«Manchmal gönne ich mir den Spass, eine
neue Route zu klettern, um danach zu erraten,
wer sie geschraubt hat. Quasi eine Blinddegustation
für Sportkletterer», erzählt Marion
Deichmann mit einem schelmischen Lachen
im Gesicht und fährt weiter: «Interessanterweise
ist die Trefferquote recht hoch, weil jeder
Routenbauer seinen eigenen Stil hat». Stil
und Charakter sind durchaus erwünscht, wie
die junge Zürcherin erklärt, die im Marketing
der Kletterhallen Gaswerk in Schlieren und
Milandia in Greifensee verantwortlich zeichnet.
Ihr Kollege Andreas Hanisch widerspricht
nicht. Der Routenbauer im Kletterzentrum
Gaswerk sieht das ähnlich: «Wir sind zwar
keine Künstler, aber Routendesign hat viel mit
Kreativität zu tun. Und die ist immer persönlich
». Den Prozess beschreibt der 35-Jährige
so: «Zuerst wird viel Kaffee getrunken. Danach
wird geschraubt, geklettert, diskutiert und
schliesslich so lange umgeschraubt, bis es
passt.» Manchmal sei der Umgangston schon
etwas rau. Andreas ist es daher besonders
wichtig, «dass im Team eine gute Grundstimmung
herrscht.»
80'000
GRIFFE UND TRITTE
STEHEN DEN ROUTENBAUERN
ZUR VERFÜGUNG
140'000
BESUCHER ZÄHLEN DIE
KLETTERZENTREN GASWERK UND
MILANDIA JÄHRLICH
Im Team von Routenbauleiter Markus «Kusi»
Senn arbeitet aktuell rund ein Dutzend Routenbauerinnen
und Routenbauer. Weil der Job
physisch so anstrengend ist, jedoch maximal
mit einem Arbeitspensum von 40 Prozent,
dafür öfters auch mal von 7 bis 20 Uhr. «Die
Grenzen zwischen Arbeit und Hobby sind in
diesem Job sicher fliessender als anderswo»,
sagt Andreas fast schon entschuldigend, «aber
unseren Mitarbeitern ist es auch wichtig, sich
abends mit den Kletterern auszutauschen.
Was gefällt den Kunden an einer neuen Route?
Was nicht? Die direkten Rückmeldungen sind
wichtig für uns.» Die Frage, was denn die
Kletterhallen Milandia und Gaswerk auszeichnet,
beantwortet er durchaus selbstbewusst:
«Wir sind die Pioniere und haben deshalb mehr
Erfahrung als irgendwer sonst. Und wir bilden
unsere Routenbauer selber aus.»
So wählen die Routenbauer unter anderem
Griffe von mehr als 50 Herstellern aus, wenn
sie eine neue Route schrauben. Jede ist ein
Unikat, nie wird sie zwei Mal gleich geschraubt
– selbst wenn sie bei den Kunden besonders gut angekommen ist. Der Prozess folgt einem
übergeordneten Plan, jede Route längstens
nach sieben Monaten neu zu schrauben.«
Routen mit besonders hohen Frequenzen
etwas öfter», wie Andreas betont. «Dabei versuchen
wir den Ladys zu gefallen», wie er mit
einem Augenzwinkern erzählt. «Jedenfalls haben
wir schon bestimmte Zielgruppen im Hinterkopf,
wenn wir zum Inbusschlüssel greifen.
Gewisse Routen schrauben wir bewusst für 155
Zentimeter kleine Frauen, andere wiederum
für 185 Zentimeter grosse Männer.»
Wie bei kaum einer anderen Sportart halten
sich beim Hallenklettern die Geschlechter die
Waage, wie die Mitarbeiter erzählen: «Bei uns
sind abends je die Hälfte der Gäste weiblich
und männlich.» Ein Blick zu jeder Tageszeit
genügt, um jegliche Zweifel zu zerstreuen:
Boulder- und Kletterhallen erfreuen sich
steigender Beliebtheit. Die Gründe liegen für
Marion auf der Hand: «Trainieren in der Wand
ist viel kreativer als in einem Fitness-Center.
Und auch der mentale Aspekt spielt eine Rolle
– Klettern ist geistig anspruchsvoller.» Zudem
habe Bouldern oder Sportklettern ja auch soziale
Aspekte: Beide Disziplinen übe man in aller
Regel ja gemeinsam aus. «Beim Bouldern wird
man von Freunden oder Bekannten gespottet,
beim Klettern gesichert, und immer unterstützt
und angefeuert.»
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