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Mehrseillängen klettern: Sechs praktische Tipps für dein erstes Mal

Fabian Reichle, Mittwoch, 18. September 2024

Mehrseillängen sind die Königsdisziplin des Kletterns. Technik, Material, Planung und vieles mehr müssen sitzen, um erfolgreich und genussvoll durch eine Wand zu kommen. Wir zeigen dir sechs Tipps, die dich inspirieren, selbst in die wundervolle Welt der Mehrseillängen-Routen einzutauchen.

6 Tipps fürs Mehrseillängenklettern – Das erfährst du in diesem Artikel 

  • Gemässigter Einstieg 
  • Planung 
  • Kommunikation 
  • Mentale Aspekte 
  • Material und Technik 
  • Packen 

Mehrere Etappen hintereinander durch eine alpine Wand klettern. Dabei womöglich selbst Sicherungsmaterial anbringen. In der Vertikalen nur Fels und unter dem Hintern ganz viel Luft. Mehrseillängen gehören mitunter zur Königsdisziplin des Klettersports und vielleicht des Alpinismus generell. 

Viel – wenn nicht alles – muss bereits vorab sitzen; sei dies Technik, Planung oder die mentale Einstellung. Das schreckt ab. So tasten sich viele Sportkletterbegeisterte eher zaghaft an die Mehrseillängen-Welt heran. Doch auch wenn tatsächlich viel verlangt wird: Mit einigen Tipps und Tricks sowie praktischen Kniffen funktioniert dieses Herantasten besser und sicherer. 

Tipp Nr. 1: Beginne einfach 

Niemand erwartet von dir, dass du dir die schwierigsten Nordwände mit 15 Seillängen im achten Grad vornimmst. Fang einfach an. Die Faustregel: Nimm den Grad, bei dem du dich im Klettergarten wohlfühlst und ziehe zwei davon ab. Such dir dann eine Route, die mässig lang, mässig schwierig und mässig alpin ist. 

Faustregel:
Nimm den Schwierigkeitsgrad, bei dem du dich im Klettergarten wohlfühlst und ziehe für die erste Mehrseillängentour zwei davon ab. 

Fast schon ein Garant für ein erstes positives Mehrseillängen-Erlebnis bieten sogenannte Plaisir-Routen. Hier ist der Name Programm: Die Routen sind meist sehr gut abgesichert und mit soliden Ständen sowie komfortablen Abseil-Pisten versehen. Eine gute Übersicht zu Plaisir-Kletterführern findest du im Bächli-Shop. 

Wichtig: sich genügend Zeit nehmen und immer die Situation vor Ort studieren.

Tipp Nr. 2: Planung und noch mehr Planung 

Bist du es gewohnt, an einen Kletterspot zu fahren, das Topo kurz zu studieren und dann in die Route einzusteigen? Vergiss das für deine Mehrseillängen-Tour. Eine alpine Kletterroute folgt oftmals nicht einer durchgängig klaren Bolt-Linie. Die Bohrhaken haben grössere Abstände, die Route ist nicht immer offensichtlich. Manchmal ist der logische Weg der schwierigere. Verlasse dich prinzipiell nicht auf ein einziges Topo. Beobachte auch die Situation generell am Fels, mach dich schlau über typische Verhauer, lies aktuelle Berichte. 

Kletterführer, Karten sowie Tourenberichte liefern wichtige Informationen zu Ausrüstung, Standplätzen, benötigtem Material, Abseilstellen oder Rückzugsmöglichkeiten einer Mehrseillängenroute. 

Und vergiss die Umweltfaktoren nicht. Vor allem das Wetter: Eine Mehrseillängen-Tour brichst du nicht mir nichts, dir nichts ab. Nehmen wir an, ein Gewitter zieht auf, so steckst du schnell in ernsthaften Schwierigkeiten. Informiere dich beispielsweise auch darüber, wann die Sonne auf die Wand trifft, wann sie diese wieder verlässt und dergleichen. 

Das Planen findet dann übrigens auch während des Kletterns statt. Mehrseillängen verlangen Flexibilität, Kreativität und angepasstes Handeln. 

Generell gilt: Baue viel Puffer in dein Vorhaben ein. 

Tipp Nr. 3: Kommuniziere richtig 

Mehrseillängen-Routen erfordern präzise und verlässliche Signale. Ein klassischer Fehler ist das Missverständnis bei den Kommandos Stand oder Nachkommen. Das ist dann insbesondere der Fall, wenn Wind, Echos oder andere Kletternde die Verständigung erschweren. 

Achte darauf, dass du und deine Partnerin oder dein Partner klare Absprachen trefft, bevor ihr in die Route einsteigt. Ihr könnt beispielsweise festlegen, dass das Kommando Stand erst dann gegeben wird, wenn der Standplatz vollständig eingerichtet ist und die vorsteigende Person sicher ist. 

Zudem hilft es, visuelle Signale wie das Ziehen am Seil zu nutzen, wenn akustische Signale nicht eindeutig wahrgenommen werden können. Und denk daran, dass ihr auch diese Art der Kommunikation im Voraus definieren müsst. 

Das Kletterseil ist nicht nur zentraler Bestandteil der Sicherungskette, sondern kann auch zur Kommunikation zwischen den Kletternden genutzt werden, beispielsweise wenn diese ausser Sicht- oder Hörweite sind. Zwingende Bedingung dafür ist, dass man sich vorgängig auf die entsprechenden Signale geeinigt hat.

Tipp Nr. 4: Behalte einen kühlen Kopf 

Die mentale Komponente wird von vielen Mehrseillängen-Novizen oft unterschätzt. Mehrere Stunden in der Wand bedeuten physisches Auslaugen, erfordern permanente Konzentration und Coolness in potenziell brenzligen Situationen. 

Denk daran, dass auch die zäheste Klettererin und das grösste Mentalbiest irgendwann an ihr Limit kommen. Lange und anstrengende Routen können zu Erschöpfung führen, die das Urteilsvermögen und die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Nebst dem Physischen – regelmässige Pausen, ausreichend essen und trinken – ist vor allem das Psychische elementar. 

Vielleicht lernst du Entspannungs- oder Atemtechniken, um deinen Kopf freizubekommen? Gut so. Gerade wenn es darum geht, fokussiert zu bleiben, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um sicher weiterzuklettern, hilft dir das. 

Tipp Nr. 5: Beherrsche dein Material und deine Technik im Schlaf 

In der Mehrseillängen-Tour ist alles ein bisschen komplexer als in der Sportkletter-Route. Einer der grössten Unterschiede ist die Seilorganisation am Standplatz. Hier kann es schnell passieren, dass sich das Seil chaotisch verhängt oder in sich verdreht. 

Die nachsteigende Person lässt das Seil unkontrolliert auf den Boden fallen oder legt es nicht ordentlich über die Beine oder die Schultern: Der wortwörtliche Seilsalat ist gewiss. Besser ist es, das Seil in sauberen Schlaufen aufzunehmen und diese so zu organisieren, dass sie sich leicht abziehen lassen. Dadurch wird verhindert, dass das Seil beim Vorstieg stockt. 

Eine mögliche Hilfestellung im Seil-Management können Seilsäcke wie der Tillit sein, der am am Stand befestigt wird und in den das Seil aufgenommen werden kann.  

Doch nicht nur das Seilhandling kann mühsam werden. Gerade in puncto Sicherheit gibt es in Mehrseillängen elementare Dinge, die du beachten musst. Beim Standplatzbau kann häufig beobachtet werden, dass Sicherungspunkte nicht redundant oder nicht optimal belastbar eingerichtet werden. Das willst du selbstverständlich tunlichst vermeiden. 

Ein Ausflug in die Gefilde der Klettersicherheit würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, aber denk daran, dass in Mehrseillängen unter Umständen bei einem Sturz die ganze Fallkraft auf dem Stand liegt. Ist dieser nicht solide gesichert und die Kraft verteilt sich redundant, kann er versagen. Es kommt zum Seilschaftsturz. 

Mit dem Tuber kann ein Sturz vor der ersten Zwischensicherung kaum gehalten werden. Benutzt man den Standplatz nicht als Umlenkung, droht bis zum ersten Sicherungspunkt ein Sturz über die ganze Seillänge! 

Tipp Nr. 6: Nimm das mit, was du brauchst 

Es ist wie bei einer mehrtägigen Wanderung: Leicht geht weit. In der Mehrseillängen-Route willst du praktikabel und mit möglichst wenig Kilogramm auf dem Rücken unterwegs sein. Nebst den üblichen Kletterutensilien benötigst du folgendes, respektive solltest du auf Folgendes achten: 

  • Seile: Ein Einfachseil oder Halbseile (Doppelseile), je nach Route und Vorlieben. Halbseile bieten mehr Flexibilität und Sicherheit in alpinem Gelände. 
  • Klettergurt: Ein bequemer und sicherer Klettergurt ist unerlässlich. Das heisst, er darf gerne etwas mehr Polsterung und mehr Schlaufen als dein Sportklettergurt haben. 
  • Kletterschuhe: Allenfalls kannst du deine ultra-aggressiven Boulderschuhe daheim lassen. Modelle, in denen du mehrere Stunden klettern kannst, sind vorteilhaft. 
  • Express-Sets: Ein Satz von Expressschlingen (mindestens zehn bis zwölf Stück) 
  • Abseilmaterial: Sicherungsgerät, Prusik-Schlinge, Karabiner – je nachdem, ob der Ausstieg über eine Abseilpiste führt. 
  • Karabiner: Verschiedene Schraubkarabiner und normale Karabiner zum Einrichten von Standplätzen und für den allgemeinen Gebrauch. 
  • Schlingen und Reepschnüre: Verschiedene Längen von Schlingen (120 cm, 240 cm) und Reepschnüre für Standplätze, Selbstsicherung und zum Abseilen. 

Traust du dir den Einstieg ins Mehrseillängenklettern nicht zu, so bietet Bächli Bergsport ein breites Kursangebot mit fachkundigen Bergführern. 
 


Schwieriger Zugang, aber… 

Als Fazit lässt sich sagen, dass Mehrseillängenrouten unglaublich viel Technikwissen, Klettererfahrung und alpines Können voraussetzen. Und dennoch wirst du sehen, dass diese Art des vertikalen Vorwärtskommens nicht nur einen unsäglichen Reiz inne hat, sondern letztendlich zugänglicher ist, als du vielleicht denkst. 

Fehlt nur noch ein geeigneter Berg für dein Vorhaben. Bei Bächli Bergsport findest du eine Fülle an inspirierenden Führern für die ganze Schweiz – garantiert auch mit einer passenden Route für dich. 

Mit seriöser Vorbereitung und dem nötigen Respekt wirst auch du schon bald dem unbeschreiblichen Gefühl, inmitten einer gigantischen Felswand quasi nur für dich zu klettern, erlegen sein. 


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