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Klettertour ohne Anstehen: Sgemögna 2545 m – Nordwand 6a

Daniel Silbernagel, bergpunkt, Donnerstag, 25. Juli 2024

Raus aus dem Stau und rein ins Abenteuer: Hoch über dem Val Redorta im Tessin wartet eine einsame Nordwand mit viel Potenzial für neue Routen. Wer den Trubel der bekannten Klettergebiete scheut und nach einer Herausforderung sucht, ist hier genau richtig.

Während sich an Wochenenden oder zu Ferienzeiten regelmässig Stau am Gotthard auf dem Weg in den Süden abzeichnet, kann es in beliebten Klettertouren welche gut abgesichert sind, ebenfalls zu stauähnlichen Zuständen kommen. Verlässt man jedoch die bekannten Ziele und muss diese erst noch selbst absichern, wird es schnell mal einsam. Je weiter der Zustieg, je ruhiger wird es. Dafür lockt vielleicht eine Biwaknacht unter Sternenhimmel und griffiger Gneis! Wo? - im Ticino, und zwar eine Etage höher als Ponte Brolla oder die vielen weiteren Klettergebiete in Talnähe.

Schon auf den ersten Metern gibt die steile Sgemögna den Tarif bekannt. Platten wechseln mit Verschneidungen und Rippen ab. Fotos: Daniel Silbernagel, topoverlag.ch

Im Val Redorta, welches in Sonogno nach Westen abzweigt, liegt 1500 Höhenmeter höher eine gewaltige, nach Norden gerichtete Felswand, welche sich von der Rasiva über drei Kilometer nach Osten bis zur Cima di Cazzài erstreckt. Hier hat es noch viel Routenpotenzial für kommende Generationen! Michael Kropac und Costantino Sertorio haben am Sgemögna (2545 m) eine Schwachstelle durch die eindrückliche Nordwand gefunden. Eine ideale Route für heisse Sommertage und abenteuerfreudige Kletter:innen. 

Die erste kompakte Wand bietet dann auch gleich die Schlüsselstelle. Über eine Verschneidung, Platten und Rippen geht es danach steil aufwärts dem unbekannten Gipfel entgegen. Neben Camalots, Keilen und Schlingen braucht es in dem teils kompakten Fels auch eine handvoll Schlaghaken und Hammer, um die Route vernünftig absichern zu können. Dann aber steht dem Abenteuer vor der Haustüre nichts mehr im Wege. 

Reise / Ausgangs- / Endpunkt 

Anreise nach Tenero oder Locarno. Letzter erreichbarer Ort mit dem ÖV ist Sonogno (918 m). Fahrplan: www.sbb.ch.
Tipp: Bis Corte (Transportseilbahn) ca. 1050 m kann auch mit dem Bike (eBike) gefahren werden.

Tourendaten

Keepwild-Kletterroute: Nordwand, ca. 14–16 SL, 5b–6a, 410 Hm, C-2. 

Beschreibung

Kartenausschnitt aus dem Kletterführer TICINO keepwild! climbs, 2. Auflage 2012, Topo.Verlag © Topo.Verlag, topoverlag.ch

Zustieg zum Einstieg: Von Corte di Mezzo direkt nach S die Schutthänge von Pidirói hinauf. Bei 1950 m eine Rinne queren und auf deren rechten Begrenzung bis zum Wandfuss. 1h, T4.

Route: Die erste kompakte Wand (Schlüsselstelle 6a) erklimmt man leicht schräg nach rechts querend bis zu einem ersten Absatz über einer etwas grasigen Verschneidung. Danach alles über eine schwach ausgeprägte, z.T. etwas moosige Rippe, bis sich der Berg etwas zurücklegt. Nun über schöne, plattige Sporne bis zum Gipfel. s. auch Bildtopo.

Abstieg: Vom Gipfel den SE-Grat bis in den Sattel von Ciossa absteigen (Stellen III). Von dort über Blockschuttfelder nach Magadign und weiter auf markiertem Wanderweg zurück zum Biwakplatz auf Corte di Mezzo. 1h 30', T4. 

Charakter: Unten steile Wandkletterei, gegen oben einfachere Platten. Insbesondere im mittleren Teil wie in Nordwänden üblich etwas Gras und Moos. Die Wand braucht relativ lange, bis sie abtrocknet. Am besten erst nach längerer Schönwetterperiode klettern. 

Begehung: Am 3. September 2011 durch Michael Kropac und Costantino Sertorio. 

Anforderungen / Verhältnisse: Erfahrung in Mehrseillängenrouten sowie im selbst absichern von Routen und Standplätzen. Sicheres klettern im Vorstieg bis 6a (oder auch mal etwas mehr, wählt man eine nicht optimale Route). Teilweise zum absichern Normalhaken nützlich. Ideale Jahreszeit Sommer bis Herbst. Die Wand bleibt nach Regen länger nass, d.h. besser 3–4 Tage abwarten. Die Route sollte trocken und das Wetter stabil sein, da ein Rückzug aufwändig ist. Absicherbarkeit (Sicherungsmöglichkeiten, Clean-Skala): C-2, Gut (Gute Möglichkeiten, aber auch mal einige Meter Abstand zwischen guten Placements. 

Routenabschnitt © Topo.Verlag, topoverlag.ch

Stützpunkt: Schöne Biwakplätze mit Holz und Wasser bei Corte di Mezzo der Alpe di Mügàia. 3h 15' von Sonogno, T2. 

Material / Landeskarten: Komplette Ausrüstung für eine Mehrseillängenroute, die selbst abgesichert werden muss.
Empfohlenes Material: 50m-Doppelseil, 1 Satz Camalots #0.1–3.0, Bandschlingen, 4–6 Schlaghaken, Hammer, Grübler, Expressschlingen, davon ein paar lange, Schlingenmaterial für Standplatzbau und Material für einen allfälligen Rückzug.
Karten: Als Übersicht 1292 Maggia oder auf map.geo.admin.ch. App mit Offlinekarten (z. B. White Risk, Swisstopo). Das Smartphone zur Orientierung am Berg: bergpunkt.ch/apps

Kletterführer: Ticino keepwild! climbs Kletterführer, 2. Auflage 2012. 125 Routen im Tessiner Gneis zum selber Absichern, 3a–6b. Topo.Verlag.

Ausbildungskurse & Touren: Clean Climbing Bergsee & Dolomiten Anwendungstouren zum selber Absichern. bergpunkt.ch

  

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