Am 23. Juli, um 20:42 schiesse ich das Foto mit meinem i- phone von Sean Villanueva on Top of
the Czechs Pillar. Sean`s Arme strecken kräftig und gespannt zum Himmel hoch und seine Augen
glühen voller satisfaction.
Es war dieser Moment, von welchem im den dritten Sommer geträumt habe. Die erste eintages
Rotpunkt Begehung von La Vida es Silbar zu realisieren.
Eine lange Geschichte verbindet mich mit dieser Route.
Im Sommer 2003 durchstiegen Simon Anthamatten und ich zum ersten mal diese grosse
Freikletter Route.
Simon und ich verbrachten zwar fast den ganzen Sommer an der benachbarten Japaner
Direttissima mit dem Ziel der ersten freien Begehung. Welches uns bis auf eine Seillänge auch
gelungen ist. Während der selben Zeit arbeiteten Stephan Siegrist und Ueli Steck an der ersten
freien Begehung der La Vida was ihnen schlussendlich auch innert zwei Tagen gelungen ist.
Simon und ich biwakierten das erste mal in der höhlenmässigen Nische, welche den Namen Hotel
Rote Fluh von den Erstbegehern Daniel Anker und Stephan Siegrist erhalten bekommen hat.
Am zweiten Tag stoppte uns ein heftiges Gewitter am Stand der 22. Seillänge von insgesamt 26.
Unser Notbiwak wurde ungemütlich. Mehr in den Seilen hängend als liegend verbrachten sitzen
wir den Sturm ein Nacht ohne Essen und Trinken aus.
Am nächsten Morgen waren die letzen vier Seillängen vom Hagel und Graupel grausig vereist und
wir riskierten viel, um bei den weiten Hakenabständen aus der Wand zu Klettern.
Als ich zurück auf der kleinen Scheidegg wieder mein Handy einschaltete , hatte ich 12 anrufe in
Abwesenheit von meinem Freund Stephan Siegrist, welcher sich in der vergangenen Nacht
ernsthafte Sorgen um uns gemacht hatte, und dies auch nicht ohne Grund!
Die Route bekam in den folgenden Jahren seltene Besuche von Wiederholern. Trotz starken
Seilschaften, gelang es Niemandem die Route nochmals Rotpunkt zu Klettern.
Im Sommer 2016 gelang es mir Dank der grossen Unterstützung von Mayan Smith Gobat die
Route innert drei Tagen als dritter Kletterer Rotpunkt zu Klettern, was mich unglaublich freute.
Mayan und ich träumten bereits damals von einer eintägigen Rotpunktbegeahung. Und wir beide
wussten, dass das der abholte Wahnsinn wäre. Es war am Anfang mehr so nach dem Motto, ah
weisst du wie genial eine Eintagesbeghung wäre! Whau, ja, dass wäre der Hammer. Dann passiert
der Magic von einem Traum einer Vision. Du träumst von was! Am Anfang ist es nur ein Traum,
und fühlt sich an wie nicht möglich. Doch nachdem etwas Ruhe einkehrt, realisierst du ( Ich )
doch, wenn mal alles dafür gibt und macht könnte es sogar möglich sein. Ich liebe diesen
Moment, wenn sich ein Samenkorn niederlegt und wie durch ein wunder bekommt es alles
notwenige, welches es zum wachsen und gedeihen braucht.
Der Traum und die Faszination entwickelte sich so weite, dass ich Sommer 2017 zum ersten mal
gemeinsam mit Tobias Sutter es probierte , die Route an einem Tag Rotpunkt zu Klettern.
Tobi und ich hatten leider nie das grosse Wetterglück an den Tagen an welchen wir uns
gemeinsam Zeit für das Projekt reserviert haben. Plus hatte Tobi an einem wettertechnisch
suboptimalen Tag noch das Pech eines Ausrutschers und Stürze ins Seil. Der Ausrutscher von
Tobi und das etwas unsichere Wetter nahm uns den Wind aus den Segeln und wir mussten die
gute Chance leider abbrechen uns seilten ab. Obwohl die klettertechnisch schwersten Seillängen
bereits hinter uns lagen! Das tat ziemlich weh! Wir hofften jedoch nochmals ein gutes
Wetterfenster zu bekommen, welches leider nicht mehr eintraf.
Im Sommer 2018 versuchte ich es wieder mit Frédy Abächerli. Wir waren früh genug in unseren
Schlafsäcken und mein Bauchgefühl war gut. So gut, dass ich mit Selbstvertrauen einschlief, und
fest daran glaubte, dass morgen mein grosser Tag sein würde. Alle wichtigen Züge und
Bewegung hatte ich solide in meinem Kopf abgespeichert!
Tropf Tropf,,,, wurde ich mitten in der Nacht geweckt. Spinn ich!? Jetzt habe die meiste Zeit der
vergangenen drei Tage damit verbracht, den stabilsten der drei eh schon stabil angekündigten
Gutwettertage raus zu finden. Alle Wetterberichte hundert mal durchgecheckt und x mal
First one Day Redpoint of la Vida es Silbar, 900m 8a, Eiger Northface
verschiedene telefonische Wetterdienste kontaktiert. Und alle waren sich sicher, dass morgen der
Beste Tag sein wird.
Auf alle Fälle kam es anders. Eine Wolke hat durch die Nacht in der Eigerwand ausgeregnet und
am Morgen früh beim ersten Taglicht war noch alles viel zu Nass um eine Chance für eine
Tagesbegehung zu haben.
So wurde es diesen Sommer das dritte mal, dass ich meine Hauptenergie auf La Vida es Silbar
richtete.
Am 18. Juli sicherte mich mein Freund Lucien Caviezel einmal mehr durch die ersten schweren
Seillängen von La Vida.
Gott, es fühlte sich wieder anstrengend an!
Zudem musste ich feststellen, dass in der sechsten Seillänge nochmals etwas ausgebrochen ist,
welches es nochmals etwas schwieriger werden lies, diese Seillänge zu Klettern. Im Sommer
zuvor musste ich nämlich mit Schrecken feststellen, dass in der bereits etwas brüchig gewesenen
Seillänge Nummer sechs ein grosser Felsausbruch war. Die Sechste Seillänge führte im
Originalzustand an einen vollen Hängestand. Von welchem nun der eine Standplatz Bolt komplett
und der zweite zur Hälfte aus der Wand gefallen war!
Tobias Sutter und ich richteten dann einen neuen Standplatz am Anfang der nächsten Seillänge
ein, bei einem Now-Hand-Rest! Also ideal! Die nächste Seillänge wurde dann um circa fünf Meter
kürzer. Und dadurch dass diese horizontal traversierende Seillänge dann nur noch gute 15 Meter
lang war und auch wieder an einen Hängestand endete, wurde es für mich zu einem logischen
Ziel, dass ich die nächsten sehr steilen 30 Klettermeter in das Hotel Rote Fluh hoch , welches der
nächste No-Hand-Rest ermöglichte an einem Stück klettern wollte.
Erstens war es ziemlich trickreich, alle verschlüsselten jedoch coolen Bewegungen , Tritte und
Griff Kombinationen raus zu finden. Eine echte Herausforderung wurde es jedoch dann, die alten
beiden Seillängen , welche insgesamt eine Kletterstrecke von 45 Metern ergab und circa 8 Meter
überhängt, sturzfrei durch zu steigen. Am Anfang glaubte ich dass die Seillänge 7c+ schwer sei.
Nach dem ich die Länge jedoch jetzt zum dritten Jahr geklettert bin, wurde ich mir sicher, dass
die Schwierigkeit vergleichbar mit der Schlüsselseilänge von der direkt benachbarten Paciencia
Route, also 8a übereinstimmt.
Auf den 23. Juli kündigte sich ein zweifellos stabiler Tag an.
Mit wenige Mühe, konnte ich Sean Villanueva motivieren, mit mir diese Chance zu nutzen. Da
Sean und ich gemeinsam mit Mathieu Maynadier sowieso diesen September auf eine Expedition
ins Himalaya gehen werden, war es umso idealer, dass Sean und ich gemeinsam einige Seillänge
klettern.
Einmal mehr legte ich mich im unteren Tschechen - Biwak früh in meinen Schlafsack. In diesem
Biwak habe in der Zwischenzeit sicher über 30 Nächte verbracht mit der Zeit welche mir all die
Routen; Japaner Direttissima , unsere eigene Odyssee, Paciencia und La Vida es Silbar
abverlangten!
Wird morgen mein grosser Tag sein? Leider konnte ich nicht wirklich gut schlafen. Den
komischerweise beginnt mir meine linke Schulter in der Nacht immer so fest zu Schmerzen, dass
ich auch mit Schmerzmitteln nicht wirklich schlafen kann!
Im dunkeln beginne Sean und ich mit dem Wasser kochen! Es gibt Cappuccino mit Sean`s Nettle
Curry von Lyon Food!
Uff, ich fühle mich nicht besonders gut, muss ich Sean ehrlich zugestehen. Etwas nervös, diesen
guten und vermutlich einzigen Tag dieses Sommers mit einer Performance nur im Moment und
Zug für Zug abrufen zu können. Plus hielt mich meine schmerzende Schulter die halbe Nach über
wach.
Ce la vie! Nutz alles nix, los und einfach mein Bestes geben, ist die einzige Devise.
Die erste Seillänge klettern wir noch im Dunkeln. Die erst 7a Seillänge mit dem ersten Taglicht und
noch etwas klammen Fingern.
First one Day Redpoint of la Vida es Silbar, 900m 8a, Eiger Northface
Ich bat Sean, dass ich alle ersten und schweren Seillängen Versteigen darf. Da ich so zwischen
den Seillängen meine Pausen bekomme, und auch weil ich im Verstieg fokussierter und besser
kletterte.
Seillänge für Seillänge konnte ich meine roten Punkt holen, jedoch dass es mir auch eine
ordentliche Portion anstrengen musste!
Sean kletterte ich Nachstieg völlig befreit und echt genial. Von oben zurufend oder wenn es für
Sean ganz knapp wurde vor einem rausfallen oder Aufgeben mehr zuschreiende, half ich Sean mit
meinen Lösungen so gut ich nur konnte. Und über den letzten schweren und boulderigen
Überhang der zehnten Seillänge, wo man wissen muss, dass man die Rechte Fsierse mit viel
Schwung über der Dachkante einen Heelhook setzten muss, kam meine Lösung von oben
zuschreiend in aller letzter Sekunde.
Phaaa…so genial, wir haben es tatsächlich geschafft, es beide über die physisch schwierigsten
Seillängen sturzfrei zu Klettern.
Wenn alles weiterhin super läuft, können wir eine Team Rotpunkt Begehung schaffen. Das
motivierte uns ich freute mich mehr über Sean`s eindrückliche Kletter - Performance als über
meine eigenen.
Die Seillänge Nummer 12 ist mit 6b+ relativ einfach, wegen des etwas brüchigen Felsens und den
wenigen fixen Zwischensicherungen jedoch moralisch sehr anspruchsvoll .
Echtes Abenteuer Klettern, also perfekt zugeschnitten für Sean.
Erstaunlich flüssig, flink uns selbstsicher kommt Sean in dieser Seillänge auch voran. Bis zu der
Schrecksekunde, als ihm ein Tritt wegbringt! Hätte Sean sich nicht an seinen Händen auffangen
können, hätte unser Tag vermutlich mit Sean 20 Meter tiefer auf einem Schotterband geendet!
Wir kommen weiterhin gut voran. Langsam macht sich die Müdigkeit in den Armen und auch
Beinen etwas Bemerkbar.
Ab dem oberen Tschechen - Biwak, welches wir gerade erreicht haben, folgen nochmals vier
schwerere Seillängen!
Sean übernimmt die kommenden vier Seillängen diesmal den Lead. So ergibt sich zwischen den
Seillängen auch immer eine kleine jedoch dringend nötige Pause!
Sean performed über die letzte schwere Seillänge , welche eine 7b Platte darstellt exzellent ! Er
bewegt sich locker und frei!
Ich klettere los und mein Kopf schaltet sich ein, dass dies nun mein letzter Stolperstein werden
könnte. Wenn ich diese Seillänge noch Rotpunkt klettere, werde ich mir die erste freie
Eintagsbewegung nicht mehr nehmen lassen. Jedoch was ist wenn ich nicht locker und cool
genug bleibe und die 7b Platte nicht sturzfrei schaffen sollte.
Ziemlich verkrampft klettere ich los! Der Anfang ist eine sehr anspruchsvolle Stehpartie !
Wusch,,,und ich rutsche bereits weg und hänge im Seil!
Shit…der Druck wird noch grösser! Lass mich nochmals runter Sean. Die Karten stehen sind nicht
auf meiner Seite.
Es ist nämlich so, dass ich ja wusste, dass ich die Seillänge mit Mayan bereits Rotpunkt geklettert
bin. Jedoch war ich zu diesem Zeitpunkt völlig befreit und völlig ohne Erwartungen.
Dieses mal jedoch, hatte ich klare Erwartungen! Ich wusste, dass ich die Seillänge klettern muss,
für meinen langen Traum zu realisieren.
Wusste auch dass es noch schwerer sein würde, sollte ich ein zweites mal wegrutschen.
Und das ist die ganze Crux beim Klettern und noch speziell auf plattigen Seillängen wie diesen!
Je mehr man denkt dass man muss, desto schwieriger dass es wird!
Die Crux ist zurück in den Flow, in das Klettern Zug um Zug wieder zu finden, ohne Erwartungen
an das Endresultat.
Leichter gesagt als getan. Ich komme in meinem zweiten Versuch höher! Komme jedoch kurz
danach wieder ins Stocken!
Verdammt, ich komme um Haaresbreite nicht auf den flachen Griff ( Aufleger ) hoch, welchen
Sean völlig ausgestreckt gerade erreichten konnte.
Gerade habe allen Mut zusammen gefasst, und wollte entschlossen auf den unteren der zwei
flachen Griffe halbdynamisch hoch greifen.
In diesem Moment schreit Sean von oben runter: No Roger, the lower one is to bad!
Uff,,,was für eine Scheisse! Nochmals zurück retten und nochmals mit immer stärker brennenden
Beinen diese kleine Tritt vom linken auf den rechten Fuss wechseln.
First one Day Redpoint of la Vida es Silbar, 900m 8a, Eiger Northface
Es gibt nur eine Chance. All in! Ich muss es probieren, und stosse dynamisch vom unteren ok Tritt
mit beiden Händen auf den oberen besseren Slopper! Bhuaaa,,schaut Sean von oben runter, thats
cracy Dude! Ja, so hat es sich für mich auch gerade angefühlt, denke ich mir selber. Jedoch hat
es funktioniert.
Zurück bin ich wieder im Flow angelangt und Klettere die Seillänge fertig !
Die letzten sieben, nicht mehr so schweren , jedoch moralisch anspruchsvollen Seillängen stehen
noch vor uns!
Mit schmerzenden Zehen , Fingern und Armen wird es etwas zum Kampf, hier die Konzentration
aufrecht erhalten zu können.
Komme am Standplatz Nr. 22 vorbei, wo ich 2003 mit Simon Anthamatten notbiwakieren musste!
Auch das war eine solche Aktion mit der Kategorie Fun Nummer drei. Das heisst, dass es sich
erst einige Tage oder Jahre danach erst als Fun anfühlt. Während der Aktion selber jedoch nur als
ein „ suffer-fest“!
Kurz vor dem Eindunkeln, umarmen Sean und ich uns ganz oben auf dem Tschechen Pfeiler
stehend.
Yes`s we did it!
Sean war als halb Irländer und halber Belgier noch nie auf dem Eiger Gipfel.
So nahmen wir die mühsamen guten eineinhalb Stunden Bergsteigen in der Dunkelheit noch in
Kauf und stiegen ganz rauf , auf den Eiger Gipfel. Gerade habe ich realisiert, dass es vom
Ausstieg des Teschechenpfeilers noch verdammt weit bis ganz rauf ist. Und bin mir ziemlich
sicher, dass noch keine freikletterende Seillschaft nach einer Tour, welche auf dem
Tschechenpfeiler endet, noch rauf bis auf den Eiger Gipfel ging!
Unser Abenteuer war noch nicht ganz zu Ende. Wir seilten die Südwand runter. Ich wusste, ja
dass Resu Leibungut von seiner Erstbegehung der Märmelibahn, einen Schlafsack und Matte
deponiert hatte. Sean und ich waren am Morgen um 2 Uhr so happy mit der Vorstellung jetzt uns
in der Mitte der Südwand in das Biwak legen zu dürfen und nicht frieren zu müssen.
Die zwei Seilschaft welche wir jedoch bei dem stabilen Wetter dort gemütlich schlafend
entdeckten , wollten wir nicht wecken und scho gar nicht hätte ich mich getraut ihnen „ meinen
„ Schlafsack weg zu nehmen.
Einer relativ kühle jedoch kurze Nacht stand vor uns. Die Nacht wurde mit meiner erneut
schmerzenden Schulter, an welchem auch mehrerer Schmerzpillen nichts ändern konnten,
trotzdem relativ lang.
Sean spielte am nächsten Morgen mit seiner mitgetragenen Flöte und alle Schmerzen waren fast
vergessen.
Es blieb die Erinnerung an meinen mit Abstand besten Freiklettertag am Eiger und mit Sicherheit
im Team!
Habe mit den beiden ersten freien Eintagesbegehungen von meiner Erstbegehung Magic
Mushroom geklettert Dank Raphael Vogel und der Ghilini - Piola Direttissima gemeinsam mit
Robert Jasper auch gute vergleiche!
Schön , dass es die Flöte den ganzen weg mit uns geschafft hatte, nicht jedoch nicht so unsere
Tasche mit Kreditkarte, Bergführer Ausweis und Sean`s Handy!
Vorsichtig und safe seilten wir die restlichen 400 Meter der Südwand.
Ein grosser Traum ging heute in Erfüllung . Ganz herzlichen Dank dir Sean und allen wo mich auf
diesem langen weg so geduldig, motivierend und verständnisvoll Unterstützt haben.
Roger am 31.7.2019, Interalken
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