Sonntagsverkauf

Weihnachtsversand

DE | FR | IT
  1. Erlebnis
  2.  > 
  3. Blog

Gut getönt

Thomas Ebert, Donnerstag, 12. Mai 2022

Pro 1000 Höhenmeter nimmt ultraviolette Strahlung um etwa 10 Prozent zu. Eine gute Sonnenbrille gehört schon deshalb zur Pflichtausrüstung aller Bergsportler. Moderne Brillen tragen aber noch mit weiteren Features zur Sicherheit bei. Wir klären, auf was man beim Kauf achten sollte.

Das Wichtigste zuerst: Alle Sonnenbrillen, die bei Bächli Bergsport erhältlich sind, schützen die empfindliche Hornhaut unserer Augen zu 100 Prozent vor UV-A, UV-B und UV-C-Strahlung – jenem energiereichsten Teil der optischen Strahlung zwischen einer Wellenlänge von 100 bis 400 Nanometern. Denn leider ist der Mensch von Natur aus nicht für schneereiche Umgebungen gemacht, in denen Reflexionen von Wasser, Eis und Schnee und die zunehmende Höhe die Strahlung zusätzlich verstärken. Schon die Inuit sägten schmale Sehschlitze in Tierknochen, um sich damit vor Schneeblindheit zu schützen. Heute bestehen Sonnenbrillen für den alpinen Einsatz nicht mehr aus Knochen, ja nicht einmal mehr aus Glas. Scheiben aus Polycarbonat haben das einst dominierende Mineralglas weitgehend abgelöst. Zwar ist Kunststoff empfindlicher gegen Kratzer und wegen der grösseren Streuung optisch nicht ganz so herausragend klar wie Mineralglas. Das deutlich geringere Gewicht und die Bruchsicherheit machen diese Mankos jedoch wieder wett. 


Stufenlos geschützt

Die wichtigste Entscheidung beim Kauf einer Sonnenbrille ist die Wahl der richtigen Schutzkategorie. Dankenswerterweise können Kunden hier besonders gut zwischen verschiedenen Herstellern vergleichen, denn in Europa schreibt die Norm ISO 12312-1:2013 eine verbindliche Klassifizierung in fünf Stufen vor (siehe Tabelle). Ausschlaggebend ist der sogenannte «Lichttransmissionsgrad», also wie viel sichtbares Licht prozentual durch die Scheiben dringt. Die Spannweite reicht dabei von «ganz leicht getönt» (Stufe 0) bis «sehr dunkel getönt» (Stufe 4). Die Antwort auf die Frage nach der richtigen Schutzkategorie liegt im geplanten Einsatzzweck. Die «hellen» Kategorien 0 und 1 beschränken sich auf den Einsatz zur Abend- und Nachtzeit, wenn etwa bei schnellen Sportarten wie Trailrunning, Biken oder Skitouren ein Schutz gegen Fahrtwind erforderlich ist. Die Stufen 2 und 3, also «mittelstarke und dunkle Tönungen», sind die Allrounder für einen typischen Wander-, Kletter- oder sonstigen Tourentag am Berg. Brillen der Stufe 4 sind für Einsätze in den besonders strahlungsintensiven Gletscherregionen vorbehalten. Mit nur noch 3 bis 8 Prozent Lichttransmission sind sie sogar so dunkel, dass sie beim Autofahren verboten sind. 

Für alle, die sich ungern festlegen wollen, gibt es ein Zauberwort: «photochromatische», also selbsttönende Gläser. Schon 1962 wurde diese Technik für Mineralgläser erfunden, inzwischen lässt sie sich auch in Polycarbonat-Scheiben anwenden. Solche selbsttönenden Gläser haben dank eingearbeiteter Moleküle die Fähigkeit, über mehrere Schutzstufen hinweg aufzuhellen oder nachzudunkeln. «Das ist einfach genial», meint auch Päivi Litmanen, die bei Bächli Berg-sport für den Einkauf von Sonnenbrillen zuständig ist. Zwar gibt es (noch) keine Gläser, die von 0 bis 4 alle Schutzstufen abdecken. Aber schon heute ist der Traum von «einer für alles» greifbar nah. «Photochromatische Brillen, die einen Bereich von Stufe 2 bis 4 abdecken, sind bei uns der absolute Bestseller», so Litmanen. Kein Wunder: Mit ihnen können Wanderer alle Touren und sogar gelegentliche Ausflüge bis ins Hochgebirge unternehmen. Und: Die Verwandlungskünstler passen sich automatisch an schlechtere Lichtverhältnisse an, wenn etwa auf Skitour ein Schattenhang befahren wird oder Bewölkung plötzlich die Sonne verdeckt. Inzwischen liest sich das wachsende Angebot photochromatischer Sonnenbrillen so breit wie die Ergebnisliste vom letzten Super-League-Spieltag: 1-3, 2-4, 2-3, 0-1. Die Technologien der führenden und bei Bächli erhältlichen Hersteller Julbo («Reactive»), Evil Eye («Vario») und Gloryfy («Transformer») unterscheiden sich dabei nur im Detail. Preisunterschiede ergeben sich vor allem dann, wenn die photochromatischen Moleküle nur als dünne Lackschicht aufgetragen oder – als langlebigere und teurere Lösung – in die gesamte Kunststoffmasse eingearbeitet werden. 

Apropos Ergebnis: Das klassische Remis, also Brillen mit einer fixen Kategorie, gibt es natürlich auch. Sie sind weniger aufwendig in der Herstellung und damit preiswerter. Und wen es nicht ins Hochgebirge zieht, der findet in einer gut sitzenden «3er»-Brille einen treuen Begleiter für viele Bergtouren. Zumal man beachten muss, dass die Selbsttönung nicht im Handumdrehen erfolgt. «Photochromatische Gläser reagieren innerhalb von 10 bis 30 Sekunden», erklärt Päivi Litmanen. Rasche Licht-Schatten-Wechsel bei Highspeed-Abfahrten kann also keine Brille ausgleichen. Auch die Umgebungstemperatur beeinflusst den Wandel: Je wärmer es ist, desto länger dauert die Anpassung der Tönung. «Auf Wander- oder Bergtouren merkt man kaum, wie sich die Brille verändert», schildert Litmanen. «Aber sie tut es. So hat man hat den ganzen Tag über die richtige Tönung. Für Bergtouren ist das perfekt.»


Mehr Sein als Schein

Ein weiterer Faktor für die Sicherheit sind polarisierende Gläser. Sie reduzieren von Wasser, Eis oder Schnee gebündelte Lichtreflexe und sorgen dafür, dass man weniger geblendet wird. Polarisierende Brillen sind bei allen Sportarten auf dem Wasser sehr angenehm, aber auch im Gletscherbereich vorteilhaft. Doch Achtung: Das Ablesen von Displays kann durch polarisierende Brillen deutlich erschwert sein, wie Litmanen erklärt: «Zwar wird das Problem mit den modernen, kontraststarken Smartphone-Displays etwas geringer. Aber es besteht weiterhin und tritt z.B. auch mit manchen LVS-Geräten auf.» Kunden sollten hier also im Zweifel im Laden ausprobieren, ob sie mit dieser Beeinträchtigung klarkommen. Übrigens: Die derzeit schwer angesagten verspiegelten Scheiben haben nichts mit der Polarisation zu tun. «Verspiegelte Gläser sind, zumindest bei Lifestyle-Brillen, eigentlich nur eine Frage des Geschmacks. Für Gletscherbrillen sind sie aber empfehlenswert, da sie noch etwas mehr Strahlung blockieren», so Litmanen. Umgekehrt verhält es sich mit eingefärbten Scheiben: Ob diese orange, braun, grau oder gelb sind, ist keineswegs nur Spielerei. «Eine graue Grundtönung gibt Farben sehr naturgetreu wieder, gelb und orange verstärken dagegen Kontraste und sind bei schlechter Sicht empfehlenswert», erklärt Litmanen. Welche Tönung welchen Effekt erzeugt, erlebt man am besten beim Vergleichstest im Laden. Überhaupt lohne sich bei Sonnenbrillen ein Ladenbesuch unbedingt: «Es gibt einfach zu viele verschiedene Modelle und Passformen», sagt Litmanen. «Und selbst eine Grössenangabe wie S, M oder L verrät mir nicht zwingend, ob die Brille auch zu meinem Gesicht passt.» Dabei ist eine perfekte Passform nicht nur Grundvoraussetzung für hohen Tragekomfort, sondern auch ein Sicherheitsmerkmal. Denn gerade auf Gletschern sollten die Augen möglichst rundum umschlossen sein, weil Schnee und Eis das Licht von allen Seiten reflektieren. Hier ist eine Vollrahmen-Brille Pflicht. Manche Hersteller bieten sogar zusätzliche seitliche Abdeckungen für ihre Gletscherbrillen an. Im Sportbereich, etwa beim Trailrunning, Langlauf oder beim Biken, geht der Trend klar zu Halbrahmen- oder gar rahmenlosen Brillen. Sie bieten eine hervorragende Rundumsicht, sind etwas leichter und auch etwas besser belüftet, was das lästige Beschlagen der Scheiben mindert. «Aber auch Vollrahmen-Brillen sind heute meist so gut belüftet und mit Anti-Fog-Beschichtungen ausgestattet, dass Beschlagen selten ein Problem ist», so Litmanen. «Ausser natürlich, man trägt eine Maske.»

Gleichwohl beschränken sich die R&D-Abteilungen der Hersteller mit ihren Forschungen nicht auf photochromatische Eigenschaften. So bieten die Firmen Julbo und Evil Eye auch optische Verglasungen mit der gewünschten Sehstärke für ihre Brillen an – oder alternativ auch kleine Bügel bzw. «Clip-Ins», mittels derer sich geschliffene Gläser in den Brillen fixieren lassen. Gloryfy hat mit seinem hochflexiblen, als «unzerbrechlich» beworbenen Rahmenmaterial die passende Lösung für alle, die wenig zimperlich mit ihrer Sonnenbrille umgehen. Und selbst die vernetzte Cyborg-Brille ist keine Zukunftsmusik mehr: Via Bluetooth zaubert die ab April bei Bächli erhältliche EVAD-1 von Julbo Daten wie Geschwindigkeit, Höhenmeter oder Puls auf das in die Sonnenbrille integrierte Head-up-Display. «Sicher keine Brille für jedermann», findet Litmanen, «aber gut und spannend für Sportverrückte, Gear-Freaks oder diejenigen, die für die Patrouille des Glaciers trainieren.»

Weitere Beiträge

Wasserdicht und atmungsaktiv? Was hinter der neuen ePE-Membran von Gore Fabrics steckt

Gut sieben Jahre nach der Ankündigung eines PFC-freien Laminats bringt Gore Fabrics seine neue ePE-Membran auf den Markt. Was steckt hinter der Neuentwicklung?

Besser biwakieren: Praktische Tipps für das Übernachten in den Bergen

Ungeplante Biwaks können der Horror sein. Umgekehrt sind geplante Biwaks nicht automatisch ein Traum – aber mit ein paar Tipps steigen die Chancen. Unser Filialleiter und erfahrener Alpinist Ralph Strahberger zeigt, worauf es beim Biwakieren ankommt.

Auf Schritt und Tritt: Was du über Wanderschuhe wissen solltest

Bei kaum einem Bergsportartikel ist die Auswahl so gross wie bei Wanderschuhen. Zur richtigen Kaufentscheidung gehören nicht nur die Passform, sondern auch das geplante Einsatzgebiet und eine ehrliche Einschätzung der eigenen Trittsicherheit.

Gut verbunden: Karabiner und Haken

Als verbindendes Element sind Karabiner im Bergsport unverzichtbar: Sie sind die entscheidende Schnittstelle zwischen Mensch, Berg und Seil. Welcher Aufwand hinter ihrer Produktion steckt und wo welche Karabinerform zum Einsatz kommt, klären wir in unserer Rubrik Expert.

«Das Erfinden steckt in unserer DNA.» – Paul Petzl im Interview

Paul Petzl ist Eigentümer und Mitbegründer des französischen Bergsportpioniers Petzl. Ein seltenes Gespräch über Aufbau und Übergabe eines Familienunternehmens – und was Paranoia und Reizwäsche damit zu tun haben.

Das Bett zum Mitnehmen – Drei Tipps für kalte Sommernächte

Wer abseits von Hütten im Gebirge nächtigt, ist auch im Sommer auf gut isolierende Ausrüstung angewiesen. Wenn diese auch noch klein verpackbar und leicht ist, steigert das den Spassfaktor ganz erheblich. Drei Tipps.

An einem Strang – Sicherungsgeräte beim Klettern

Grosse Stürze federleicht abfangen: An der (Weiter-)Entwicklung von Sicherungsgeräten arbeiten Produktingenieure seit rund drei Generationen. Dank ihrer Innovationen ist unser Sport nicht nur angenehmer, sondern vor allem sicherer geworden.

Ultraleichtes Klettermaterial: Produkte, Tipps und Grenzen

Hochtechnische Materialien und ausgeklügelte Produktionsverfahren erlauben immer leichtere Bergsportausrüstung. Auch bei Seilen, Klettergurten und Sicherungsgeräten purzeln die Pfunde. Was das fürs Klettern bedeutet, wo die Vorteile von ultraleichtem Material liegen und wo es an seine Limits kommt, zeigt dieser Beitrag.

Passende Inhalte

Kommentare

Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Kommentar schreiben