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Verletzungsprävention beim Klettern

Sascha Schwob, Donnerstag, 31. Oktober 2024

Verletzungen gehören leider zum Sport dazu. Doch was sollte man tun, wenn es dazu kommt? Vor einigen Monaten habe ich mir beim Klettern die Schulter verletzt. Wie es dazu kam und und wie man das Verletzungsrisiko beim Klettern reduzieren kann, möchte ich in diesem Beitrag teilen.

In meinem Umfeld, in den meisten Kletterhallen als auch auf Social Media ist mir aufgefallen, dass viele Kletterer und Kletterinnen unterschiedlichste Verletzungen erleiden. Vor einigen Monaten habe ich mir das Labrum in der Schulter gerissen. Seitdem habe ich intensiv darüber nachgedacht, wie es zu dieser Verletzung kommen konnte und was ich tun kann, um künftige Verletzungen zu vermeiden.

Der erste Teil befasst sich hauptsächlich mit möglichen Fehlerquellen, die zu Verletzungen führen können, während der zweite Teil konkrete Massnahmen aufzeigt, die man ergreifen kann, um Verletzungen vorzubeugen. Abschliessend berichte ich im dritten Teil, was mir persönlich geholfen hat, nach meiner Verletzung so schnell wie möglich wieder ins Training einzusteigen. 

Pause machen

Das ist ein Punkt, den ich besonders bei mir selbst kritisch hinterfragen musste und ich bin sicher, vielen anderen geht es genauso. Klettern und Bouldern ist so motivierend, dass man am liebsten jeden Tag trainieren würde, das ist verständlich. Doch genau diesem Drang sollte man widerstehen, denn der Körper benötigt ausreichend Erholung, um sich zu regenerieren. Natürlich ist jeder Körper anders, und Spitzensportler können mit optimaler Regeneration 25+ Stunden pro Woche trainieren. Die Tatsache bleibt jedoch, dass unser Körper unter Vorbelastung deutlich anfälliger für Verletzungen ist. Mehr Training führt nicht automatisch zu besseren Leistungen, ab einem gewissen Punkt kann es sogar kontraproduktiv werden, wenn die nötige Regeneration fehlt. 

Anfänger sollten daher nach jedem Klettertag einen Ruhetag einlegen und insgesamt 1-3 Mal pro Woche klettern. Fortgeschrittenen Kletterer empfehle ich, nach zwei aufeinanderfolgenden Klettertagen einen Pausentag einzuplanen und 2-4 Mal pro Woche zu klettern. Ich persönlich trainiere 2-3 Mal pro Woche in der Halle und gehe zusätzlich an einem Tag draussen an den Fels. 

Müdigkeit

Viele Kletterer und Kletterinnen wissen nicht genau, wann sie ihr Training beenden sollten, da dieser Zeitpunkt sehr individuell und von vielen Faktoren abhängig ist. Es hängt auch stark davon ab, was und wie man klettert. Oft will man unbedingt einen Boulder oder eine Route meistern und versucht es immer wieder, obwohl man spürt, dass die Erfolgschancen zunehmend geringer werden. Ein guter Zeitpunkt, das Training zu beenden, ist, wenn die eigene Leistungsfähigkeit merklich nachlässt. An diesem Punkt hat der Körper den nötigen Trainingsreiz erhalten und es macht wenig Sinn, weiterzumachen, wenn die Kraft und Konzentration schwinden. 

Der ideale Zeitpunkt zum Aufhören kann dabei sehr unterschiedlich sein: Bei sehr kraftintensiven Bouldern kann dies bereits nach 45 Minuten der Fall sein, während man auf einer technischen Platte noch nach fünf Stunden effizient trainieren kann. Sobald jedoch die Leistung abnimmt, sollte man entweder aufhören oder sich einer anderen Aktivität widmen, wie z.B. der Verbesserung der Fusstechnik, Dehnübungen oder leichten Ausgleichsübungen. 

Warm Up 

Ein gutes Warm-up kann das Verletzungsrisiko deutlich verringern und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit steigern. Wichtige Bestandteile eines effektiven Aufwärmprogramms sind zunächst die Anregung des Kreislaufs, zum Beispiel durch Hampelmänner oder leichtes Joggen. Anschliessend sollte man alle Gelenke mobilisieren und die grossen Muskelgruppen aktivieren. Zum Abschluss sollten die Finger gezielt aufgewärmt werden, da sie beim Klettern besonders beansprucht werden. 

Ich empfehle, eine feste Routine zu entwickeln, die diese Elemente enthält. Zusätzlich zum Warm-up kann man gezielte Übungen einbauen, um an individuellen Schwächen zu arbeiten. Wer zum Beispiel an Beweglichkeit verliert, kann sich leicht dehnen, oder bei einer verletzten Schulter, wie in meinem Fall, sind spezielle Schulterübungen sinnvoll. Hierbei sollte man jedoch darauf achten, die Muskeln nur zu aktivieren und nicht zu ermüden. Mein persönliches Aufwärmprogramm dauert in der Regel etwa 45 Minuten. 

Antagonisten 

Beim Klettern werden nicht alle Muskelgruppen gleich stark beansprucht, und einige bleiben fast ungenutzt. Ein typisches Beispiel bei Kletterern ist die nach vorne fallende Haltung der Schultern, die durch ein Ungleichgewicht in der Muskulatur entsteht. Um dem entgegenzuwirken, sollten wir die sogenannten Antagonisten, also die Muskeln, die beim Klettern weniger aktiviert werden, gezielt stärken. Dies hilft, muskuläre Dysbalancen zu vermeiden und einen gesunden, ausbalancierten Körper zu fördern. Zu den Antagonisten zählen vor allem die Druckmuskeln wie der Trizeps und die Brustmuskulatur. Eine empfehlenswerte Übung hierfür ist beispielsweise das Bankdrücken. 

Essen 

Um im Training ausreichend Energie zu haben, ist eine angemessene Ernährung unerlässlich. Im Klettersport wird dieses Thema oft kontrovers diskutiert, da es viele sehr leichte Athleten gibt, die hervorragend klettern. Allerdings ist es auf Dauer ungesund, ein extrem niedriges Körpergewicht anzustreben, und langfristig können solche Athleten gesundheitliche Probleme entwickeln. Es ist daher entscheidend, dem Körper genügend Nährstoffe zuzuführen, da eine unzureichende Ernährung nicht nur die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, sondern auch das Verletzungsrisiko erhöht. Nach dem Klettern ist es ausserdem wichtig, ausreichend Proteine zu sich zu nehmen, um die Regeneration zu unterstützen und den Körper optimal zu erholen. 

Variation 

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den ich für mich entdeckt habe, ist die Bedeutung von Abwechslung im Training. Das bedeutet, dass ich darauf achte, nicht zu lange an einem einzigen Boulder oder einer Route zu arbeiten, sondern regelmässig zwischen verschiedenen Herausforderungen zu wechseln. Beispielsweise probiere ich in der Halle mal eine Platte, dann einen Boulder mit Leisten und danach einen mit Slopern. Diese Variation finde ich auch beim Projektieren entscheidend. Besonders deutlich wurde mir das, als ich im Tessin an einem Projekt probierte und täglich daran versuchte. Nach zwei Wochen, in denen ich nur denselben Boulder probierte, begann mein Körper wortwörtlich auseinanderzufallen. Diese Erkenntnis habe ich definitiv mitgenommen. In meinem Training achte ich daher darauf, nicht jeden Tag dasselbe zu klettern oder zu trainieren und beschränke intensives Training auf maximal zwei Tage pro Woche. 

Verletzungen gehören leider zum Sport dazu, doch was sollte man tun, wenn man sich verletzt? So schwer es einem auch fällt, nach einer Verletzung ist es zunächst wichtig, eine Pause vom Klettern einzulegen, damit der Körper Zeit zur Regeneration hat. Wie lange diese Pause dauert, hängt von der Art der Verletzung ab. In meinem Fall habe ich nach meiner Schulterverletzung zwei Wochen komplett pausiert, bevor ich damit begann, meiner Schulter leichte Reize zu setzen. Nach etwa einem Monat habe ich wieder langsam mit dem Klettern begonnen. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die richtige Ernährung. Es ist entscheidend, dass der Körper während der Genesung optimal mit Nährstoffen versorgt wird, was bedeutet, besonders auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu achten. Um vollständig zu genesen, ist es zudem wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und gezielte Übungen zur Stärkung der Muskeln um das verletzte Gewebe herum, durchzuführen. 

Während meiner Verletzungszeit wurde mir ausserdem bewusst, wie bedeutend das Klettern für mich ist. Da ich meinen Sport nicht ausüben konnte, gewann ich eine distanzierte Perspektive und erkannte, dass das Leben nicht nur um dieses Hobby kreist und es wichtig ist, auch andere Dinge im Leben zu schätzen. Ich konnte die Verbissenheit, die sich über die Jahre aufgebaut hatte, loslassen. Jetzt, nach meiner Genesung, habe ich das Gefühl, eine viel gesündere Beziehung zum Klettern entwickelt zu haben. Rückblickend denke ich, dass meine frühere Verbissenheit der Hauptgrund für meine Verletzung war. Ich habe nicht auf meinen Körper gehört und zu viel trainiert, weil ich schnelle Fortschritte erzwingen wollte.  
 

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