Fernreisen für den Sport, Fliegen für die Sehnsucht nach unverspurten Hängen, Heliskiing für den Nervenkitzel des Drop-In, wo noch niemand gespurt hat – wir haben zwei Bergsportler gefragt, wie sie mit diesen Themen umgehen.
Sascha Lehmann – Kletterprofi
«Als professioneller Athlet im Weltcup reise ich viel und auf der ganzen Welt. Flugreisen sind für mich unumgänglich, um das Klettern auf diesem Niveau zu betreiben. Ich bin mir der daraus resultierenden Belastung auf die Umwelt bewusst und das Thema Nachhaltigkeit hat für mich eine grosse Bedeutung. Für Wettkämpfe ausserhalb Europas gibt es für mich keine Alternativen zum Flugzeug, die Reisen würden zu lange dauern. Um das Gewissen zu beruhigen, bezahle ich CO2-Kompensationen, was aber keine Lösung des Problems ist. Nur Verzicht ist wirklich nachhaltig.
Leider sehe ich trotz der weiten Reisen nicht viel von den fernen Ländern, da der Fokus auf dem Wettkampf liegt. Teilweise bleibe ich danach für ein paar Tage, um mehr als die Wettkampfwand zu sehen – etwa letztes Jahr beim Weltcup in Jakarta, wo ich noch zwei Tage die Stadt besichtigt und einen Bootsausflug auf eine der Inseln gemacht habe. Oft lässt die Trainings- und Wettkampfplanung aber längere Aufenthalte nicht zu.
Bei Events in Europa versuche ich Flüge zu vermeiden und mit dem Zug oder Auto anzureisen, sofern es meine Trainingsplanung erlaubt – so bin ich 2023 mit dem Zug zu den Wettkämpfen nach Koper und Laval. Für mich steht immer die Leistung im Vordergrund, die Wahl des Reisemittels darf meine Wettkampftauglichkeit nicht beeinflussen. Da ich für meinen Sport auf Flugreisen angewiesen bin, habe ich mich entschieden, für Ferien auf dem Boden zu bleiben. Letztes Jahr etwa mit dem Zug und Bus zum Surfen an die Algarve in Portugal.
Ja, die Wege dauern am Boden länger und sind teurer – was ein Problem unseres Systems ist – aber sie können auch ein grosses Abenteuer sein und dadurch wertvoll werden. Wenn unser Reiseverhalten aber wirklich umweltverträglich werden soll, dann muss die Veränderung über die Politik erfolgen. Reisen mit dem Zug muss einfacher und Fluggäste müssen für ihre Umweltbelastung zur Kasse gebeten werden.»
Ariane Stäubli – Bergführerin
Bergführerin Ariane Stäubli nutzt selbst, wann immer möglich, den ÖV für Bergtouren. Neben der Bergführerei interessiert sie sich für die Ambivalenz des menschlichen Handelns. Mit einer Geschichte, die zwar «fiktiv ist, aber durchaus so stattfinden könnte», will sie zum Perspektivwechsel anregen. An einem Winternachmittag treffen sich zwei Freundinnen zum Kaffee. Die eine ist Bergführerin, die andere Unternehmensberaterin. Während sie auf ihren Kaffee warten, erzählen sie von ihren Ferien.
Bild: Gian Paul Lozza
Die Beraterin schwärmt vom Trekking in Peru: Wandern auf den Spuren der Inkas nach Machu Picchu. «Dann war ich ein paar Tage auf den Lofoten – magische Skitouren unter den Nordlichtern. Unser Flug führte über das Gebiet des CO2-Speicherprojekts ‹Northern Lights›. Dort soll emittiertes CO2 unter dem Meeresboden eingelagert werden. Im März jette ich dann zehn Tage nach Kanada zum ‹Exklusiven Heliskiing im Champagne Powder›.»
Die Bergführerin erzählt von ihren Herbstferien auf dem Balkan. «Mit Zug und Fähre ging es nach Durres. Vielleicht lag es am Schaukeln des Schiffs, vielleicht an der gefühlten Langeweile auf der langen Fährfahrt, vielleicht am Bier. Jedenfalls war der brave Schweizer Alltag sehr schnell sehr weit weg. Fünf Wochen sind wir durch die Berge Albaniens, Kosovos und Montenegros gewandert. Mal führten uns die vagen Wegbeschreibungen in ein anderes Tal als gedacht, mal erreichten wir unser Etappenziel nicht, weil wir beim Heidelbeersammeln die Zeit vergessen hatten. Einmal durften wir uns völlig durchnässt am Feuer einer Hirtenhütte aufwärmen. Zur Verständigung mit dem Hirten haben wir Bilder in den Sand gemalt.»
«Puh, das tönt nach viel Warten und ineffizientem Vorwärtskommen», bemerkt die Beraterin. «Ich habe nur vier Wochen Ferien pro Jahr. Mein Verdienst ist gut und mein Luxus ist es, in den Ferien maximal viel zu erleben, du weisst schon ‹been there, done that›.» Die Bergführerin rührt in ihrem Kaffee und blinzelt in die Sonne. «Ich glaube, mein Luxus ist die Zeit.»
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