Sie tragen uns weite Strecken, schützen
uns vor dem Umknicken, geben uns Halt,
sorgen für einen sicheren Tritt und im
Idealfall spürt man sie kaum: die Wanderschuhe.
Manch einem fällt es da schwer,
sich nach vielen gemeinsamen Touren vom
ausgedienten Paar zu trennen. Vorausgesetzt,
er hat perfekt gepasst – zum eigenen
Fuss, aber auch zum Einsatzgebiet.
Von der kurzen Wanderung im Unterland
bis zur mehrtägigen Durchquerung in alpinem
Gelände: was man als «Wandergelände» ansieht, kann sehr individuell sein.
Ebenso gross ist die Auswahl an Wanderschuhmodellen:
vom leichten Mid-Schuh
aus Synthetik über den «klassischen»
Wanderschuh bis hin zum schweren, hohen
Ledermodell.
Doch was genau zählt als Wander- oder
Trekkingschuh? Ausschlaggebend
sind die Schafthöhe und die Steigeisentauglichkeit:
«Ein Wanderschuh deckt
bei uns immer den Knöchel ab. Können
Steigeisen montiert werden, zählt der
Schuh zur Kategorie Bergschuh», erklärt
Produktmanager Kevin Nanzer. In diesem
Rahmen gibt es Wanderschuhe mit unterschiedlichen
Schafthöhen, Sohlensteifigkeit
und aus verschiedenen Materialien.
Entscheidend für die Wahl sind neben der
Passform der konkrete Einsatzbereich und
die dafür benötigte Robustheit und Stabilität
des Schuhs.
- 1) Schaft: Je höher und fester der Schaft des Schuhs ist, desto mehr Stabilität bietet er im Knöchelbereich und schützt vor Umknicken. Ein etwas niedrigerer und weicherer Schaft bietet hingegen mehr Flexibilität und Bewegungsfreiheit. Unabhängig von der Schafthöhe sollte der Schuh beim Abrollen nirgends am Bein drücken oder scheuern.
- 2) Schnürung: Viele Wanderschuhe haben zwei
Schnürzonen mit Ösen am Rist
und Haken am Schaft. Ein möglicher
Tiefzughaken kann am Übergang
vom Rist zum Schaft den
Schuh in der Ferse fixieren und
ein Herausrutschen verhindern.
- 3) Sohle: Eine Zwischensohle, meist aus
PU oder EVA, federt Stösse beim
Gehen ab und dämpft sie. Die Laufsohle
sorgt mit ihrem Profil für
den nötigen Halt. Sohlen aus weicheren
Gummimischungen haften
besser, härtere sind abriebfester.
- 4) Wetterschutzrand: Ist der Schuh auch für den Einsatz in steinigem Gelände
gedacht, wird das Obermaterial am Übergang
zur Sohle durch einen Schutzrand aus Gummi vor
Abrieb geschützt. Dieser bedeckt entweder den Zehen-
und Fersenbereich oder verläuft vollständig um
den Schuh herum.
Wahl des Schuhtyps
Bei Wanderungen im leichten Gelände und
festem Untergrund bieten Mid-Schuhe mit
einem niedrigen Schaft und vergleichsweise
biegsamer Sohle eine ausreichende
Mischung aus Stabilität und Bewegungsfreiheit.
Der klassische Wanderschuh bietet
etwas mehr Stabilität, etwa durch einen
etwas höheren Schaft oder einen steiferen
Sohlenaufbau, und ist daher ideal für leichtes
alpines Gelände. Wird der Untergrund
felsiger und steiniger, benötigt man einen
robusten und langlebigen Wanderschuh
mit einer torsionsfesten Sohle, der auch
in Geröll genügend Schutz und Stabilität
bietet. Die Grenzen zum Bergsteigen können
fliessend sein.
«Auf blau-weiss-blauen
Routen ist man im Bereich Alpinwandern,
und da braucht man auf einem vereisten
Schneefeld vielleicht schon Steigeisen»,
gibt Nanzer zu bedenken. In diesem Fall
sollte man einen Bergschuh mit entsprechend
steifer und gerader Sohle wählen.
Die Torsionssteifigkeit der Sohle ist eines
der Kriterien für die Einteilung von Schuhen
in die Kategorien A bis D – auch überschneidende
Bezeichnungen wie B/C sind
möglich. Wander- und Trekkingschuhe liegen
im Bereich A/B bis B/C.
Spätestens hier wird klar, warum Sneakers ein No-Go für Bergwanderungen sind.
Neben der Wegbeschaffenheit hängt die
Wahl des Wanderschuhs auch von der
eigenen Trittsicherheit und dem Gewicht
des Rucksacks ab. «Wer etwas weniger
trittsicher ist, dem empfehle ich einen tendenziell
stabileren Schuh», sagt Nanzer.
Gleiches gilt für längere Wanderungen
in anspruchsvollem Gelände. «Je länger
man in unebenem Gelände unterwegs ist,
desto stärker wird die Fussmuskulatur
beansprucht und die Eigenstabilität des
Fusses nimmt ab», so Nanzer. Schuhe mit
einem höheren Schaft und einer torsionssteiferen
Sohle sorgen hier für die nötige
Stabilität.
Das Tragen eines schweren Rucksacks verlagert zusätzlich den Körperschwerpunkt
nach oben. Nanzer vergleicht
das mit dem Bau eines Hochhauses:
Je höher ein Haus wird, desto wichtiger ist
ein solides Fundament. Auf Wanderschuhe
übertragen heisst das: «Je schwerer der
Rucksack, desto stabiler muss der Schuh
sein», rät Nanzer.
Mehr Stabilität geht in der Regel
mit einem höheren Eigengewicht der
Schuhe einher: Bei den Damen reicht die
Spanne von 510 Gramm beim leichtesten
Mid-Schuhpaar bis zu 1530 Gramm beim
Yukon Leder von Hanwag, einem hohen
Schuh für anspruchsvolle Bergwanderungen
und lange Trekkingtouren. Bei den
Herren ist die Spanne noch grösser und
reicht von 480 bis 1900 Gramm. Das Gewicht
sollte aber nur dann als Auswahlkriterium
herangezogen werden, wenn der
Schuh für den geplanten Einsatzbereich
stabil genug ist, rät der Schuhexperte.
Innerhalb desselben Einsatzbereiches unterscheide
sich das Gewicht der Modelle
ohnehin meist nur geringfügig.
Eine steifere Sohle bedeutet übrigens
nicht zwangsläufig ein schlechteres Abrollverhalten.
Je nach Modell sind die Sohlen
von Wanderschuhen mehr oder weniger
stark gewölbt. «So kann man trotz steifer
Sohle gut abrollen», sagt Nanzer. Wanderschuhe
mit einer geraderen Sohle und einer
zusätzlichen «Climbing Zone» – einem
meist profillosen Abschnitt mit einer klaren
Kante im vorderen Bereich der Sohle, wie
sie etwa der Zodiac TRK GTX von Scarpa
aufweist –, ermöglichen hingegen ein präziseres
Antreten in felsigem Gelände.
Auf Alpinwanderwegen ist neben stabilen Schuhen auch immer Trittsicherheit gefragt.
Eine Frage des Materials
Beim Obermaterial kann man zwischen
Schuhen aus Glattleder, Rauleder wie Nubuk
oder Velours und synthetischem Material
wählen. «Jedes dieser Materialien
hat seine Vorteile», betont Nanzer. Synthetik
ist leicht, genügsam in der Pflege
und trocknet schnell. Leder hingegen ist
sehr robust und bei richtiger Pflege sehr
langlebig und wasserabweisend. Allerdings
trocknet Leder, wenn es einmal nass
geworden ist, nur langsam und Kratzer
sind schnell sichtbar. «Ich persönlich finde
Nubukleder am besten: Es ist robust,
gut wasserabweisend, langlebig und pflegeleicht», verrät Nanzer. Letztlich ist die
Entscheidung eine persönliche: Wenn es auf das Gewicht ankommt, ist meist ein
Schuh aus Synthetik die richtige Wahl,
wenn Stabilität und Langlebigkeit im Vordergrund
stehen, dann Glattleder. Das
von Nanzer bevorzugte Nubuk- oder auch
Veloursleder liegt hinsichtlich Gewicht,
Robustheit und Pflegeaufwand etwa in der
Mitte.
Teilweise werden die Materialien
bei den Schuhmodellen auch kombiniert:
So kommt das robuste Leder im unteren
Bereich des Schuhs zum Einsatz und wird
durch Einsätze aus dem leichteren Synthetik-
Textil am Schaft ergänzt. Wer auf den
klassischen Lederschuh-Look nicht verzichten
möchte, jedoch auf das Material
tierischen Ursprungs, der findet mit dem
Superalp V-Light GTX von AKU ein entsprechendes
Modell.
Gegen Regenwetter und nasse Bedingungen
schafft eine wasserdichte und
dampfdurchlässige Membran Abhilfe, die
in den meisten Wanderschuhen zu finden
ist. Wird ein reiner «Schönwetterschuh»
gesucht, rät Nanzer allerdings zu einem
Schuh ohne Membran. In diesen schwitzt
man vor allem bei warmen Temperaturen
weniger. Wer generell zu schwitzenden
Füssen und Blasen oder Druckstellen
neigt, ist zudem mit einem Schuh mit
Lederinnenfutter gut beraten. Leder hat
von Natur aus Poren, durch die Feuchtigkeit
– eine mögliche Ursache für Blasen
– in Form von Wasserdampf entweichen
kann. «Deshalb geht der Trend in letzter
Zeit wieder etwas mehr zu Lederschuhen», verrät der Schuhexperte.
Auch bei «besonderen» Füssen, wie zum Beispiel
bei einer Fehlstellung des Grosszehenballens
(Hallux valgus), sind Lederschuhe
mit Lederfutter zu empfehlen. Denn das
Material passt sich der Fussform gut an
und lässt sich bei Bedarf gut ausweiten.
Der Tatra II Bunion Leder W von Hanwag
ist so gefertigt, dass er im Ballenbereich
zusätzlichen Platz bietet.
Beim Queren von Bächen hilft auch die beste Goretex-Membran nicht mehr: am besten die Schuhe ausziehen! ;-)
Auf den Fuss geschnitten
Die Leistenform – also das dreidimensionale
Modell des Fusses, auf das der Schuh
zugeschnitten wird – ist für die Passform
eines jeden Schuhs entscheidend. Sie bestimmt
nicht nur die Breite eines Schuhs,
sondern auch den Platz für den Rist nach
oben. Jeder Hersteller verwendet eigene
Leisten, die sich von Modell zu Modell
unterscheiden können. «Jeder Fuss
ist anders: Am besten probiert man verschiedene
Modelle in unseren Filialen an»,
empfiehlt Nanzer.
Ein optimal passender
Wanderschuh sollte nirgends drücken und
ausreichend Platz für den Fuss bieten,
aber speziell im Fersenbereich möglichst
fest sitzen. Unabhängig von dem Leisten
wählt man Wanderschuhe in der Regel
mindestens eine Nummer grösser als die
Fusslänge. So hat der Fuss auch beim
Bergabgehen genügend Platz nach vorne.
Dies lässt sich leicht überprüfen, indem
man die Einlegesohle herausnimmt. Der
Fuss wird mit der Ferse hinten bündig darauf
gestellt. «Nach vorne sollte noch etwa
eine Daumenbreite Platz sein», gibt Nanzer als Richtwert an. Neben dem Leisten beeinflussen
auch die Dehnbarkeit des Obermaterials
sowie eine mögliche Membran
und ein Geröllschutzrand am Übergang
zur Sohle die Passform geringfügig.
«Ich
empfehle, immer zehn bis 15 Minuten mit
den Schuhen am Fuss herumzulaufen, um
den Sitz und die allgemeine Passform zu
überprüfen», so der Schuh-Experte. Auch
mögliche Druckstellen des Schuhs lassen
sich so meist schon erkennen. Ein guter
Zeitpunkt für den Schuhkauf ist übrigens
der Nachmittag oder Abend. Der Grund:
Morgens nach dem Aufstehen sind die Füsse
am kleinsten, im Laufe des Tages läuft
man sie sozusagen warm und sie werden
etwas grösser.
Individuelle Anpassungen empfohlen
Hat man ein passendes Modell gefunden,
kann man den Sitz des Schuhs noch durch
den Tausch der Innensohle optimieren. Die
meisten Wanderschuhe sind ab Werk mit einer
eher neutralen, flachen Innensohle ausgestattet.
Hat man zum Beispiel ein hohes
Fussgewölbe, kann eine Sohle mit zusätzlicher
Stütze angenehmer sein und den Fuss
vor allem beim Bergabgehen zusätzlich im
Schuh fixieren. «Das kann einen grossen
Unterschied machen», sagt Nanzer und
empfiehlt, schon beim Schuhkauf verschiedene
Sohlen auszuprobieren.
Aber auch
bei Problemen mit Blasen oder Schmerzen
an der Fusssohle kann eine andere Einlegesohle
helfen, ebenso wie eine Variation
der Schnürung. Schnürt man den Schuh am Schaft etwas lockerer, hat man mehr
Bewegungsspielraum. Das kann vor allem
bergauf angenehm sein. Vor dem Bergabgehen
macht es Sinn, den Schuh generell
etwas fester zu schnüren, um nicht nach
vorne zu rutschen. «Insbesondere bei Problemen
lohnt es sich, mit der Schnürung zu
experimentieren», rät Nanzer. Zusätzlichen
Halt in der Ferse erhält man etwa, indem
man die Schnürsenkel von oben nach unten
durch die Tiefzughaken führt.
Richtig pflegen
Nach der Tour sollte der Schuh immer gelüftet
und getrocknet werden, am besten
mit herausgenommener Einlegesohle –
das beugt auch der Geruchsbildung vor.
Ist ein Schuh richtig durchnässt, helfen
ein elektrischer Schuhtrockner oder das
Ausstopfen mit Papier. Auf keinen Fall
sollte ein Schuh zum Trocknen auf die
Heizung oder den Ofen oder in die pralle
Mittagssonne gestellt werden. Die Hitze
schadet dem Material, vor allem Leder. Ist
der Schuh von aussen verschmutzt, sollte
er mit Wasser und Bürste, bei starker
Verschmutzung mit Reinigungsschaum,
abgebürstet und anschliessend neu imprägniert
werden.
Bei Schuhen aus Synthetik-
und Nubukleder verwendet man etwa
ein Spray. Schuhe aus Glattleder pflegt
man hingegen am besten mit Wachs. Das
dunkelt zwar die Farbe etwas ab, spendet
dem Leder aber Feuchtigkeit und hält es
so geschmeidig wie möglich. «Ich putze
meinen Schuh nach jeder Wanderung»,
sagt Nanzer. Gegen eine Verschleisserscheinung
hilft aber auch die beste Pflege
nichts: Bei der sogenannten «Hydrolyse»
verhärtet sich die Zwischensohle des
Schuhs, wenn sich nach meist vielen Jahren
im Einsatz oder auch nach langer Lagerung
ohne Gebrauch alle Weichmacher
verflüchtigt haben. In der Folge löst sich
meist die Sohle vom Schuh.
Ob ein Schuh
auch in diesem Fall wieder besohlt werden
kann, hängt von der Machart des Schuhs ab: Klebegezwickte Schuhe können wieder
besohlt werden, gestrobelte Schuhe nicht.
Auskunft darüber, um welche Schuhe es
sich handelt, können die Fachleute in den
Filialen geben. Die Kosten für eine Neubesohlung
liegen zwischen 160 und 220
Franken. «Das lohnt sich, wenn der Schuh
gut eingelaufen ist und vorher gut gepflegt
wurde», sagt Nanzer.
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