Je nach Funktionsprinzip lassen sich vier Kategorien von Sicherungsgeräten unterscheiden.
HMS
Die einfachste Form der Seilsicherung ist die Halbmastwurfsicherung (HMS). Sie erhöht die Reibung durch Windungen, die das Seil um einen Schraubkarabiner macht. Der Vorteil liegt in der minimalen Ausrüstung: Es wird lediglich ein Schraubkarabiner benötigt. Heutzutage wird die HMS-Sicherung vor allem im alpinen Bereich bei leichten Mehrseillängenrouten verwendet, insbesondere wenn vom Standplatz aus gesichert wird. Steht der Sichernde auf einem bequemen Podest, ermöglicht die HMS-Methode sowohl das Nachsichern des Nachsteigers als auch das Sichern des Vorsteigers vom Stand aus. Ein grosser Vorteil dabei ist, dass der Sichernde nicht direkt Teil der Sicherungskette ist, also bei einem Sturz des Vorsteigers nicht unkontrolliert zur Wand gezogen wird.
Tuber/Stichtplatte/Achter
Die Stichtplatte, entwickelt in den 60er-Jahren von Fritz Sticht, zählt zu den frühen Sicherungsgeräten und legte den Grundstein für moderne Seilbremsen wie den Tuber. In den 80er-Jahren vertrieb Bächli sogar eine eigene Stichtbremse, bis in die USA. Typischerweise besteht das Gerät aus einer Metallplatte mit ein oder zwei Löchern, durch die das Kletterseil geführt wird. Der Kletterer befestigt die Stichtplatte mittels eines Karabiners an seinem Gurt und führt das Seil durch das Loch. Durch die entstehende Reibung zwischen Seil und Metallplatte entsteht ein Bremswiderstand. Dies ermöglicht dem Sichernden die Kontrolle über die Ablassgeschwindigkeit des Seils.
Tuber mit Bremskraftunterstützung
Seit ihrer Einführung im Jahr 2009 haben sich unterstützte Tuber in der Kletterszene rasch verbreitet. Ihr Hauptvorteil liegt in der Kombination der einfachen Handhabung eines herkömmlichen Tubers mit einer zusätzlichen Bremskraftunterstützung. Für die korrekte Funktion muss das Bremsseil jedoch in einem bestimmten Winkel, nämlich von unterhalb des Geräts, eingeführt werden. Einige Modelle, wie der Click Up von Climbing Technology, sind auf spezielle Karabiner abgestimmt. Ein Nachteil dieser Geräte ist, dass sie im Gegensatz zu HMS oder klassischen Tubern nicht erlauben, das Seil bei einem Sturz dosiert durchzulassen, um diesen abzufedern. Hier ist gutes Timing gefragt: Bei einem Sturz bewegt sich der Sichernde nach vorne, um durch die körperdynamische Sicherung zusätzliches Seil freizugeben und so den Sturz weich zu gestalten.
Halbautomaten
Das Petzl GriGri, das bereits 1991 auf den Markt kam, revolutionierte das Sportklettern. Beim Sturz eines Kletterers blockiert das GriGri automatisch das Seil und stoppt so den Fall. Dies geschieht durch eine interne Nocke, die bei Druck das Seil gegen das Gehäuse klemmt. Das GriGri eignet sich auch zum kontrollierten Ablassen. Dabei wird der Ablasshebel nach hinten gezogen, und die Bremsfunktion reguliert das Tempo des Abseilens. Wichtig ist jedoch – ähnlich wie bei unterstützten Tubern – beim Sichern mit dem GriGri körperdynamisch zu agieren, um beim Sturz des Kletterers etwas Dynamik ins Seil zu bringen und den Sturz zu mildern. Seit seiner Einführung haben Kletterer verschiedene Techniken entwickelt und verfeinert, um das Beste aus diesem Gerät herauszuholen, etwa die sogenannte «Gaswerkmethode». Mit einer speziellen Handhaltung erleichtert sie die Seilausgabe und -einnahme, während das Bremsseil jederzeit in der Bremshand bleibt. Der Name Gaswerk geht auf die Schweizer Kletterhalle zurück.
- 1) HMS: Die Sicherung per Halbmastwurf wurde schon totgesagt, ist aber nicht totzukriegen. Vorteilhaft ist, dass es nur einen Schraubkarabiner braucht.
- 2) Halbautomaten:
Das «GriGri» von Petzl sieht man besonders
beim Sport- und Hallenklettern häufig. Das
1991 eingeführte Gerät eröffnete die Kategorie
der Halbautomaten: Auf einen Kraftimpuls (z. B.
Sturz des Kletternden) blockiert das Gerät unabhängig
von der Bremshandposition.
- 3) Tuber: Vor allem beim Alpinklettern finden
die aus der Stichtplatte hervorgegangenen
Tuber Anwendung. Sie
erlauben auch das Sichern mit Doppel-/
Zwillingsseil und eine körperdynamische
Sicherung. Die jüngste
Weiterentwicklung sind Tuber mit
Bremskraftunterstützung.
Sicherungsgeräte Kategorien
Risiko Mensch: Das Dreibein-Prinzip
Die jüngsten Unfallstatistiken aus deutschen Kletterhallen für das Jahr 2022 offenbaren eine besorgniserregende Tendenz: Bei nahezu allen verzeichneten Bodenstürzen – insgesamt 19 Fälle – war eine fehlerhafte Bedienung des Sicherungsgeräts die Hauptursache. Diese Statistik unterstreicht die Bedeutung des korrekten Umgangs mit Sicherungsgeräten beim Klettern. Aber was bedeutet «korrekter Umgang»? Veranschaulichen lässt sich das durch das Dreibein-Prinzip. Ein Tisch mit drei Beinen steht stabil – vorausgesetzt, jedes Bein hat seine volle Funktion. Bei den Sicherungsgeräten repräsentiert das erste Bein die Funktionalität des Geräts. Dazu gehören das ordnungsgemässe Einlegen des Seils mit dem erlaubten Durchmesser, die Verwendung des passenden Karabiners, die reibungslose Funktionsweise aller Teile (zum Beispiel der Ablasshebel bei einem GriGri) und das sichere Einklippen des Geräts in die Sicherungsschlaufe des Gurtes.
Das zweite Bein bezieht sich auf die richtige Bedienung des Geräts. Selbst das beste Sicherungsgerät wird ineffektiv, wenn der Nutzer nicht weiss, wie es zu bedienen ist. Vergleichbar mit einer Fahrradbremse: Die neueste Bremse nützt wenig, wenn der Bremshebel nicht gezogen wird. Es ist also entscheidend, das Gerät genau zu kennen, einschliesslich des richtigen Seilausgebens und -einnehmens, des Ablassens und der Handhabung von Stürzen.
Das dritte Bein stellt das Bremshandprinzip dar. Dabei sollte die Hand das Seil unterhalb einer gedachten Linie umschliessen – parallel zum Boden und entlang des Geräts. Diese Positionierung gewährleistet eine effektive Bremswirkung. Die Einhaltung dieses Dreibein-Prinzips – Funktionalität des Geräts, richtige Bedienung und Bremshandposition – bildet die Grundlage für eine sichere Nutzung von Sicherungsgeräten beim Klettern.
Bewegungsablauf beim körperdynamischen Sichern
Dynamik, bitte!
Was wir noch aus Unfallstatistiken wissen: Bei Anprallverletzungen, die durch Kollisionen mit der Wand entstanden, trägt oftmals ein nicht ideales Sicherungsverhalten zur Schwere des Unfalls bei. Die Lösung: dynamische Sicherung! Darunter versteht man eine Technik zur Reduzierung der Kräfte, die bei einem Sturz auf den Kletterer und die Sicherungspunkte wirken. Sie zielt darauf ab, den Sturz sanfter und sicherer zu gestalten, indem sie eine progressive Bremsung ermöglicht und die Kraftverteilung auf Kletterer und Sicherungsseil optimiert, wodurch das Verletzungsrisiko sinkt. Wesentlich bei dieser Technik ist, dass man die Dynamik des Kletterseiles aktiv unterstützt und so die Spitzenbelastung auf Kletterer und Sicherungspunkte reduziert. Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Technik anzuwenden.
Bei der körperdynamischen Sicherung bewegt sich der Sichernde nach oben, in Richtung des Seilverlaufs zum Kletterer, und springt leicht nach oben, wenn der Kletterer fällt und das Sicherungsgerät blockiert. Klar ist, dass körperdynamische Sicherungstechniken eine gewisse Erfahrung und Übung erfordern. Es ist entscheidend, die Eigenschaften des verwendeten Sicherungsgeräts zu verstehen und die Technik den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Körperdynamisch wird vor allem mit unterstützten Tubern und Halbautomaten gesichert.
Bei der seildynamischen Sicherung lässt man das Seil dosiert durch das Sicherungsgerät laufen. Ein zu lockeres Seil kann das Risiko eines Bodensturzes erhöhen. Der Sichernde muss daher ein Gleichgewicht finden, um genügend Seil durch das Sicherungsgerät (Tuber, Achter, HMS) zu geben, damit der Kletternde weich fällt, aber nicht so viel, dass es gefährlich wird. Die Verwendung eines Sicherungshandschuhs wird bei dieser Technik empfohlen.
Die Klassiker
- 1) ATC GUIDE
BLACK DIAMOND
Tuber, 8,1-11 mm
Gewicht: 80 g | > Zum Produkt
- 2) SMART 2.0
MAMMUT
Unterstützter Tuber, 8,7–10,5 mm
(optimal 9,2–10 mm) | > Zum Produkt
- 3) GRIGRI
PETZL
Halbautomat, 8,5-11 mm
Gewicht: 175 g | > Zum Produkt
Die Neuen (ab Juni 2024)
- 4) PINCH
EDELRID
Halbautomat, 8,5–10,5 mm
Gewicht: 234 g | > Zum Produkt
Das Pinch ist ein innovatives Sicherungsgerät für
Sportklettern, Mehrseillängen und Seilzugangstechnik.
Es lässt sich direkt am Klettergurt befestigen
und vereinfacht die Seilausgabe. Durch
seine körpernahe Positionierung ist es möglich,
mit einer einzigen Armbewegung 20 bis 30 Zentimeter
mehr Seil auszugeben. Die frontalen
Bremsrillen reduzieren Seilkrangel und sorgen
für eine reibungslose Handhabung. Zusätzliche
Sicherheit bietet die Anti-Panik-Funktion, während
eine zweite Bremsstufe ein kontrolliertes
Ablassen ermöglicht. In Mehrseillängen kann
das Pinch in vier verschiedenen Richtungen am
Standplatz eingehängt werden, was eine flexible
Bedienung des Sicherungshebels ermöglicht.
- 5) NEOX
PETZL
Halbautomat, 8,5–11 mm
Gewicht: 230 g | > Zum Produkt
Petzl bringt 2024 mit dem Neox eine für den Vorstieg optimierte Erweiterung
des GriGri auf den Markt. Das Neox verfügt über eine bewegliche Rolle
im Inneren, was ein flüssigeres Ausgeben des Seils im Vorstieg ermöglicht.
Dabei wird die «klassische» Sicherungstechnik wie bei einem Tuber angewendet.
Bei einem Sturz wird das Seil weiterhin durch einen Nocken blockiert,
wodurch nur wenig Handkraft erforderlich ist. Der Ablasshebel ist
ergonomisch gestaltet, und das Ablassen lässt sich gut dosieren.
Weitere Informationen
- Der SAC empfiehlt in Kletterhallen und Klettergärten (1-Seillänge) unterstützte Tuber (z. B. Ergo, Click-Up, Smart, Jule2 etc.) oder Halbautomaten (z. B. GriGri) zu benutzen. Sie bieten einen Sicherheitsvorteil gegenüber dynamischen Sicherungsgeräten wie Tuber und HMS, da sie aufgrund ihrer Blockierungsunterstützung die Chance massiv erhöhen, beim Verlust des Bremsseiles einen Bodensturz zu verhindern.
- Bächli on Tour-Angebote für Sportklettern und Alpines Klettern
Du interessierst dich nicht nur für Produkte, sondern auch für Bergtouren und Expertentipps? Wir auch!
Ein- bis zweimal im Monat berichten wir von selbst begangenen Touren und teilen unser Wissen über Sicherheit, Ausrüstung und Training. Lass dich inspirieren vom Bächli-Newsletter.
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.
Kommentar schreiben