Jahr für Jahr beschenken uns die Skihersteller mit neuen Innovationen. Mit
Ski, die immer leichter und vielseitiger werden, fehlerverzeihend agieren
oder noch sportlicher gefahren werden
wollen – je nachdem, was die Kundin oder der Kunde
wünscht. Doch spätestens wenn ein
Neukauf ansteht, sei es nach einem irreparablen Schaden oder weil der Ski
nach vielen, vielen Touren «weichgetreten» ist, stellt sich die Frage: Was
tun mit den alten Latten?
Leichtes Material ist im Trend – doch es hat auch seinen Preis.
Stand heute
landen defekte oder aussortierte Ski
mal als Staubfänger im Keller, mal als
Deko an der Wand, bestenfalls noch per
Upcycling am Gartenzaun oder in einer
Sitzbank – früher oder später jedoch in
der energetischen Verwertung, sprich
Müllverbrennung. Es könnte jedoch
sein, dass sich daran mittelfristig etwas
ändert, denn die Branche ist in Bewegung. «So wie Qualität und Langlebigkeit ist auch Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor. Es ist gut zu sehen, dass
dieses Thema auch bei den Skiherstellern mehr Stellenwert bekommt und nach neuen, nachhaltigeren Lösungen
geforscht wird», skizziert Päivi Litmanen, Produktmanagerin im Bereich Ski
bei Bächli Bergsport, die Lage.
Zur Gesamtbilanz eines Skis gehört
auch der Energieeinsatz in Produktion
und Logistik. Denn die Herstellung von
Ski – bei der sich manche Hersteller übrigens Gemeinschaftswerke teilen – ist
von der Konfektionierung der Rohware
bis zum Feinschliff energieintensiv und
damit ein wichtiger Faktor, um das Endprodukt nachhaltiger zu machen. Verzicht auf Fluglogistik, regionaler Wareneinkauf, bessere Abfallverwertung, die
Nutzung von Restholz als Heizmaterial,
grosse Photovoltaikanlagen auf den Produktionsstätten oder auch der Einsatz
von Wasserkraft bei den Skipressen –
Ansatzpunkte zum Einsparen von Energie und Rohstoffen gibt es zuhauf. «Auch
auf Recycling-Verpackungen wird stark
geachtet. Insgesamt sind viele Hersteller sehr engagiert, was das Thema Nachhaltigkeit angeht», summiert Litmanen
den Stand der Dinge.
Das steckt im Tourenski
In jedem Tourenski
steckt auch heute noch ein
Holzkern – meist aus dem
Paulownia-Baum.
Entscheidend für die Umweltverträglichkeit sind am Ende des Tages aber auch die
inneren Werte. In so gut wie jedem Leichtbau-Tourenski steckt heutzutage ein aus
Paulowniaholz gefertigter Kern. Die Paulownie, auch Blauglockenbaum genannt,
stammt aus China. Die Schweiz hat den
Neophyten zum 1. September 2024 auf
den Index gesetzt, er darf als invasive Art
hierzulande nicht vermehrt oder gepflanzt
werden.
Typische Anbauorte sind Ostasien, aber auch wärmebegünstigte Lagen
in Europa, wie Kroatien und Griechenland.
Sogar im bayerischen Bodenseeraum
gibt es Experimente mit dem Anbau von
Paulownia. Der Baum wächst mit zwei
bis vier Metern pro Jahr extrem schnell,
und sein Holz ist sehr leicht: Mit unter 300
Kilogramm wiegt ein Kubikmeter luftgetrocknetes Paulownienholz deutlich weniger als das der Fichte. Zudem verzieht
und verdreht sich das Holz kaum und ist
biegsam – gute Voraussetzungen also für
den Einsatz in Tourenski, bei denen es auf
Leichtigkeit ankommt. Ausser Paulowniaholz stecken auch Pappel- und Buchenhölzer in den Kernen heutiger Tourenski. Wer
es im Bereich Holz besonders ökologisch
haben will, kann auf FSC-zertifizierte Hölzer achten.
Ebenfalls in vielen Tourenski zu finden
ist eine Einlage aus Titanal – vor allem in
bereiteren Tourenski ab 90 Millimeter Mittelbreite, denn diese werden in der Regel
sportlicher gefahren, wodurch höhere Kräfte
auftreten. Konkret ist Titanal der Markenname einer speziellen Aluminiumlegierung,
in der Titan (neben anderen Elementen wie
Magnesium oder Kupfer) nur in sehr geringer Menge zur Erhöhung der Bruchdehnung
beigegeben wird. In der Titanaleinlage, die
den hohen Zugkräften im Bindungsbereich
besser Herr wird als ein reiner Holzkern, finden auch die Bindungsschrauben guten Halt.
Apropos Kräfte: Natürlich sind die
Zeiten reiner Holzski auch im Tourenbereich längst vorbei. Damit ein Tourenski
allen einwirkenden Kräften gerecht werden kann, vom Zusammenstauchen in einer Senke bis hin zur Schwungentlastung,
werden Verbundmatten aus Fiberglas um
den Holzkern herum arrangiert. Standardmässig geht man dabei von einem Unterund Obergurt bzw. einem Zug- und einem
Druckgurt aus. Wie oft sich dabei die Faserrichtungen des Gewebes kreuzen und
in welcher Richtung und Faserstärke das
Gewebe verlegt wird – all das hat Einfluss
auf die Fahreigenschaften und wird im Detail als Betriebsgeheimnis gehütet. Ebenso
im Ungefähren bleibt indes auch, wie gross
der ökologische Vorteil einer unidirektionalen Faserverlegung, wie es manche Hersteller anpreisen, tatsächlich ist.
Verbundmatten aus
Fiberglas und Carbonfasern
beeinflussen Fahreigenschaften, Charakteristik und Flex.
Bei diesen Verbundmatten setzen nun
manche Hersteller an, um mehr nachwachsende
Rohstoffe im Ski unterzubringen.
Hoch im Kurs steht dabei Flachs, das beispielsweise
die Firma Scott in einzelnen
Modellen verbaut. Die Firma Movement
arbeitet mit der Firma BComp aus Fribourg
zusammen: Der Zulieferer hat ein aus Naturfasern
bestehendes Hochleistungsgewebe
namens Amplitex im Sortiment, das
etwa im Automotive- oder Marinebereich,
aber eben auch in Ski zum Einsatz kommt.
Aufsehen erregte zuletzt auch die US-Firma
WNDR aus Salt Lake City. Hinter ihr steckt
der kalifornische Konzern Checkerspot, der
im grossen Stil zu biobasierten Kunststoffen
forscht. So kommt bei WNDR etwa ein
Skikern namens AlgalCore zum Einsatz, einem Verbund aus Pappelholz und PU-ähnlichem,
aus Algen gewonnenem Schaum.
Trotz dieser Ansätze bleibt der Anteil
von Naturfasern in Tourenskiern gering. Es
dominieren synthetische Gurte, bei Weitem
nicht nur aus Fiberglas: Auch hochfestes
Gewebe aus Aramid oder gar Basaltfasern,
die dämpfende Eigenschaften versprechen,
sind in modernen Tourenski zu finden. Als
technologische Speerspitze gilt bei nahezu
allen Herstellern die Verwebung von
Fiberglas mit ultraleichten und hochfesten Carbonfasern. Die sorgen für noch bessere
Fahreigenschaften bei gleichbleibendem
oder gar geringerem Gewicht. Etwas weniger
begeistert von den Carbon-Zugaben
ist die Entsorgungsbranche, denn Müllverbrennungsanlagen
kommen mit Carbon
eher schlecht zurecht. Teils gelingt die
Verbrennung nicht vollständig, sodass die
Faser oft noch in Asche und Schlacke nachgewiesen
werden kann; zum anderen sind
Carbonfasern elektrisch leitend, was in den
Anlagen Kurzschlüsse, Ausfälle oder gar
Brände verursachen kann.
Für das «Drumherum» des Kerns
lässt sich grob sagen: Je unbedeutender
die Bauteile eines Skis für seine Fahreigenschaften
sind, desto häufiger kommen bereits
heute wiederverwertete Materialien
zum Einsatz – etwa in den Seitenwangen,
der Lauffläche, den Stahlkanten oder auch
der Deckschicht des Skis. So kann etwa
der MTN 96 Carbon von Salomon aus dem
Bächli-Sortiment ein zu 30 Prozent recyceltes
Topsheet und sogar eine vollständig
wiederverwertete Lauffläche vorweisen. Immer öfter findet auch Kork seinen Weg
in Tourenski: als Alternative zu den sonst
üblichen ABS-Kunststoffen für die Stossdämpfer
an Skispitzen und -enden.
Die Lösung als Lösung?
Alle Bestandteile werden
mit Epoxidharz verklebt, bevor
sie in einer Verleimpresse bei
rund acht Bar Druck aushärten.
Bei all den Anstrengungen, die man in
puncto Waren- und Energieeinsatz unternehmen
kann, gibt es beim Skibau eine
Achillesferse in Sachen Nachhaltigkeit.
Denn damit ein Ski verlässlich funktioniert,
müssen alle Bestandteile miteinander
verklebt und verpresst werden. Das
erfolgt in der Regel über Epoxidharze und
hohen Druck – und zwar so fest und dauerhaft,
dass der Ski nicht nur viele Abfahrten
lang hält, sondern auch nach seinem
Dienst nicht ohne Weiteres in seine Ausgangsmaterialien
zerlegt werden kann.
Das steht nicht nur der Wiederverwertung
von Ski im Weg, sondern häufig auch
jeder Reparatur, die über das Ausbessern
des Belags hinausgeht: Eine durch Steinkontakt
ausgebrochene Kante bedeutet in
aller Regel das Todesurteil für einen Ski.
Auch die Anwendung biobasierter Harze
(«Bio-Resin»), die einige Hersteller (etwa
K2, Völkl, Faction) bereits praktizieren,
ändert an diesem Dilemma nichts.
Nicht
von ungefähr umfasst eine Herstellergarantie
oft nur die gesetzlich vorgeschriebenen
zwei, manchmal auch drei
Jahre Gewährleistung, wobei im Kleingedruckten
stets jeder skitourentypische
Verschleiss und Defekt, etwa durch einen
Steinkontakt, davon ausgeschlossen wird. Sogenannte «crash replacements»
wie in der Mountainbikebranche, bei der
mit Selbstbeteiligung vergünstigte Ersatzprodukte
gekauft werden können,
sind im Skibereich nicht etabliert.
Einen Vorstoss, diesen Teufelskreis
zu durchbrechen, unternahm vor wenigen
Jahren der Konzern Rossignol (u. a. Dynastar)
mit seinem «Essential»-Ski. Der,
so Rossignol, bestehe nicht nur zu bereits
62 Prozent aus recycelten und biologisch
erzeugten Werkstoffen: Durch eine Partnerschaft
mit dem auf Elektronikrecycling
spezialisierten Unternehmen MTB sollen
bis zu 77 Prozent des Skis auch nach seinem
Gebrauchsende wiederverwertbar
sein, so das Versprechen. Die Technologie
soll bis 2028 in einem Drittel der Skikollektion
enthalten sein.
Bereits einen Schritt weiter war die
Schweizer Firma Earlybird. 2014 von Hanno
Schwab gegründet, machten sich die
Berner innert kurzer Zeit einen Namen.
Mit selbst gebauten Pressen fabrizierten
sie eine Handvoll Paar Ski im auffälligen
Multiplex-Look, fuhren damit zur ISPO
nach München – und hatten gleich eine
Grossbestellung zu verzeichnen. Flachsfasern
statt Glasfasern, Polyamide auf Rizinussamenbasis,
FSC-zertifiziertes Holz,
rezyklierter Stahl in den Kanten: Earlybird-
Ski sollten so nachhaltig wie möglich
sein. Der eigentliche Clou aber war,
dass das bei Earlybird-Skiern verwendete
Epoxidharz in einem speziellen Bad aus
Wasser und Essigsäure bei 82 Grad Celsius
aufgelöst werden konnte – und so die
Ausgangsmaterialien wieder sortenrein
voneinander trennte. Durchsetzen konnte
sich bis heute indes weder die Technologie
noch die Marke: Seit 2024 befindet sich
Earlybird in Liquidation.
Bei Stahlkanten, Seitenwangen, Lauffläche oder
Deckschicht ist der Anteil
wiederverwerteter Materialien
bereits recht hoch.
Auf dem Massenmarkt Ski wird es
wohl noch eine Weile dauern, bis eine
vollendete Kreislaufwirtschaft erreicht ist.
Dennoch kann jede und jeder Einzelne auch
heute schon einen Beitrag zum umweltverträglichen
Skigenuss leisten: mit einer
sorgfältigen und im besten Sinne nachhaltigen
Produktauswahl sowie einer verantwortungsvollen
Pflege, zu der u. a. auch der
Verzicht auf Fluorwachs gehört. Dabei stehen
wir Ihnen tatkräftig – vom alljährlichen
Skitest über die Beratung bis zum Skiverleih
– in jeder Filiale zur Seite.
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.
Kommentar schreiben