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Hinter der Kulissen des Kletterzentrums Gaswerk

Jürg Buschor, Montag, 20. November 2017

Kletter- und Boulderhallen dienen längst nicht mehr nur ACSportkletter-Cracks, um sich über den Winter in Form zu halten. Sie erfreuen sich ganzjährig steigender Beliebtheit bei immer breiteren Bevölkerungsschichten. Dass es für den Erfolg aber wesentlich mehr braucht als ein paar steile Wände und Klettergriffe, zeigt der Blick hinter die Kulissen des Kletterzentrums Gaswerk.

«Manchmal gönne ich mir den Spass, eine neue Route zu klettern, um danach zu erraten, wer sie geschraubt hat. Quasi eine Blinddegustation für Sportkletterer», erzählt Marion Deichmann mit einem schelmischen Lachen im Gesicht und fährt weiter: «Interessanterweise ist die Trefferquote recht hoch, weil jeder Routenbauer seinen eigenen Stil hat». Stil und Charakter sind durchaus erwünscht, wie die junge Zürcherin erklärt, die im Marketing der Kletterhallen Gaswerk in Schlieren und Milandia in Greifensee verantwortlich zeichnet. Ihr Kollege Andreas Hanisch widerspricht nicht. Der Routenbauer im Kletterzentrum Gaswerk sieht das ähnlich: «Wir sind zwar keine Künstler, aber Routendesign hat viel mit Kreativität zu tun. Und die ist immer persönlich ». Den Prozess beschreibt der 35-Jährige so: «Zuerst wird viel Kaffee getrunken. Danach wird geschraubt, geklettert, diskutiert und schliesslich so lange umgeschraubt, bis es passt.» Manchmal sei der Umgangston schon etwas rau. Andreas ist es daher besonders wichtig, «dass im Team eine gute Grundstimmung herrscht.»

80'000
GRIFFE UND TRITTE STEHEN DEN ROUTENBAUERN ZUR VERFÜGUNG

140'000
BESUCHER ZÄHLEN DIE KLETTERZENTREN GASWERK UND MILANDIA JÄHRLICH

Im Team von Routenbauleiter Markus «Kusi» Senn arbeitet aktuell rund ein Dutzend Routenbauerinnen und Routenbauer. Weil der Job physisch so anstrengend ist, jedoch maximal mit einem Arbeitspensum von 40 Prozent, dafür öfters auch mal von 7 bis 20 Uhr. «Die Grenzen zwischen Arbeit und Hobby sind in diesem Job sicher fliessender als anderswo», sagt Andreas fast schon entschuldigend, «aber unseren Mitarbeitern ist es auch wichtig, sich abends mit den Kletterern auszutauschen. Was gefällt den Kunden an einer neuen Route? Was nicht? Die direkten Rückmeldungen sind wichtig für uns.» Die Frage, was denn die Kletterhallen Milandia und Gaswerk auszeichnet, beantwortet er durchaus selbstbewusst: «Wir sind die Pioniere und haben deshalb mehr Erfahrung als irgendwer sonst. Und wir bilden unsere Routenbauer selber aus.»

So wählen die Routenbauer unter anderem Griffe von mehr als 50 Herstellern aus, wenn sie eine neue Route schrauben. Jede ist ein Unikat, nie wird sie zwei Mal gleich geschraubt – selbst wenn sie bei den Kunden besonders gut angekommen ist. Der Prozess folgt einem übergeordneten Plan, jede Route längstens nach sieben Monaten neu zu schrauben.« Routen mit besonders hohen Frequenzen etwas öfter», wie Andreas betont. «Dabei versuchen wir den Ladys zu gefallen», wie er mit einem Augenzwinkern erzählt. «Jedenfalls haben wir schon bestimmte Zielgruppen im Hinterkopf, wenn wir zum Inbusschlüssel greifen. Gewisse Routen schrauben wir bewusst für 155 Zentimeter kleine Frauen, andere wiederum für 185 Zentimeter grosse Männer.»

Wie bei kaum einer anderen Sportart halten sich beim Hallenklettern die Geschlechter die Waage, wie die Mitarbeiter erzählen: «Bei uns sind abends je die Hälfte der Gäste weiblich und männlich.» Ein Blick zu jeder Tageszeit genügt, um jegliche Zweifel zu zerstreuen: Boulder- und Kletterhallen erfreuen sich steigender Beliebtheit. Die Gründe liegen für Marion auf der Hand: «Trainieren in der Wand ist viel kreativer als in einem Fitness-Center. Und auch der mentale Aspekt spielt eine Rolle – Klettern ist geistig anspruchsvoller.» Zudem habe Bouldern oder Sportklettern ja auch soziale Aspekte: Beide Disziplinen übe man in aller Regel ja gemeinsam aus. «Beim Bouldern wird man von Freunden oder Bekannten gespottet, beim Klettern gesichert, und immer unterstützt und angefeuert.»

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