Wald, Hgel – etwas unspektakulär? Von wegen! Der Basler Jura hat alles, was ein richtiger «Hausberg» braucht, findet Jonas Allemann. Feine Kalk-Klettereien, ausserhalb der Alpen. Allerdings: Die Flhe wollen entdeckt werden und sie fordern Respekt!
Wenn ich in der Basler Bächli-Filiale meiner Arbeit als Kundenberater Bergsport nachgehe, tausche ich mich gerne mit den Kunden ber ihre Unternehmungen, Ambitionen und Erwartungen in den Bergen aus. Vielfach höre ich, dass sie sich zum Klettern in den Alpen ausrsten. Ich frage dann manchmal, weshalb sie bis in die Alpen fahren, obwohl mir bewusst ist, dass dort die Musik spielt. Schliesslich fahre ich auch oft in die Alpen. Oft antworten die Kunden dann: «Ja wohin denn sonst?» Und dann erzähle ich ihnen vom Basler Jura.
Denn da gibt‘s weit mehr als NUR Hgel und Wälder. Zugegeben, manchmal muss man die Felsen suchen. Besonders im Frhling und Sommer sind die Flhe im ppigen Grn der Wälder versteckt. Dort wo man sie findet, ist es ruhig, khl, es duftet nach Frhling und die Vögel singen. Der Fels ist kompakt und trocken. Eigentlich erstaunt es mich, dass viele Kletterer den Basler Jura als Klettergebiet nicht kennen, oder sogar meiden. Wobei, fr das Meiden gibt es schon Grnde: Die Bewertung ist hart. Auch wer andernorts eine 6c klettert, wird sich an der einen oder anderen 5c hier die Zähne ausbeissen. Das hat zum einen damit zu tun, dass es Übersetzungsfehler gab, als die ursprnglich bliche Alpinskala von der französischen Skala abgelöst wurde. Zum anderen aber auch, weil in der Eröffnungsphase um die 80er- und 90er-Jahre eine gewisse «Kultivierung der Elite» herrschte. Die lokalen Kletterer wollten bewusst, dass der Basler Jura als eines der schwierigsten Gebiete gilt. Es sollte keiner kommen und sich hier leicht seine Lorbeeren verdienen. Der Ruf etablierte sich und bald kamen die besten Kletterer aus aller Welt. Um 1986 gab es am Chuenisberg mit der «Ravage » (8b+/c) die schwerste Route der Welt! Heute ist der Basler Jura wieder ein bisschen von der Kletter-Weltkarte verschwunden. Obwohl, im vergangenen Sommer schaute Alex Megos vorbei und hakte eine Vielzahl der harten Routen ab. Fr «Im Reich des Shogun» (9a), welche Eric Talmadge 2001 nach dreizehn Jahren des Projektierens erstbegehen konnte, brauchte Megos gerade einmal drei Versuche – an einem regnerischen Tag. Adam Ondra hatte 2005 immerhin fnf Anläufe benötigt.
Zurückgezogen im Wald
Die Kletterei im Basler Jura ist oft technisch anspruchsvoll, schwer zu lesen, der Grip manchmal schlicht nicht vorhanden und der Fels nicht immer ber alle Zweifel erhaben. Die Flhe kommen mir manchmal vor wie grosse Tiere, die zurckgezogen in ihren Wäldern leben und dich erst mal abblitzen lassen. Aber man kann sich ihnen nähern, Vertrauen aufbauen und plötzlich beste Freunde werden. So ging es mir jedenfalls. Frher fuhr ich oft zum Klettern ins Tessin oder sonst weit weg. Da gehörte ich selber zu jenen, die keine Augen hatten fr das Gute vor der Haustre. Ich wusste schon, dass man bei uns klettern kann, dachte jedoch mehr um einfaches Kraxeln. Schliesslich waren das auch die Anfänge des Kletterns im Jura: Alpinisten, die nicht ständig in die Alpen fahren konnten, begannen an den Flhen zu trainieren. Natrlich gingen sie dann die eher einfachen Risse und Kamine hoch. Wobei einfach: Ich kann gut und gerne fnf solche Anstiege aufzählen, die im vierten oder fnften Grad bewertet sind, einem Kamin folgen – aber alles andere als leicht sind. Ist man mal drin, dann kommt man ganz schön ins Schwitzen. Und man bedenke: Die hatten frher keinen Hochleistungsgummi an den Sohlen, wie wir heute mit den modernen Kletterfinken. Und keine Bolts! Viele der rostigen Haken der Erstbegeher stecken heute noch. Hut ab vor demjenigen, der eine solche Route mit dieser Sicherung klettert.
Heute bin ich sehr oft und gerne an den heimischen Felsen, am Wochenende oder nach der Arbeit. Es gibt kaum etwas Besseres als Feierabendklettern, wenn die Sonne die Felswand orange leuchten lässt, berall dort, wo sie einen Durchschlupf durch das Blätterdach findet. Zum Beispiel an dem Rappenfels. Meine Lieblingsroute dort ist «Salute Phli» 8a+; sehr technisch, ausdauernd und mit kleinen Griffen. Fr mich eine der schönsten Routen im gesamten Jura. Mit der «IG Klettern Basler Jura» sind wir Kletterer gut organisiert. Wir verfolgen aber nicht nur unsere Interessen, sondern stehen auch mit Kanton, Umweltschutzverbänden und Landeigentmern in Kontakt. Das A und O ist doch, dass es harmonisch zugeht. Auch mit Behörden, die es manchmal nicht so gerne sehen, wenn an gewissen Felsen geklettert wird, und teils auch Sektoren schliessen.
Ich versuche das lokale Klettern zu erhalten, indem ich
alte Routen saniere. Die Haken stecken zum Teil schon
seit 30 Jahren im Fels und rosten in allen Farben vor sich
hin. Man will lieber nicht wissen, wie tief sie tatsächlich
im Gestein stecken. Wir haben ein sehr gutes Sanierungskonzept:
Praktisch alle Routen sind heute mit Klebehaken
ausgerstet, wie man es von Frankreich kennt, also kaum
Bolzenanker und Plättli. Wenn ich eine Route saniere,
dann, wenn möglich, in Absprache mit dem Erstbegeher:
Ich will auf keinen Fall die Route verändern, indem ich die
Haken anders setze. Denn – fast hätte ich den Hauptgrund
vergessen, weshalb viele Kletterer den Basler Jura meiden
– die Hakenabstände haben es teilweise in sich. Auch das
vermutlich ein Erbe der einstigen Elitekultur. Das soll
jedoch niemanden abschrecken. Klettern ist hier so sicher
wie berall sonst. Man muss sich ihnen einfach nähern,
diesen grauen Kalkbäuchen in den dunklen Wäldern. Mit
etwas Zeit wird man Vertrauen aufbauen und sich fragen:
Wieso bin ich nicht schon viel frher hierhergekommen?
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