Öffnungszeiten Feiertage

Newsletter

DE | FR | IT
  1. Erlebnis
  2.  > 
  3. Blog

Klein Mythen - Paul SW-Kante (7b oder 6a A0)

Marcel Dettling, Freitag, 16. Juni 2017

Die Routen an der Sockelwand der Türme Peter und Paul in der Westflanke des Klein Mythen haben nie Popularität erlangt. Das liegt wohl daran, dass sie nie Aufnahme in die Plaisir-Führer gefunden haben. Eigentlich schade, denn die Routen haben einiges zu bieten.

Von Marcel Dettling

Die Routen an der Sockelwand der Türme Peter und Paul in der Westflanke des Klein Mythen haben nie Popularität erlangt. Das liegt wohl daran, dass sie nie Aufnahme in die Plaisir-Führer gefunden haben. Komplett zu Unrecht eigentlich, denn sie bieten fast alles, was das Kletterherz begehrt. Eine kurze Anfahrt aus dem Raum Zürich-Zug-Luzern, nur gut 30 Minuten Zustieg, eine sonnige, aussichtsreiche Lage, soliden Fels und auch gute Absicherung. Wie auch immer: der Tag war gekommen, an welchem ich hier angreifen wollte. Gefragt war eine Nachmittagskletterei, welche sowohl den Genusskletterer im 5c/6a-Bereich sowie auch den Sportkletterer wie mich zufriedenstellt. Das war bei der Westkante am Paul gegeben: die meisten Seillängen halten sich tapfer im Plaisirbereich und wo dieser überschritten wird, helfen die nahe steckenden Haken A0 über die Schwierigkeiten hinweg. Von der Passage am Gipfelturm war bis dato sogar noch keine freie Begehung bekannt und es wurde von Schwierigkeiten im 7c-Bereich gemunkelt. Grund genug, dies und mich selbst auf die Probe zu stellen.

Unsere Tour begann um 14.45 Uhr beim Parkplatz bei Günterigs Grübli (P.955). Die Anfahrt dorthin ist nicht ganz trivial, weil viele der kleinen Flurwege im Bereich Ried/Obdorf mit einem Fahrverbot belegt sind, andere aber nicht. Der beste Weg führt wohl durchs Dorfbach-Quartier nach Loo, zu P.755 und via Dietental P.847 zum Ausgangspunkt. Von da sind es noch rund 350hm und eine gute halbe Stunde zum Einstieg. Von Günterigs folgt man in etwas auf und ab dem Pfad zur Haggenegg für einige Minuten, bis man kurz vor dem Erreichen der Forststrasse den Stein mit der roten Aufschrift "Klettern" sieht, von wo ein Pfad mit verblassend roter Markierung bequem zum Einstieg führt. Man hüte sich vor Verhauern in die umliegenden Geröllhalden und ins Unterholz, so liesse sich bestimmt viel Zeit verbraten. Noch einige Minuten vor 15.30 Uhr waren wir am Fuss der doch ziemlich eindrücklichen (ja, ich war schon lange nur noch Sportklettern... ;-)) und attraktiven Sockelwand bereit. Die beiden Routen sind vorbildlich beschriftet und dank der guten Absicherung gibt's auch in Sachen Routenwahl keine Probleme. Also los:

L1, 35m, 6a: der Start noch etwas durchzogen in nicht ganz so kompaktem Fels, die zweite Hälfte bietet dann schöne Kletterei mit einer kurz etwas kniffligen Querung von rechts nach links.

L2, 35m, 5c: entlang von einem Riss geht's erst etwas nach rechts, wo man nach wenigen Metern auf einen Stand der Nachbarroute trifft. Nun wieder diagonal nach links oben klettern (blasser blauer Pfeil). Es folgt eine einfachere, plattige Zone. Am Schluss noch eine schöne Steilpassage.

L3, 25m, 6c oder A0: einfache Querung nach rechts, dann fein an einer schwach ausgeprägten Plattenkante aufwärts, dies ist die 6c-Stelle. Man quert dann 2-3m nach rechts in einen seichten Winkel, wo man anhaltend und steil im 6b-Bereich hinaufklettert. Die Bolts auf dieser Seillänge stecken sehr dicht und sind teils noch mit Seilstücken verbunden, so dass man falls nötig problemlos A0 durchkommt.

L4, 25m, 5c+: ein paar steilere Züge nach dem Stand, dann quert man etwas nach rechts und klettert zwischen den Legföhren hindurch zum nächsten, auf einem luftigen Podest gelegenen Stand.

L5, 25m, 5c: im ersten Teil der Seillänge wartet ein schöner Aufschwung in kompaktem Fels. Der zweite Teil dann einfacher, nicht mehr ganz kompakt und teils mit Legföhren durchsetzt.

L6, 45m, 5b: Querung nach rechts hinaus an die luftige Kante, wobei hier schöne Kletterzüge warten. Der zweite Teil der Seillänge wird dann beständig einfacher und geht in Gehgelände über, welches einen am Wandbuch vorbei zum Fuss des Gipfelturms bringt.

L7, 20m, 7ab: Nun folgt also das Pièce de Resistance an der steilen SW-Kante des Gipfelturms. Wer es gemütlicher haben will, kann nach den ersten Metern links abzweigen und so via die Normalroute im fünften Franzosengrad auf den Paul steigen. Mein Ziel war aber die freie Begehung dieser Techno-Hakenleiter, also auf ins Vergnüngen. Vorerst geht's noch ziemlich griffig dahin, mit ein paar Zügen im 6b-Bereich erreicht man einen letzten Absatz auf der Kante, von welchem man die nun folgende Crux studieren kann. Im folgenden Abschnitt stecken die Haken leider deutlich links der Kante. So waren sie beim Technoklettern leichter anzubringen und zu nutzen... die Freikletterei folgt jedoch der stumpfen Kante, an welcher man sich in die Höhe patscht und hookt. Das Problem ist nur: greift man die Kante mit der linken Hand (d.h. rechte Körperseite am Fels), so lassen sich die Bolts nicht mehr einhängen. Sofort wurde mir klar, dass ich hier 2 Haken nicht klippen kann und den dritten auch nur, wenn ein vernünftiger Griff dies erlaubt. Das schien mir zu viel Risiko (der Boden ist nicht allzu weit weg, sowieso gäbe es einen heiklen Pendelsturz). Also ging ich nicht aufs Ganze und checkte die Sequenz mit Griff zum Haken erst einmal aus. Irgendwie schade, rein von den Moves her hätte ich das ziemlich sicher auch Onsight gepackt. Nun denn, bald war eine Strategie festgelegt und der Durchstieg im Second Go gelang ohne grössere Schwierigkeiten. Die Schwierigkeit liegt meines Erachtens nicht bei 7c, sondern im Bereich von 7a bis maximal 7b. Somit bin ich nun natürlich auch nicht so sicher, ob das wirklich noch nie zuvor freigeklettert wurde. Rein von der Schwierigkeit her müsste das ja für viele Kletterer machbar sein - die Frage ist viel mehr, ob schon jemand einmal auf die Idee gekommen ist, es zu versuchen. Das bis zur Erstbegehung zurückreichende Wandbuch gibt jedenfalls keine Hinweise darauf, dass dies jemand bereits getan hätte.

L8, 10m, 6a+: Den eher etwas unbequemen Stand an der Kante kann man auch auslassen und gleich bis zum Gipfel weiterklettern. Zumindest sofern man genügend Exen dabei hat, oder die hier auch im einfacheren Gelände sehr dicht steckenden Haken auszulassen vermag. Die Kletterei ist hier griffig und luftig, coole Sache.

Um 18.30 Uhr hatten wir das Top nach rund 3 Stunden Kletterei erreicht und die Freikletter-Mission erfüllt. Rein vom Wetter her gab's keinen Grund zur Eile, ein fantastischer Frühlingsabend mit milden Temperaturen und blaustem Himmel war uns vergönnt. Andererseits war aber auch klar, dass es mit etwas Vorwärtsmachen noch reichen würde, um die Kinder ins Bett zu bringen. Somit sind wir ziemlich umgehend in 1x 30m über die N-Seite des Gipfelturms abgeseilt. Danach rafft man die Seile zusammen, und steigt ein Stück weit dem Grat entlang den letzten, einfachen Teil von L6 zurück, bis zu einem günstig gelegenen Abseilbolt. Von dort erreicht man in 3 Abseilern (45m, 45m, 50m) erstaunlich rasch und bequem wieder den Einstieg, selbst die zahlreichen Legföhren stören dabei kaum. Für den letzten Abseiler gibt's dazu einen ideal gelegenen Stand ausserhalb der Route - wobei wer will auch die gut ausgestatteten Kettenstände der Route selber nutzen könnte. Nach dem kurzen Fussabstieg gab's schon den Handshake, und nach nur 45 Minuten Fahrt war ich tatsächlich bereits daheim. Das war jetzt eine echt coole Nachmittagsaktion, ein genussreicher und doch auch sportlich attraktiver Einstieg in die MSL-Saison 2017.

Facts
Klein Mythen - Paul SW-Kante 7b (oder 6a A0) - 8 SL, 220m - Arnold/Schuler 2006 - ***;xxxxx Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Keile/Friends nicht nötig.

Plaisirroute in sehr sonniger Umgebung, welche schnell abtrocknet und dank der tiefen, sehr sonnigen Lage sowohl früh wie spät im Jahr gut machbar ist. Der Fels ist solide und von guter Qualität. Wie oft an den Mythen ist er an den kompakten Stellen strukturarm und etwas glatt. Dort, mehr Struktur vorhanden ist, ist dann dafür die Botanik meist auch nicht allzu weit weg. Trotzdem, auf jeden Fall lässt es sich hier genussvoll klettern. Der grösste Teil der Route spielt sich im fünften Franzosengrad ab. Die dritte Seillänge checkt bei 6c ein, allerdings kann man hier problemlos mit Hilfe der sehr eng steckenden Haken in die Höhe gelangen. Der Gipfelturm selber kann auch über den einfacheren Normalweg (~5b) geklettert werden, die schwere Freikletterlänge direkt an der Kante ist somit fakultativ oder auch A0 zu bewältigen. Übers Ganze gesehen gibt die Route also eher ein Ziel für Kletterer mit Niveau 5c/6a als für den Extremkletterer her - doch auch dieser findet noch ein, zwei Gustostücklein. Die Absicherung ist über weite Strecken auch im einfachen Gelände fast übertrieben gut. Am forderndsten fand ich noch die ersten beiden Seillängen, man lasse sich dort also nicht entmutigen.

Vielleicht liegt's ja einfach daran, dass es bisher kein gutes Topo zu dieser Route gab. Über lange Zeit konnte man in keinerlei Führerliteratur über deren Existenz lesen. Inzwischen ist im SAC-Kletterführer Zentralschweiz Nordost ein Fototopo enthalten. Es gibt den Routenverlauf nicht wirklich perfekt wieder, was aber auch nicht so schlimm ist - den vielen Bolts sei Dank kann man sich kaum verirren, wenn man einmal unterwegs ist. Wie auch immer, hier meine Version von einem schematischen Topo.

Weitere Beiträge

Verletzungsprävention beim Klettern

Verletzungen gehören leider zum Sport dazu. Doch was sollte man tun, wenn es dazu kommt? Vor einigen Monaten habe ich mir beim Klettern die Schulter verletzt. Wie es dazu kam und und wie man das Verletzungsrisiko beim Klettern reduzieren kann, möchte ich in diesem Beitrag teilen.

Expert: Alles, was du über Kletterseile wissen solltest

Ohne Seil geht beim Klettern, aber auch auf vielen Berg- und Hochtouren, gar nichts. Ein Überblick über gängige Seiltypen, Auswahlkriterien und Produktionsmethoden.

Mehrseillängen klettern: Sechs praktische Tipps für dein erstes Mal

Mehrseillängen sind die Königsdisziplin des Kletterns. Technik, Material, Planung und vieles mehr müssen sitzen, um erfolgreich und genussvoll durch eine Wand zu kommen. Wir zeigen dir sechs Tipps, die dich inspirieren, selbst in die wundervolle Welt der Mehrseillängen-Routen einzutauchen.

Ein Traum wird wahr: Besteigung aller 82 Viertausender der Alpen zu Fuss und per Gleitschirm

Mit ihrem Projekt XPEAKS haben sich Bächli-Athlet Chrigel Maurer und Alpinist Peter von Känel einiges vorgenommen: Ihr Ziel war es, alle 82 4000er Berggipfel der Alpen gemeinsam zu besteigen und sich dabei ausschliesslich zu Fuss oder fliegend mit dem Gleitschirm zu bewegen. Mit GPS-Livetracking und Selfies auf allen Gipfeln haben die beiden ihr ambitioniertes und erfolgreiches Vorhaben dokumentiert.

Zehn Gipfel in 37 Stunden: Nicolas Hojac und Adrian Zurbrügg überqueren Berner Panorama in einem Push

Am 29. Juli brechen die Alpinisten Nicolas Hojac und Adrian Zurbrügg in den Berner Alpen ins Ungewisse auf. 37 Stunden und 5 Minuten später haben sie als erste Seilschaft nonstop die zehn Gipfel von Eiger, Mönch, Jungfrau, Rottalhorn, Louwihorn, Gletscherhorn, Äbni Flue, Mittaghorn, Grosshorn, Zuckerstock und Breithorn überquert. Ein hochalpiner Grenzgang der Superlative, auf dem 7000 Höhenmeter und 65 Kilometer nicht die einzigen Herausforderungen waren.

Klettertour ohne Anstehen: Sgemögna 2545 m – Nordwand 6a

Raus aus dem Stau und rein ins Abenteuer: Hoch über dem Val Redorta im Tessin wartet eine einsame Nordwand mit viel Potenzial für neue Routen. Wer den Trubel der bekannten Klettergebiete scheut und nach einer Herausforderung sucht, ist hier genau richtig.

Von K2, Breithorn und anderen Barrieren: Nicole Niquille im Interview

Nicole Niquille war die erste Bergführerin mit Schweizer Pass und an den höchsten Bergen der Welt aktiv. Seit einem Unfall vor genau 30 Jahren sitzt sie im Rollstuhl. Im Interview spricht sie über modernes Höhenbergsteigen, Barrierefreiheit am Berg und im Alltag – und warum das Breithorn für sie heute schöner ist als früher.

Die Eroberung der Bergliteratur

Kann ein Holländer das «Bergbuch der Bergbücher» schreiben? Ja, findet unser Bergbuch-Rezensent Markus Rottmann, der beim «Unendlichen Gipfel» auf jeder Seite nicken musste.

Passende Inhalte

Kommentare

Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Kommentar schreiben