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Harte Schale, grüner Kern? So nachhaltig sind Tourenskis

Thomas Ebert, Freitag, 24. Januar 2025

Damit Ski so funktionieren wie gewünscht, ist heutzutage mehr nötig als ein Holzbrett mit Stahlkanten. Den mit Harz verpressten Hochleistungsmix aus Kunststoffen, Glas- und Carbonfasern nachhaltig herzustellen, ist indes kein leichtes Unterfangen.

Jahr für Jahr beschenken uns die Skihersteller mit neuen Innovationen. Mit Ski, die immer leichter und vielseitiger werden, fehlerverzeihend agieren oder noch sportlicher gefahren werden wollen – je nachdem, was die Kundin oder der Kunde wünscht. Doch spätestens wenn ein Neukauf ansteht, sei es nach einem irreparablen Schaden oder weil der Ski nach vielen, vielen Touren «weichgetreten» ist, stellt sich die Frage: Was tun mit den alten Latten?

Leichtes Material ist im Trend – doch es hat auch seinen Preis.

Stand heute landen defekte oder aussortierte Ski mal als Staubfänger im Keller, mal als Deko an der Wand, bestenfalls noch per Upcycling am Gartenzaun oder in einer Sitzbank – früher oder später jedoch in der energetischen Verwertung, sprich Müllverbrennung. Es könnte jedoch sein, dass sich daran mittelfristig etwas ändert, denn die Branche ist in Bewegung. «So wie Qualität und Langlebigkeit ist auch Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor. Es ist gut zu sehen, dass dieses Thema auch bei den Skiherstellern mehr Stellenwert bekommt und nach neuen, nachhaltigeren Lösungen geforscht wird», skizziert Päivi Litmanen, Produktmanagerin im Bereich Ski bei Bächli Bergsport, die Lage.

Zur Gesamtbilanz eines Skis gehört auch der Energieeinsatz in Produktion und Logistik. Denn die Herstellung von Ski – bei der sich manche Hersteller übrigens Gemeinschaftswerke teilen – ist von der Konfektionierung der Rohware bis zum Feinschliff energieintensiv und damit ein wichtiger Faktor, um das Endprodukt nachhaltiger zu machen. Verzicht auf Fluglogistik, regionaler Wareneinkauf, bessere Abfallverwertung, die Nutzung von Restholz als Heizmaterial, grosse Photovoltaikanlagen auf den Produktionsstätten oder auch der Einsatz von Wasserkraft bei den Skipressen – Ansatzpunkte zum Einsparen von Energie und Rohstoffen gibt es zuhauf. «Auch auf Recycling-Verpackungen wird stark geachtet. Insgesamt sind viele Hersteller sehr engagiert, was das Thema Nachhaltigkeit angeht», summiert Litmanen den Stand der Dinge.

Das steckt im Tourenski

In jedem Tourenski steckt auch heute noch ein Holzkern – meist aus dem Paulownia-Baum.

Entscheidend für die Umweltverträglichkeit sind am Ende des Tages aber auch die inneren Werte. In so gut wie jedem Leichtbau-Tourenski steckt heutzutage ein aus Paulowniaholz gefertigter Kern. Die Paulownie, auch Blauglockenbaum genannt, stammt aus China. Die Schweiz hat den Neophyten zum 1. September 2024 auf den Index gesetzt, er darf als invasive Art hierzulande nicht vermehrt oder gepflanzt werden. 

Typische Anbauorte sind Ostasien, aber auch wärmebegünstigte Lagen in Europa, wie Kroatien und Griechenland. Sogar im bayerischen Bodenseeraum gibt es Experimente mit dem Anbau von Paulownia. Der Baum wächst mit zwei bis vier Metern pro Jahr extrem schnell, und sein Holz ist sehr leicht: Mit unter 300 Kilogramm wiegt ein Kubikmeter luftgetrocknetes Paulownienholz deutlich weniger als das der Fichte. Zudem verzieht und verdreht sich das Holz kaum und ist biegsam – gute Voraussetzungen also für den Einsatz in Tourenski, bei denen es auf Leichtigkeit ankommt. Ausser Paulowniaholz stecken auch Pappel- und Buchenhölzer in den Kernen heutiger Tourenski. Wer es im Bereich Holz besonders ökologisch haben will, kann auf FSC-zertifizierte Hölzer achten. 

Ebenfalls in vielen Tourenski zu finden ist eine Einlage aus Titanal – vor allem in bereiteren Tourenski ab 90 Millimeter Mittelbreite, denn diese werden in der Regel sportlicher gefahren, wodurch höhere Kräfte auftreten. Konkret ist Titanal der Markenname einer speziellen Aluminiumlegierung, in der Titan (neben anderen Elementen wie Magnesium oder Kupfer) nur in sehr geringer Menge zur Erhöhung der Bruchdehnung beigegeben wird. In der Titanaleinlage, die den hohen Zugkräften im Bindungsbereich besser Herr wird als ein reiner Holzkern, finden auch die Bindungsschrauben guten Halt.

Apropos Kräfte: Natürlich sind die Zeiten reiner Holzski auch im Tourenbereich längst vorbei. Damit ein Tourenski allen einwirkenden Kräften gerecht werden kann, vom Zusammenstauchen in einer Senke bis hin zur Schwungentlastung, werden Verbundmatten aus Fiberglas um den Holzkern herum arrangiert. Standardmässig geht man dabei von einem Unterund Obergurt bzw. einem Zug- und einem Druckgurt aus. Wie oft sich dabei die Faserrichtungen des Gewebes kreuzen und in welcher Richtung und Faserstärke das Gewebe verlegt wird – all das hat Einfluss auf die Fahreigenschaften und wird im Detail als Betriebsgeheimnis gehütet. Ebenso im Ungefähren bleibt indes auch, wie gross der ökologische Vorteil einer unidirektionalen Faserverlegung, wie es manche Hersteller anpreisen, tatsächlich ist.

Verbundmatten aus Fiberglas und Carbonfasern beeinflussen Fahreigenschaften, Charakteristik und Flex.

Bei diesen Verbundmatten setzen nun manche Hersteller an, um mehr nachwachsende Rohstoffe im Ski unterzubringen. Hoch im Kurs steht dabei Flachs, das beispielsweise die Firma Scott in einzelnen Modellen verbaut. Die Firma Movement arbeitet mit der Firma BComp aus Fribourg zusammen: Der Zulieferer hat ein aus Naturfasern bestehendes Hochleistungsgewebe namens Amplitex im Sortiment, das etwa im Automotive- oder Marinebereich, aber eben auch in Ski zum Einsatz kommt. Aufsehen erregte zuletzt auch die US-Firma WNDR aus Salt Lake City. Hinter ihr steckt der kalifornische Konzern Checkerspot, der im grossen Stil zu biobasierten Kunststoffen forscht. So kommt bei WNDR etwa ein Skikern namens AlgalCore zum Einsatz, einem Verbund aus Pappelholz und PU-ähnlichem, aus Algen gewonnenem Schaum.

Trotz dieser Ansätze bleibt der Anteil von Naturfasern in Tourenskiern gering. Es dominieren synthetische Gurte, bei Weitem nicht nur aus Fiberglas: Auch hochfestes Gewebe aus Aramid oder gar Basaltfasern, die dämpfende Eigenschaften versprechen, sind in modernen Tourenski zu finden. Als technologische Speerspitze gilt bei nahezu allen Herstellern die Verwebung von Fiberglas mit ultraleichten und hochfesten Carbonfasern. Die sorgen für noch bessere Fahreigenschaften bei gleichbleibendem oder gar geringerem Gewicht. Etwas weniger begeistert von den Carbon-Zugaben ist die Entsorgungsbranche, denn Müllverbrennungsanlagen kommen mit Carbon eher schlecht zurecht. Teils gelingt die Verbrennung nicht vollständig, sodass die Faser oft noch in Asche und Schlacke nachgewiesen werden kann; zum anderen sind Carbonfasern elektrisch leitend, was in den Anlagen Kurzschlüsse, Ausfälle oder gar Brände verursachen kann.

Für das «Drumherum» des Kerns lässt sich grob sagen: Je unbedeutender die Bauteile eines Skis für seine Fahreigenschaften sind, desto häufiger kommen bereits heute wiederverwertete Materialien zum Einsatz – etwa in den Seitenwangen, der Lauffläche, den Stahlkanten oder auch der Deckschicht des Skis. So kann etwa der MTN 96 Carbon von Salomon aus dem Bächli-Sortiment ein zu 30 Prozent recyceltes Topsheet und sogar eine vollständig wiederverwertete Lauffläche vorweisen. Immer öfter findet auch Kork seinen Weg in Tourenski: als Alternative zu den sonst üblichen ABS-Kunststoffen für die Stossdämpfer an Skispitzen und -enden.

Die Lösung als Lösung?

Alle Bestandteile werden mit Epoxidharz verklebt, bevor sie in einer Verleimpresse bei rund acht Bar Druck aushärten.

Bei all den Anstrengungen, die man in puncto Waren- und Energieeinsatz unternehmen kann, gibt es beim Skibau eine Achillesferse in Sachen Nachhaltigkeit. Denn damit ein Ski verlässlich funktioniert, müssen alle Bestandteile miteinander verklebt und verpresst werden. Das erfolgt in der Regel über Epoxidharze und hohen Druck – und zwar so fest und dauerhaft, dass der Ski nicht nur viele Abfahrten lang hält, sondern auch nach seinem Dienst nicht ohne Weiteres in seine Ausgangsmaterialien zerlegt werden kann. Das steht nicht nur der Wiederverwertung von Ski im Weg, sondern häufig auch jeder Reparatur, die über das Ausbessern des Belags hinausgeht: Eine durch Steinkontakt ausgebrochene Kante bedeutet in aller Regel das Todesurteil für einen Ski. Auch die Anwendung biobasierter Harze («Bio-Resin»), die einige Hersteller (etwa K2, Völkl, Faction) bereits praktizieren, ändert an diesem Dilemma nichts.

Nicht von ungefähr umfasst eine Herstellergarantie oft nur die gesetzlich vorgeschriebenen zwei, manchmal auch drei Jahre Gewährleistung, wobei im Kleingedruckten stets jeder skitourentypische Verschleiss und Defekt, etwa durch einen Steinkontakt, davon ausgeschlossen wird. Sogenannte «crash replacements» wie in der Mountainbikebranche, bei der mit Selbstbeteiligung vergünstigte Ersatzprodukte gekauft werden können, sind im Skibereich nicht etabliert.

Einen Vorstoss, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, unternahm vor wenigen Jahren der Konzern Rossignol (u. a. Dynastar) mit seinem «Essential»-Ski. Der, so Rossignol, bestehe nicht nur zu bereits 62 Prozent aus recycelten und biologisch erzeugten Werkstoffen: Durch eine Partnerschaft mit dem auf Elektronikrecycling spezialisierten Unternehmen MTB sollen bis zu 77 Prozent des Skis auch nach seinem Gebrauchsende wiederverwertbar sein, so das Versprechen. Die Technologie soll bis 2028 in einem Drittel der Skikollektion enthalten sein.

Bereits einen Schritt weiter war die Schweizer Firma Earlybird. 2014 von Hanno Schwab gegründet, machten sich die Berner innert kurzer Zeit einen Namen. Mit selbst gebauten Pressen fabrizierten sie eine Handvoll Paar Ski im auffälligen Multiplex-Look, fuhren damit zur ISPO nach München – und hatten gleich eine Grossbestellung zu verzeichnen. Flachsfasern statt Glasfasern, Polyamide auf Rizinussamenbasis, FSC-zertifiziertes Holz, rezyklierter Stahl in den Kanten: Earlybird- Ski sollten so nachhaltig wie möglich sein. Der eigentliche Clou aber war, dass das bei Earlybird-Skiern verwendete Epoxidharz in einem speziellen Bad aus Wasser und Essigsäure bei 82 Grad Celsius aufgelöst werden konnte – und so die Ausgangsmaterialien wieder sortenrein voneinander trennte. Durchsetzen konnte sich bis heute indes weder die Technologie noch die Marke: Seit 2024 befindet sich Earlybird in Liquidation.

Bei Stahlkanten, Seitenwangen, Lauffläche oder Deckschicht ist der Anteil wiederverwerteter Materialien bereits recht hoch.

Auf dem Massenmarkt Ski wird es wohl noch eine Weile dauern, bis eine vollendete Kreislaufwirtschaft erreicht ist. Dennoch kann jede und jeder Einzelne auch heute schon einen Beitrag zum umweltverträglichen Skigenuss leisten: mit einer sorgfältigen und im besten Sinne nachhaltigen Produktauswahl sowie einer verantwortungsvollen Pflege, zu der u. a. auch der Verzicht auf Fluorwachs gehört. Dabei stehen wir Ihnen tatkräftig – vom alljährlichen Skitest über die Beratung bis zum Skiverleih – in jeder Filiale zur Seite.


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