Käse gehört zum klassischen Wander-Proviant vieler
Berggänger: Das Milchprodukt, für das die Schweiz auf
der ganzen Welt bekannt ist, liefert gleichzeitig Eiweiss
und (idealerweise nicht zu viel) Fett. Produziert wird es
unter anderem in den Bergen: in zahlreichen Alpwirtschaften,
wo man die Spezialität oft auch kaufen kann.
Alpkäse lässt sich problemlos im Rucksack verstauen
und kann später zu Hause – in Erinnerungen schwelgend
– genüsslich verzehrt werden.
QUIZFRAGE: ALP- ODER BERGKÄSE?
Doch längst ist nicht jeder Käse ein Alpkäse: Nur rund drei
Prozent des jährlich in der Schweiz produzierten Käses
entstehen auf einer Alp aus Milch von Kühen, Ziegen oder
Schafen, die dort den Sommer verbringen. Der Name
«Alpkäse» ist deshalb streng geschützt. Das macht Sinn: Auf Alpwiesen wachsen oft über hundert verschiedene
Gräser und Kräuter – im Tal unten meist weniger als
zwölf. Die Luft ist sauberer, und die Milch wird im Idealfall
noch warm und ohne lange Transportwege schonend
verkäst. Dadurch bleiben die gesunden Nährstoffe und
natürlichen Geschmacksträger erhalten: Alpkäse enthält
überdurchschnittlich viel Kalzium, was für den Aufbau
und den Erhalt von Knochen und Zähnen wichtig ist. Die
Schweizer Alpkäse weisen einen hohen Qualitätsstandard
auf. Ein grosser Teil davon wird nach dem AOP-Pflichtenheft
hergestellt. Das Label AOP («Appelation d‘Origine
Protégée») garantiert, dass der Käse zu 100 Prozent aus
dem genannten Ursprungsgebiet stammt. Beispiele dafür
sind L’Etivaz, Berner Alp- und Hobelkäse, Tessiner Alpkäse,
Le Gruyère d’alpage, und Vacherin Fribourgeois d’alpage,
Alp-Sbrinz und Glarner Alpkäse mit dem AOP-Label. Neben Alpkäse gibt es auch Bergkäse: Dieser wird ebenfalls
in Gebirgsregionen hergestellt, meist aber in Dorfkäsereien
im Tal und das ganze Jahr über, also auch, wenn die Tiere
im Stall stehen und mit Heu gefüttert werden. So kann es
passieren, dass ein Käse aus Milch von Weiden auf 1200 m
ü. M. in einer zentralen Käserei zu einem Bergkäse wird,
während ein anderer von Weiden auf 900 m ü. M. (aber
direkt
auf der Alp produzierter) das Label Alpkäse erhält.
«
CASEUS HELVETICUS»
Schweizer Käse wird vom römischen Historiker Plinius dem
Älteren erstmals im ersten Jahrhundert nach Christus erwähnt,
als «Caseus Helveticus». Lange Zeit beschränkt sich
der Begriff aber auf Hüttenkäse: Erst im 15. Jahrhundert
beginnen die Bauern nördlich der Alpen, mit Lab – einer
Substanz aus dem Kuhmagen – Hartkäse herzustellen.
Dieser ist viel länger haltbar und war schon damals als Reiseproviant
beliebt. Mit der längeren Haltbarkeit folgte der
Export nach ganz Europa: Seit dem 18. Jahrhundert ist Käse
ein wichtiges Schweizer Handelsgut.
Über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind die Emmentaler
Jürg Wyss (Ju) und Mike Glauser (Mi) von Jumi mit ihren innovativen Käsespezialitäten. Die beiden Freunde
haben sich 2006 selbstständig gemacht und
schafften mit der «Belper Knolle» international
den Durchbruch. Zu deren Entstehung verhalf wie
so oft ein Zufall: Ein Frischkäse wurde im Keller
vergessen. Als die zwei Jungkäser ihn wiederfanden,
hatte er sich zum trockenen und geschmacksintensiven
Hartkäse verwandelt. Heute wird die
Belper Knolle etwa auf dem Borough Market in
London, in Wien und in den Maschinen der Edelweiss
Air verkauft.
DIE KUH HINTER DER MILCH KENNEN
Der Pionier-Betrieb aus dem bernischen Boll hat
auch zwei Alpkäse im erlesenen Sortiment: «Toms
Alpkäse» und «Chrigus Alpkäse». Die erste Sorte
ist benannt nach Tom Haldimann, der im Winter
bei Jumi aushilft und die Sommer auf der Suldalp
bei Grindelwald verbringt. «Chrigu» ist Mike Glausers
Bruder, der wie der Vater, der Cousin und der
Onkel zu den Milch- oder Käse-Lieferanten der
Firma
zählt. Die Philosophie von Jumi: Zu jedem
Käse einen direkten Bezug haben, wie die Produzenten
zu den Tieren. «Wenn du 20 Kühe hast,
kennst du jede einzelne mit Namen und merkst,
wenn ihr etwas fehlt», erzählt Mike Glauser. Für
den 33-Jährigen ist die «schöne Milch» die Basis
«Nur bei separater
Aufbewahrung jeder
Milch kann jede ihre
einzigartige Aromatik
beibehalten!»
WILLI SCHMID, KÄSER
für guten Käse. Wichtig seien Kräuter, Gräser und die
Gesundheit der Tiere: «Schon die Milch einer einzigen
kranken Kuh von hundert kann die ganze Milch
zerstören.»
Ein richtig guter Käse muss für Mike Glauser zwei
Geschmackswellen
haben: Nach der ersten Explosion
im Mund folge die zweite, mildere Stufe. Wie bei
einem Wein komme es beim Käse sehr darauf an, zu
welchem Zeitpunkt man ihn geniesse: «Was es ausmacht,
ist die Bitternote, die sich mit der Zeit mehrmals
verstärkt und wieder abklingt.»
ROHMILCH FÜR MEHR GESCHMACKSNUANCEN
Bei Willi Schmid von der Städtlichäsi Lichtensteig
im Toggenburg besteht jeder Käse garantiert aus
der Milchlieferung von einem einzigen Hof: «Nur bei
separater Aufbewahrung jeder Milch kann jede ihre
einzigartige Aromatik beibehalten!» Auch ihn haben
seine Käsespezialitäten berühmt gemacht: 2010
wurde er mit dem Blauschimmelkäse Jersey Blue
gar Käseweltmeister. Der 49-Jährige produziert
zwischen 25 und 30 Sorten Käse parallel, verkauft
an namhafte Affineure und frisch ab Keller in Lichtensteig
im Toggenburg. In Schmids Sortiment gibt es zwei Bergkäse-Variationen:
«Bergfichte» und «Bergmatter». Der erste wird von Hand
mit einem Rindenstück der Bergfichte umhüllt, während
der zweite nur im Herbst und Winter entsteht, wenn die
Kühe von der Schwägalp zurück sind. Der ausgebildete Käser
schwört auf Rohmilch: «Durch die Enzyme entsteht ein
viel breiterer Geschmack. Schön, rund und nicht scharf.»
Wenn man diese beim Erhitzen abtöte, werde der Käse einseitiger.
Genau das wolle er aber nicht: «Ich finde es nach
wie vor faszinierend, wie viele Geschmacksrichtungen man
aus dem faden Saft Milch erschaffen kann!»
«Wenn du 20 Kühe
hast, kennst du jede
einzelne mit Namen
und merkst, wenn ihr
etwas fehlt.»
MIKE GLAUSER, KÄSER
DIE KÄSER AUF WANDERSCHAFT
Sowohl Mike Glauser als auch Willi Schmid
zieht es immer wieder auch selbst in die Berge.
Glauser macht oft ganze Wochenendausflüge zu
seinen Produzenten und Freunden. Wenn es um
«Wander-Käse» geht, hat er einen klaren Favoriten:
den Schlossberger aus dem Jumi-Sortiment.
Dieser Hartkäse schwitze nur ein bisschen und sei
schön ausgeglichen. «Ob morgens oder abends,
mit Wein oder Brot, den kann ich immer essen.»
Bei Schmid sind die Wanderungen meist Sonntagsausflüge
mit der Familie. Im Rucksack mit
dabei ist dann immer der Innerschweizer Klassiker
Sbrinz. Der naturverbundene Käser hat auch
fürs Wandern ein eigenes Rezept: Er ist immer
barfuss unterwegs, egal, ob Geröllhalde oder
Kalk, Regen oder Schnee, zwei oder zehn Stunden
Marsch. «So bekommt man kein Rückenweh. Man
schaut immer, wohin man tritt und sieht alles am
Boden.» Auf diese Weise lerne man letztlich die
Natur besser kennen: «Und das nützt dann auch
wieder fürs Käsen.»
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