An der Gamstrittplatte in der Sulzfluh Ostwand, die in einer sehr schönen Berggegend oberhalb von Partnun im Rätikon liegt, hatte ich bei unserem letzten Besuch das Potenzial für eine schöne, direkte und gut abgesicherte Plaisirkletterei entdeckt. Zudem war es schon lange eine Idee von mir, einmal mit und für die Familie eine Route zu erschliessen. Nachdem ein sonniger Samstag angekündigt war, ging's los - tatsächlich konnte das Projekt erfolgreich realisiert werden, auch wenn wegen der aufgebrauchten Bohrmaschinen-Akkus zum Schluss noch etwas mühselige Handarbeit vonnöten war.
Der Zustieg beginnt oberhalb von St. Antönien beim P6 in der Nähe von Äbi (ca. 1620m, 6 CHF/Tag, Münzen bereithalten). Zuerst geht's hinauf zum Berggasthaus Alpenrösli in Partnun. Anstelle vom direkter verlaufenden Wanderweg zur Sulzfluh oder der am Hang mäandrierenden Güterstrasse wählten wir dieses Mal den Weg am Partnunsee vorbei. Dieser dünkt mich abwechslungsreicher und schöner, er ist weniger der sengenden Morgensonne ausgesetzt und dauert zeitlich kaum länger. Mit meinem schwer bepackten Rucksack musste ich allerdings Acht geben, damit ich meinem topmotivierten, 6-Jährigen Bohrlehrling überhaupt folgen konnte. Nach einer Stunde waren wir (ich für meinen Teil ziemlich verschwitzt) am Einstieg angelangt, der Wanderweg zur Sulzfluh führt unmittelbar daran vorbei.
Vorgesehen hatte ich, dass ich mich umgehend an die Bohrarbeit machen würde, während die Familie erst ein Picknick geniesst, die Höhlen der Umgebung erkundet und danach die ersten beiden Seillängen am Stück nachsteigt. Doch mein Sohn gab mir klar zu verstehen, dass er seinen Job darin sähe, diese Route mit mir gemeinsam einzurichten - und "gemeinsam" heisst eben nicht aus der Ferne am Wandfuss zuschauend, sondern am scharfen Seilende den Schalter des Bohrhammers bedienend. Nun denn, nachdem ich genügend und lange Seile mit im Gepäck hatte, konnte ich ihm von weit oben ein Toprope installieren. Dass er im Vorstieg mit allem Gerät herumhantiert schien mir dann doch noch etwas zu gewagt, obwohl er das natürlich "genau so gut wie Papi" gekonnt hätte. So ging es dann im Teamwork. Wir berieten über Hakenposition, ich setzte den Bohrer an, er vervollständigte das Loch, blies es aus. Für das Einschlagen des Ankers und die Endkontrolle war dann wieder ich zuständig, während er mit dem Ringschlüssel festzog.
Tja, dumm nur, dass nach 28 Bohrlöchern dieses Mal finito mit der Akkuladung war. Ich war mir schon im Vornhinein bewusst, dass es knapp werden könnte. Schliesslich sind meine Akkus jedoch in den letzten Jahren auch gealtert. An den Wendenstöcken in der Zambo hatte ich dereinst noch deutlich über 30 Löcher zustande gebracht. So blieb mir dann nichts anderes übrig, als die 2 verbleibenden Löcher von Hand zu bohren. Die Familie schickte ich abseilend in die Tiefe, sie wurde zu einer Ruderbootsfahrt auf dem Partnunsee und dem Besuch vom Gasthaus abdetachiert. Wie erwartet war es dann eine zähe und zeitaufwändige Sache, diesen beiden Löcher von Hand zu klopfen. Meinen höchsten Respekt vor jenen, welche in den 80er-Jahren vor dem Bohrmaschinen-Zeitalter ihre Routen erschlossen haben. Noch vor dem befürchteten Gewitter und dem Einnachten wurde ich aber fertig und folgte meiner Familie. Erneut wartete die spassige, 6km lange Trottinett-Abfahrt nach St. Antönien, welche den gelungenen Tag ideal abrundete.
Facts
Sulzfluh Ostwand - Sunshine Reggae 5b (4c obl.) - 3 SL, 100m - Familie Dettling 2017
Material: 12 Express, 1x60m oder 2x50m-Seile
Hübsche Plaisirkletterei mit einem Schuss alpinem Ambiente, in atemberaubender Berglandschaft gelegen. Drei Seillängen von 35m/35m/30m Länge führen über die Gamstrittplatte, welche besten Rätikonfels aufweist und interessante Kletterstellen an Wasserillen und griffigen Wandstellen bietet. Die Route ist sehr gut mit goldgelben Fixé-Bohrhaken abgesichert und (zur Zeit) am Einstieg angeschrieben. Zusätzliche Sicherungsmittel sind nicht erforderlich und in diesem kompakten Fels auch kaum einsetzbar. Mit einem 60m-Einfachseil kann "tout juste" an Kettenständen über die Route abgeseilt werden, mit Doppelseil geht dies natürlich ebenso. Ein Fussabstieg vom Top ist durch Queren im exponierten Schrofengelände zum Sulzfluh-Wanderweg wohl möglich, aber zeitlich nicht schneller und ohne entsprechende Erfahrung in solchem Gelände wenig empfehlenswert. Weitere Informationen zum Gebiet und den Kletterrouten in der Umgebung findet man im Kletterführer Rätikon Süd von Panico.
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.
Kommentar schreiben