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Schichtarbeiter: Ideale Isolationslagen für Bergtouren

Hanna Bär, Freitag, 03. November 2023

Lage, Lage, Lage: Was bei Immobilien zählt, gilt auch für Bergsport-Bekleidung im Winter. Mit dem Zwiebelprinzip wappnen wir uns für die kalte Jahreszeit. Gut kombiniert, ergeben die einzelnen Kleidungsstücke dabei mehr als die Summe ihrer Einzelteile.

Dünner Baselayer und dickere Fleecejacke? Oder dicker Baselayer und dafür nur eine Weste und Hardshell? Und was, wenn am Berg unerwartet der Wind bläst? Solche Fragen kennen alle, die auch im Winter Bergsport treiben. Und als wären sie nicht schon Qual genug, steht man im Fachgeschäft auch noch vor einem Dickicht an Textilien, Wattierungen, Beschichtungen, Laminierungen und fragt sich letzten Endes, wie all die Base-, Midlayer und Hardshells miteinander kombiniert werden sollen. Eine verblüffend einfache Antwort hat Bächli-Experte und Bekleidungseinkäufer Marcus Liss parat: «Der erfahrene Tourengänger startet leicht fröstelnd.» 

Bei anstrengenden Aufstiegen wird viel eigene Körperwärme produziert. Trotz kühlerer Aussentemperaturen kann eine dünnere Isolationsschicht ausreichend sein.


Die Kunst der richtigen Isolation

Die ausführliche Antwort dauert etwas länger. Denn die Wahl der verschiedenen isolierenden Schichten hängt ab vom Wetter, der Aussentemperatur, der ausgeübten Aktivität, dem individuellen Temperaturempfinden, dem Schwitzverhalten und letztlich auch von den persönlichen Vorlieben. Die Aufgabe der Isolation wird durch eine oder mehrere Lagen im Zwiebelschichtenprinzip erfüllt, das sich in drei Schichten einteilen lässt: 

Direkt auf der Haut (1) liegt der Baselayer (2), die körpernahe Schicht mit der primären Aufgabe, Schweiss möglichst rasch aufzunehmen und abzutransportieren. So nützlich der Schweiss im Sommer ist, nämlich zur Kühlung, im Winter gilt: Wer nass ist, friert. Die erste Schicht, der Baselayer, liegt in der Regel recht eng am Körper an. Er hat (je nach Materialstärke) eine Isolationsfunktion, saugt aber vor allem den Schweiss auf. Baselayer mit hohem Wollanteil speichern viel Feuchtigkeit, glattere Baselayer mit hohem Synthetikanteil geben sie schneller nach aussen weiter.

Es folgt der Midlayer (3), die einerseits die Körperwärme einfangen, andererseits den Schweissdampf entweichen lassen soll. Bei grosser Kälte können durchaus auch zwei Midlayer-Schichten zum Einsatz kommen. Das ist klassischerweise ein Synthetikfleece – es schafft als Zwischenschicht Luft- und damit Isolationsräume. Je nach Anstrengung und Witterung kann der Midlayer natürlich auch als äussere Schicht dienen. Eine winddichte Front am Rumpf kann dann angenehm sein. Mit Kapuze oder ohne, eher dick gefüttert oder besonders dampfdurchlässig: Die Wahl des richtigen Midlayers ist hochgradig individuell. 

Je nachdem ist eine weitere Isolationsschicht (4) sinnvoll, z.B. nach einer schnellen Skitour als Überziehjacke oder bei weniger intensiven Sportarten als Kälteschutz. Die Hauptfunktion ist, möglichst viel Wärme am Körper zu halten. Mittel zum Zweck sind Natur- oder Kunstdaunen bzw. Kunstfaserfüllungen. 



Die äusserste Wetterschutzschicht – klassischerweise eine dreilagige Hardshell (5) – hält Wind und Wetter draussen und die Wärmeschichten damit funktionstüchtig. Bei starkem Niederschlag und Wind bildet sie die äusserste Schicht, um die mal mehr (Naturdaunen), mal weniger empfindliche (Kunstfaser) Füllung gegen Nässe zu schützen. 

Dieses Lagenpuzzle Tour für Tour richtig zu lösen, gehört zum Bergsport wie die Tourenplanung. «Bei Sportarten mit konstanter Intensität kann etwas weniger isolierend geschichtet werden als bei Sportarten mit wechselnder Intensität oder gar Pausen», sagt Marcus Liss.


Bodymapping: Bedarfsanalyse aus dem Labor

Erschwerend kommt hinzu, dass der Bedarf an Isolation nicht überall gleich gross ist. An Rumpf und Kopf befinden sich mehr Kälterezeptoren als an den Extremitäten, hier wird Kälte also stärker wahrgenommen. Auch Schweissdrüsen sind nicht gleich verteilt: Sie befinden sich beispielsweise verstärkt unter den Armen und am Rücken. Diese Ungleichheiten versuchen Bekleidungshersteller mittels «Bodymapping» auszupendeln: Hierbei wird eine Art dreidimensionale Karte vom Körper und dessen Bedürfnissen hinsichtlich des Temperaturempfindens und der Schweissproduktion erstellt. Gerade bei der Baselayerproduktion fliesst das Wissen mit ein. «Mittels nahtloser Stricktechniken können Zonen hohen Feuchtigkeitstransports neben Zonen mit höherer Isolation platziert werden», so Liss. So sind beispielsweise am Rücken und unter den Armen dünner gestrickte oder gewebte Stellen zu finden, um hier einen besseren Abtransport des Schweisses zu ermöglichen. 

Auch bei Midlayern kommt Bodymapping zum Einsatz, am häufigsten in Form sogenannter Hybridjacken: Sie verfügen beispielsweise am kälteempfindlichen Rumpf über eine gesteppte Kunstfaser und unter den Armen über einen dampfdurchlässigen Fleecestoff. Letztlich meint die Bezeichnung Hybrid aber nur, dass «zwei oder mehr Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften im selben Kleidungsstück zum Einsatz kommen». Dies könnten auch ein wasserdichtes und ein nicht-wasserdichtes Material sein. Viel älter als das Bodymapping, aber ebenso bewährt, ist die klassische Weste: «Bei wechselhaftem Wetter und auffrischendem Wind wird es schnell zu kalt, um ohne Schutz am Oberkörper auf Tour zu gehen», so Liss. Westen bieten hier den nötigen Schutz und die nötige Isolation am Oberkörper.


Gerade bei schweisstreibenden Aktivitäten ist das richtige Lagenprinzip wichtig.


Die Mischung macht's

Die Auswahl des richtigen Materials für Isolationsschichten in Bekleidung ist entscheidend und hängt stark vom gewünschten Tragekomfort und den funktionalen Anforderungen ab. Hierbei ist zu beachten, dass Baumwolle (2) als Material ungeeignet ist, da sie sich wie ein Schwamm mit Feuchtigkeit vollsaugt und eine langsame Rücktrocknung aufweist, was ein unangenehmes Tragegefühl hinterlässt. Stattdessen ist Merinowolle (1) eine hervorragende Wahl, da sie durch ihre feine Haarstärke kaum kratzt, eine bessere Isolation bietet und Feuchtigkeit effektiv aufnehmen kann, ohne sich nass anzufühlen. Zudem zeichnet sich Merinowolle durch ihre geruchshemmenden Eigenschaften aus, was besonders bei mehrtägigen Touren von Vorteil ist.

In Situationen mit hochpulsigen Aktivitäten ist Funktionsunterwäsche aus Kunstfasern (3) die bevorzugte Option. Kunstfasern nehmen Schweiss schnell auf und leiten ihn zügig weiter, was eine schnelle Trocknung ermöglicht. Allerdings neigen sie im Vergleich zu Wolle schneller zur Geruchsbildung. Eingearbeitete Silbersalze, wie bei Polygiene, können dabei helfen, diesem Problem entgegenzuwirken. Um die Vorteile beider Materialien zu kombinieren, mischen viele Baselayer-Hersteller heute Kunstfasern mit Merinowolle. Das optimale Mischungsverhältnis variiert jedoch und wird individuell angepasst, um eine gute Balance zwischen Haltbarkeit, Gewicht und Tragekomfort zu erzielen. Hierbei kommen neben erdölbasierten Fasern wie Polyester, Polyamid und Polypropylen auch vermehrt Fasern natürlichen Ursprungs wie Lyocell, Hanf oder Seide zum Einsatz. Neue Fasern, wie Sea Cell, eine Zellulosefaser mit eingearbeiteten Braunalgen, versuchen die geruchshemmenden Eigenschaften der Wolle zu imitieren und das Tragen der Bekleidung zu verlängern. 

Zusätzlich zu diesen Materialien spielen halbsynthetische Fasern (4) eine Rolle in der Entwicklung von Isolationsschichten. Sie basieren auf natürlichen Rohstoffen wie Zellulosefasern aus Holz oder Algen und werden in einem chemischen Verfahren zu Gewebefasern verarbeitet. Diese halbsynthetischen Fasern bieten ebenfalls ein breites Spektrum von Eigenschaften, die je nach Bedarf genutzt werden können. Die Wahl des besten Materials hängt auch von der gewünschten Isolation ab. Textilien mit vielen Hohlräumen zwischen den Fasern bieten die beste Wärmeleistung, da die Luftbarriere effektiver isoliert. Beispielsweise isoliert gekräuselte Wolle besser als glatte Polyesterfasern. 



Tierische Daunen (5)
bieten das beste Wärme-Gewicht-Verhältnis, aber sie verlieren ihre Isolationseigenschaften bei Kontakt mit Feuchtigkeit. Dies wird durch wasserabweisende Außenschichten und hydrophobe Behandlungen der Daunen ausgeglichen. Synthetische Füllungen, wie Primaloft, sind weniger empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und eine gute Alternative zu Daunen. Die Textilindustrie entwickelt auch Produkte aus sortenreinen Materialien, um die Nachhaltigkeit zu fördern. Diese lassen sich nach Gebrauch leichter und ohne Qualitätseinbussen wiederverwerten, was im Einklang mit aktuellen Bestrebungen zur Schaffung geschlossener Materialkreisläufe steht. Produkte aus bio-basierten Materialien werden als besonders nachhaltig angesehen, da sie nicht auf Tierhaltung oder Petrochemie angewiesen sind. Dies zeigt einen positiven Trend in der Branche hin zu umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Materialien.


Das richtige Material für jedes Wetter

«Mit etwas Erfahrung findet man heraus, welches Material in welcher Isolationsstärke zum eigenen Schwitzverhalten und Kälteempfinden passt», rät Experte Marcus Liss. Anders als etwa bei Schlafsäcken gibt es keine verbindliche Norm zur Angabe von Temperaturbereichen. Numerische Anhaltspunkte gibt, vor allem bei Baselayern, die Grammatur des Gewebes. «Das Kälteempfinden ist sehr individuell, pauschale Aussagen, wie dick eine Isolationsschicht sein soll, sind schwer zu treffen», gibt Liss einschränkend zu. 

Im Sommer empfiehlt Liss leichtere Qualitäten zwischen 120-185 g/m2 bei den Merino-Baselayern und ein leichteres Fleece mit 100-200 g/m2. Im Winter rät er zu wärmeren Qualitäten von 185-260 g/m2 bei Wolle und zwischen 200-300 g/m2 bei Fleece. Bei Midlayern und synthetischen Daunenjacken lohnt sich ein Blick auf die Produktbeschreibung, bei der häufig das Füllgewicht angegeben ist. «Auch bei den Füllmengen im Daunen- oder Kunstfaserbereich gilt: je mehr, desto wärmer», sagt Liss. Und bei Isolationsjacken aus Naturdaune gibt neben dem Füllgewicht auch die Bauschkraft (gemessen in cuin) und das Mischverhältnis von Daunen und Federn Auskunft über die Isolationsleistung. 


Selbstverständlich kann und sollte, nach dem Multifunktionsprinzip, jede Isolationsschicht bei wärmerem Wetter auch für sich allein getragen werden. «Mehrere dünne Lagen bieten mehr Optimierungsspielraum als wenige dicke Lagen», sagt Liss. Wer (zu) viele Lagen kombiniert, läuft allerdings Gefahr, die Bewegungsfreiheit einzuschränken. 

Ein klassischer Fall ist die Kapuze, die in einer der mittleren Schichten störend sein kann. Aus funktionaler Sicht empfiehlt Liss eine Kapuze nur in der äusseren Schicht. «Da viele Midlayer aber auch solo, also bei moderaten Temperaturen bzw. auch im Alltag getragen werden, ist es oft auch eine Frage des Styles», so Liss. Viele Midlayer-Modelle gibt es deshalb wahlweise mit oder ohne Kapuze, häufig auch in den Varianten Sweater (mit Halfzip) oder als Jacke mit durchgängigem Reissverschluss. Und ganz gleich, wie viele Schichten bereits getragen werden: Liss rät dazu, immer noch eine Jacke für den Notfall im Rucksack zu haben.    


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