Offene Stellen

Newsletter

DE | FR | IT
  1. Erlebnis
  2.  > 
  3. Blog

Bitte von allem ein bisschen mehr

Hannes Ebding, Montag, 19. Juli 2021

Wenn Hannes nicht gerade unserer Kundschaft in der Bächli-Filiale in Basel beratend zur Seite steht, nimmt er sich mit seinem Bruder abenteuerliche Projekte in den Bergen vor. So verschlug es ihn kürzlich zum Bockmattli. Das Ziel: Die neun Seillängen der namenlosen Kante – kombiniert mit einem Zweitagestrekking und Übernachtung im Zelt. Ein Tourenbericht voller Blitze, schweren Rucksäcken und einer freistehenden Badewanne.

Es war mal wieder soweit. Mein Bruder und ich verabredeten uns zum Klettern. Diesmal sogar mit zwei Tagen Zeit und einer offenen Rechnung: Die namenlose Kante am Bockmattli. Vor einiger Zeit waren wir schon einmal dort, nur hatte es die ganze Nacht durch wie aus Kübeln geregnet. In guter Hoffnung, dass der Fels wieder schnell trocknen würde und wir Petrus zum Trotz unser Vorhaben verwirklichen können, sind wir trotzdem aufgestigen, eingestiegen und – der Fels ist nicht getrocknet – wieder abgestiegen. Ende der Gechichte.

Diesmal sollte es anders werden. Das Wetter versprach eine gut vorhersage. Zwar mit Wärmegewittern am Abend, aber sonst trocken. So setzte sich allmählich folgende Idee in unseren beiden Köpfen fest: Eine kombinierte Kletter-Biwak-Rundtour; Start beim Parkplatz im Schwändital mit vollem Gepäck zum Brüggler, dort einklettern, dann weiter übers Scheidegg zum Bockmattli. Dort biwakieren und am nächsten Morgen die namenlose Kante bezwingen und mit allem Gepäck zurück über den Tierberg ins Schwändital. Soweit unsere Idee. Zwei Brüder, zwei Tage, zwei Touren.


Drückende Sonne, drückendes Gewicht

So schulterten wir am ersten Morgen unseren Rucksack. Vollbepackt mit allem was wir für unser Unternehmen brauchten. Exen, Essen, Seile, Schlafsack, Matte und Wasser. Viel Wasser. Denn es versprach heiss zu werden. 14 Kilo waren es letztendlich. Und so überkamen uns nach einer Stunde Zustieg im brütend heissem Schwändital und brennenden Oberschenkeln erste Zweifel über unser Vorhaben. Zu heiss, zu viel Gepäck, zu wenig Vorbereitung. Endlich am Einstieg angekommen waren wir bereits schon schlapp wie man sich sonst erst nach der Tour fühlt. Und nach zwei Seillängen in der Südwand hiess es zurück auf den Boden - abseilen.

Unsere Füsse taten weh, haben wir sie doch beide dieses Jahr zum ersten Mal in Kletterfinken gezwängt. Alles war vielleicht etwas überambitioniert, haben wir konstatiert. Dennoch wollten wir an unserem Vorhaben festhalten. Nach einer kleinen Pause und winterlicher Abkühlung auf einem Altschneefeld ging es weiter zur Scheidegg. Die Sonne brannte unerbittlich auf uns nieder und mein Kletterhelm wurde mein Sonnenschutz. Wir kamen nur langsam vorwärts in diesem Death Valley namens Schwändital.

Irgendwann kamen wir dann doch tatsächlich am Fusse des Bockmattli an. Laut Regenradar war es noch ein bisschen hin, bis die Gewitter kommen sollten und so nutzten wir die Zeit zum Essen, Ausruhen und einer Partie Backgammon. Wir richteten unser Biwak ein und machten uns bereit für ein, zwei Stunden Unwetter.


Himmel-Stroboskop

Doch dann kam ein Gewitter, das wir so in den Bergen selten erlebt haben. Blitz und Donner nonstop. Der Himmel war hell erleuchtet. Ein Blitz nach dem anderen. Wie auf einer Technoparty im Stroboskoplicht. 21, 22, 23. Dann kamen die Donner. So dicht hintereinander folgend, dass sich eine andauernde Donnerwalze über uns schob, welche in einer Endlosschlaufe abzulaufen schien. Wir fühlten uns, als wären wir in Mordor. Näher als einen Kilometer kamen die Blitze zum Glück nie an uns ran. Aber es war so heftig, dass zum Schlafen lange keine Ruhe blieb. Trotz allem hatten wir Glück. Das Auge des Unwetters war nicht direkt über uns. Und so schliefen wir dann doch irgendwann ein.

Doch nach den Strapazen der Nacht und den Anstrengungen am Vortag erschien uns die namenlose Kante – es war 6 Uhr morgens am zweiten Tag unserer Tour – wie der K2. Nahezu unbezwingbar. Und wenn wir eins gelernt haben, dann, dass man nichts erzwingen soll, was nicht bezwungen werden will. So entschlossen wir uns dazu, mit Leichtgepäck durch den Chälen aufs Bockmattli und von dort aus über den schmalen Grat auf den Tierberg zu steigen. Und das taten wir dann auch.


Eine Enttäuschung, die keine ist

Nicht ganz so wie geplant, aber doch lohnenswert. Wir genossen die Freiheit, dass wir uns ohne Seil nach Lust und Laune über Stock und Stein bewegen konnten - ohne 14 Kilo Gepäck auf der Gratscheide zwischen Schwändi- und Oberseetal. Meinen Bruder ereilte eine SMS ob es uns gut gehe, in Zürich sei beinahe die Welt untergegangen. Ja, da haben wir wohl echt Glück gehabt, dass das Gewitterspektakel woanders sogar noch heftiger war als bei uns.

Und so ging es dann beschwingt zurück zum Parkplatz. Wir wollten zu viel und erst als wir uns dazu entschlossen, es nicht zu wollen, wurde aus einem Plan ein Abenteuer mit vielen schönen Momenten; ungeplanten Momenten. Wie die Badewanne, welche da auf der Alm auf einmal vor uns stand: Raus aus den verschwitzen Klamotten und rein ins kühle Schmelzwasser. Die Kühe waren ganz schön verdutzt, aber das war uns in diesem Moment egal. Kein Fünf-Sterne-Spa der Welt hätte ich diesem Moment für mehr Erfrischung und Erholung vorgezogen als diese Badewanne voller Schmelzwasser.

Im Endeffekt hat nichts geklappt wie es sollte und trotzdem war alles genauso perfekt. Ein Paradox, welches nur in den Bergen vorzukommen scheint. Und die namenlose Kante? Ja, wir kommen wohl noch ein drittes Mal wieder. Dann jedoch besser vorbereitet.

Weitere Beiträge

Verletzungsprävention beim Klettern

Verletzungen gehören leider zum Sport dazu. Doch was sollte man tun, wenn es dazu kommt? Vor einigen Monaten habe ich mir beim Klettern die Schulter verletzt. Wie es dazu kam und und wie man das Verletzungsrisiko beim Klettern reduzieren kann, möchte ich in diesem Beitrag teilen.

Expert: Alles, was du über Kletterseile wissen solltest

Ohne Seil geht beim Klettern, aber auch auf vielen Berg- und Hochtouren, gar nichts. Ein Überblick über gängige Seiltypen, Auswahlkriterien und Produktionsmethoden.

Mehrseillängen klettern: Sechs praktische Tipps für dein erstes Mal

Mehrseillängen sind die Königsdisziplin des Kletterns. Technik, Material, Planung und vieles mehr müssen sitzen, um erfolgreich und genussvoll durch eine Wand zu kommen. Wir zeigen dir sechs Tipps, die dich inspirieren, selbst in die wundervolle Welt der Mehrseillängen-Routen einzutauchen.

Ein Traum wird wahr: Besteigung aller 82 Viertausender der Alpen zu Fuss und per Gleitschirm

Mit ihrem Projekt XPEAKS haben sich Bächli-Athlet Chrigel Maurer und Alpinist Peter von Känel einiges vorgenommen: Ihr Ziel war es, alle 82 4000er Berggipfel der Alpen gemeinsam zu besteigen und sich dabei ausschliesslich zu Fuss oder fliegend mit dem Gleitschirm zu bewegen. Mit GPS-Livetracking und Selfies auf allen Gipfeln haben die beiden ihr ambitioniertes und erfolgreiches Vorhaben dokumentiert.

Zehn Gipfel in 37 Stunden: Nicolas Hojac und Adrian Zurbrügg überqueren Berner Panorama in einem Push

Am 29. Juli brechen die Alpinisten Nicolas Hojac und Adrian Zurbrügg in den Berner Alpen ins Ungewisse auf. 37 Stunden und 5 Minuten später haben sie als erste Seilschaft nonstop die zehn Gipfel von Eiger, Mönch, Jungfrau, Rottalhorn, Louwihorn, Gletscherhorn, Äbni Flue, Mittaghorn, Grosshorn, Zuckerstock und Breithorn überquert. Ein hochalpiner Grenzgang der Superlative, auf dem 7000 Höhenmeter und 65 Kilometer nicht die einzigen Herausforderungen waren.

Klettertour ohne Anstehen: Sgemögna 2545 m – Nordwand 6a

Raus aus dem Stau und rein ins Abenteuer: Hoch über dem Val Redorta im Tessin wartet eine einsame Nordwand mit viel Potenzial für neue Routen. Wer den Trubel der bekannten Klettergebiete scheut und nach einer Herausforderung sucht, ist hier genau richtig.

Von K2, Breithorn und anderen Barrieren: Nicole Niquille im Interview

Nicole Niquille war die erste Bergführerin mit Schweizer Pass und an den höchsten Bergen der Welt aktiv. Seit einem Unfall vor genau 30 Jahren sitzt sie im Rollstuhl. Im Interview spricht sie über modernes Höhenbergsteigen, Barrierefreiheit am Berg und im Alltag – und warum das Breithorn für sie heute schöner ist als früher.

Die Eroberung der Bergliteratur

Kann ein Holländer das «Bergbuch der Bergbücher» schreiben? Ja, findet unser Bergbuch-Rezensent Markus Rottmann, der beim «Unendlichen Gipfel» auf jeder Seite nicken musste.

Passende Inhalte

Kommentare

Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Kommentar schreiben