Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Ganz so simpel ist es beim Bergsteigen natürlich nicht – dennoch steckt ein Funken Wahrheit in dem altbekannten Sprichwort: Bis zu einem gewissen Punkt schützt die richtige Ausrüstung gegen Niederschlag, Kälte und Wind. Hilfreich sind dabei allerdings nicht nur die dreilagige wind- und wasserdichte Hardshell oder die isolierende Daunenjacke, sondern vor allem kleine Dinge, die bei widrigen Bedingungen grosse Wirkung zeigen: von Heizsocken über Balaclavas bis hin zu windbeständigen Sonnencrèmes hält der Outdoormarkt einiges parat, um selbst bei eisigem Wind, zweistelligen Minustemperaturen oder bei nasskaltem Wetter den Winter zu geniessen.
Textil trifft Elektronik
Wie schnell man sich schwerwiegende Erfrierungen zuziehen kann, hat nicht zuletzt der Fall der amerikanischen Profialpinistin Anna Pfaff bei ihrer Alaska-Expedition Ende April gezeigt: Obwohl sie während des Gipfelanstiegs keine extreme Kälte verspürte, erlitt sie so schwere Erfrierungen an den Füssen, dass man ihr später im Krankenhaus fünf Zehen amputieren musste. Natürlich ist das der Extremfall – und Alaska nicht die Schweiz –, dennoch sind Frostbeulen und Erfrierungen auch in den Alpen keine Ausnahme. Für Bächli-Produktmanager Ernst Schärer sind Heizsocken das erste und beste Mittel gegen kalte Füsse – zumal die beheizbaren Socken präventiv zum Einsatz kommen: «Am Anfang des Tags stellt man die Socken etwas wärmer ein, bis man eine gute Temperatur erreicht hat. Dann stellt man sie auf mittlere Temperaturen runter – so erreicht man gar nicht erst den Punkt, dass man kalte Füsse bekommt», erklärt der Experte. Die Heizsocken funktionieren über wiederaufladbare Lithium-Ionen-Akkus, die am Bund mit Druckknöpfen befestigt werden und je nach Akku-Modell und Heizstufe zwischen zwei bis zwanzig Stunden wärmen können. Die Akkus versorgen die im Gewebe eingearbeiteten Heizspiralen. Die beheizte Zone befindet sich an den Zehen, von wo sich die Wärme optimal über den gesamten Fuss verteilt. Generell können Heizsocken eine Temperatur von bis zu 60 Grad erreichen, die höchste Heizstufe sollte aber nur wenige Minuten eingeschaltet sein, da sonst Verbrennungen drohen. Für eine behagliche Wärme sind die niedrigste oder mittlere Stufe ausreichend. «Da ist ein Skitag von acht Stunden zum Beispiel kein Problem», sagt Schärer. Reguliert wird die Heizfunktion über eine Taste am Akku oder über eine App, die via Bluetooth mit dem Akku verbunden ist. So muss man nicht erst die Hose hochkrempeln, um die Temperatur einzustellen. Marktführer in diesem Bereich ist die österreichische Firma Lenz, die von beheizbaren Kompressionssocken (Heat Sock 6.0 Toe Cap Merino Comp.) bis zu Modellen für schmale Füsse (Heat Sock 5.0 Toe Cap Slim Fit) eine breite Produktpalette anbietet. Die Verarbeitung von Merinowolle sorgt währenddessen für hohen Tragekomfort und guten Feuchtigkeitstransport. So sind die Heizsocken nicht nur für die Piste oder den Weihnachtsmarktbesuch, sondern besonders für Skitouren, extreme Expeditionen oder für das Eisklettern eine gute Investition. Gewaschen werden die Socken in einem mitgelieferten Waschbeutel im Schonwaschgang bei 30 Grad – natürlich nachdem man die Akkus entfernt hat. Handwäsche ist indes nicht geeignet, weil dabei die Heizelemente beschädigt werden könnten – auch im Trockner haben sie nichts verloren. Neben Heizsocken gibt es auch Heizsohlen: «Die verkaufen wir aber kaum noch», sagt Schärer, «weil die Sohlen spezifisch für einen Schuh gekauft werden und man sie so nicht flexibel einsetzen kann.» Kombinieren sollte man Sohle und Heizsocke aufgrund von möglichen Verbrennungen übrigens niemals. Beheizte Handschuhe (z. B. Outdoor Research Stormtracker Heated Sensor Gloves) wiederum sind zwar keine günstige, aber oftmals wertvolle Investition: Genauso wie Heizsocken werden die verarbeiteten Heizdrähte mit wiederaufladbaren Lithium- Ionen-Akkus betrieben. «Diese werden in den dafür vorgesehenen Fächern am Handgelenk verstaut», erklärt die Einkaufsassistentin Päivi Litmanen. Die Intensität lässt sich ebenfalls über verschiedene Heizstufen regulieren.
Schutz vor Nässe und Schnee
Auch Gamaschen schützen vor Kälte und Nässe: Die schlauchartigen Stulpen werden über Schuh und Hosenbein gezogen und verhindern, dass Nässe, Schnee oder Geröll in den Schuh gelangt. Viele Skitourenhosen besitzen eine bereits integrierte Gamasche, und auch neuere Hochtourenhosen kommen oftmals mit einer reduzierten Variante, die über einen Haken im Saum direkt am Bergschuh befestigt wird – ein guter Ersatz bei moderaten Wetterverhältnissen. Gleichzeitig besitzen einige Alpinschuhe bereits eine Art integrierte Schaft-Gamasche (z. B. Scarpa Phantom Tech oder Mammut Taiss Pro High GTX), die eine zusätzliche unnötig macht. Diese Konstruktion kommt mittlerweile sogar bei Trailrunningschuhen zum Einsatz, um beim Laufen in der kalten Jahreszeit die Füsse trocken zu halten. «Generell lohnen Gamaschen aber vor allem bei tiefem Schnee, welcher ansonsten von oben in den Schuh reindrücken würde», sagt Bächli-Produktmanager Schärer. Die meisten Modelle besitzen einen breiten Front- oder Seiten-Klettverschluss, der sich problemlos über den Bergschuh und die Hose ziehen lässt (z. B. Black Diamond Front Point Gaiter GTX). Dank verstellbaren Wadenabschlüssen und Riemen wird ein körpernaher Sitz garantiert, der gefährliches Verhaken mit Steigeisen verhindert. Während integrierte Gamaschen an Berg- oder Trailrunningschuhen meist aus Softshell-Materialien bestehen, verarbeiten Hersteller bei herkömmlichen Modellen meist abrieb- und reissfeste Materialien wie Cordura. In Kombination mit einer Goretex-Membran werden sie zudem wind- und wasserdicht und bis zu einem gewissen Grad wasserdampfdurchlässig, was bei anstrengenden Stapfaktionen im Schnee von Vorteil ist. Für sehr hohe oder kalte Expeditionen ausserhalb der Alpen bieten einige wenige Hersteller Übergamaschen an, die über den gesamten Berg- oder Skitourenschuh gestülpt werden. Sie sind steigeisenkompatibel sowie für Pin-Bindungen geeignet (z. B. Forty Below K2 Superlight Overboot oder Fresh Tracks Overboot). Diese auf Höhenlagen und extreme Kälte ausgelegten Gamaschen bestehen im unteren Bereich aus rund fünf Millimeter dickem, geschlossenporigem Neopren, der Schaft ist aus robustem Cordura gefertigt. Das isolierende Material verläuft dabei vollständig und lückenlos um und unter dem Schuh entlang und verhindert so Kältebrücken.
Mit Crème und Haube
Hände und Schuhe kann man problemlos mit beheizbaren Elementen genauso wie mit wetterfesten Materialien schützen, aber wie sieht es mit unserem Gesicht aus? «In den Bergen braucht unsere Haut nicht nur Schutz gegen Sonne, sondern auch gegen Kälte und Wind», sagt Päivi Litmanen. Denn Kälte schwächt die Barrierefunktion unserer Haut. Das wiederum verringert die Talgproduktion, die dafür zuständig ist, Bakterien, Feuchtigkeit, Hitze und Kälte fernzuhalten. Die speziell für den Bergsport entwickelten Crèmes von Piz Buin verfügen daher über einen hohen UVA- sowie UVB-Sonnenfilter und sind mit einem speziellen Cold Shield Complex angereichert, der nachhaltig Feuchtigkeit spendet, die Haut widerstandsfähiger macht und so vor Wind sowie extremer Kälte schützt. Manche Skitourengeher schwören zudem auf spezielle Kälteschutzcrèmes, die sehr fetthaltig sind und eine Art Schutzbarriere bilden. Wichtig ist dabei, dass die Kältecrèmes immer nach dem Sonnenschutz auf die Haut aufgetragen werden. Die Sonnenschutz- Sprays der Firma Sensolar besitzen ebenfalls einen hohen Sonnenschutzfaktor und sind nicht nur für empfindliche Haut, sondern ebenfalls für die Haare geeignet. Das Spray enthält keine Emulgatoren und keinen Alkohol, der die Haut zusätzlich austrocknet, sowie keine Nanopartikel. Dadurch bleibt der Lichtschutz länger auf der Haut und brennt nicht in den Augen. «Die kleinen Tubenformen passen zudem leicht in die Jackentasche oder in den Rucksack», sagt Litmanen. Ergänzend zur Sonnencrème kann man bei starkem Wind und Schneegestöber eine Balaclava, auch Sturmhaube oder Skimaske genannt, tragen. Dieses kapuzenartige Accessoire schützt den Kopf, die Ohren, die Lippen und die Wangen vor Wettereinflüssen und ist ein wirksames Mittel, um den Wärmeverlust über den Kopf zu minimieren. «Das Modell Oasis Merino von Icebreaker ist der klassische Helmunterzieher, den man für alle möglichen Winteraktivitäten einsetzen kann», weiss Daniela Stünzi, die Bächli-Expertin in diesem Bereich. Auch der Buff Thermonet Hinged ist für den klassischen Einsatz, zum Beispiel beim Skifahren, geeignet. Er verfügt zusätzlich über eine Öffnung für den Pferdeschwanz und lasergeschnittene VaporGrid Löcher im Mundbereich. Für extrem kalte Tage empfehlen sich der Balaclava Arctic WS von Mammut und der Salewa Ortles WS, die sogar mit Windstopper-Gewebe im Bereich der Wangen und des Mundes ausgestattet sind. Wer so ausgestattet immer noch friert, dem bleibt nur noch eins: der Einkehrschwung auf die Hütte für eine heisse Ovi.
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