Nachdem ich 2017 am Matterhorn 4478m ebenfalls im Skyrunning Stil unterwegs war, wollte ich es mit dem Bietschhorn 3934m gleich tun. Der Berg gehörte ungefähr in die selbe Kategorie wie das Horu: 2500 Höhenmeter Anstieg ab Talboden, ausgesetzte Kletterei im 3. Schwierigkeitsgrad, stellenweise komplexe Wegfindung. Max war sofort zu haben für dieses Projekt, und so fieberten wir gespannt dem Tag X entgegen.
Anstieg Richtung Bietschhornhütte 2565m
Tour
Da der erste Zug erst um 05:50 Uhr durch den Lötschberg fuhr, mussten wir für einmal nicht so früh aus den Federn. Während wir das Lötschental hochfuhren, bekamen wir auch bald das Bietschhorn zu Gesicht. Blauer Himmel weit und breit, doch ausgerechnet das Bietschi war wolkenumhangen, super! Allerdings war es ja noch früh am Morgen, und bis wir dort oben standen, konnte sich noch viel ändern.
Das Ziel rückt in Sichtweite
Kurz nach halb sieben sind wir schliesslich in Ried Pkt. 1486m gestartet. Runter zur Lonza und über die Brücke, dann dem Wanderweg folgend hinauf zur Bietschhornhütte 2565m. Wir waren erst etwas mehr als eine Stunde unterwegs und brauchten noch keine Pause. Der Wegspur und den weissen Markierungen folgend, stiegen wir hinauf zum Bietschjoch 3174m. Nun war es an der Zeit, eine Pause einzulegen und zu verpflegen. Es war kein schlechter Ort dafür: Sonnig und warm, mit toller Sicht auf Mischabel und Weisshorn, und natürlich auch auf den Bietschhorn 3934m Westgrat. In seiner Gesamtheit eine ziemlich eindrückliche Erscheinung.
Nach dem Bietschjoch 3174m geht's über den Bietschgletscher || Bietschhorn Westgrat im Profil
Nun schritten wir über den Bietschgletscher in einem Linksbogen dem Ausläufer des Westgrates entgegen. Das ging gerade so ohne Steigeisen, allerdings könnte man auch direkt über den Schafbärg 3240m schreiten und somit kaum einen Fuss auf den Gletscher setzen. Am Einstieg des Westgrates ca. 3150m deponierten wir die Stöcke und setzen den Helm auf den Kopf, nun ging es endlich zur Sache.
Einstieg Westgrat || unübersichtliches Gratgelände
Zuerst ging es über einfaches Blockgelände hinauf zu Pkt. 3408m. Die folgenden Türme umgingen wir südseitig in der Schuttflanke und brüchigem Fels. Ab und zu sahen wir Wegspuren, so waren wir einigermassen sicher richtig zu sein. Zurück auf dem Grat standen wir vor weiteren, scharfen Türmen. Diese zu überklettern wäre eine grössere Herausforderung. Wir mussten diese umgehen. In der Südflanke sahen wir einige alte Spuren im Schnee, doch dies schien uns zu heikel. Und wir sollten Recht bekommen. Nachdem wir eine Möglichkeit in der schattigen Nordseite suchten, fanden wir tatsächlich einige Bohrhaken und Wegspuren, hier ging es weiter. Sehr unübersichtlich alles, und die Tourenführer schweigen sich aus über diesen Abschnitt.
Westgrat, mit viel Luft unter den Sohlen
Auf ca. 3500m konnten wir wieder auf den Grat aussteigen. Wir versuchten, uns diese Stelle einzuprägen. Dann kletterten wir mehr oder weniger direkt auf dem Grat dem grauen Turm entgegen. Der Fels wurde nun deutlich besser und die Kletterei schöner. Wir hielten uns mehrheitlich am Grat, ab und zu wichen wir aber erneut in die Südflanke aus (Wegspuren). Den grauen Turm erkletterten wir direkt (III), eine Umgehung rechts herum wäre ebenfalls möglich gewesen. Unterdessen begegneten wir einigen Bergführern mit ihren Gästen, dank frühem Aufbruch befanden sie sich bereits im Abstieg. Doch auch wir waren zeitlich noch voll im Fahrplan, es gab keinen Grund zur Eile. Die von uns gesetzte Zeit zur Umkehr (12:00 Uhr) würden wir problemlos unterbieten.
Der scharfe Grat nach dem roten Turm
Der Grat aus anderer Perspektive
Der ominöse Rote Turm, mit der nominellen Crux (III), war Klettergenuss pur und entgegen unserer Annahme total harmlos (der zuvor erkletterte Turm war anspruchsvoller). Die darauf folgenden Meter über den scharfen Grat und einige Türme erforderten noch einmal höchste Konzentration, dann erreichten wir bereits den Nord- oder Talgipfel. Es folgten die letzten Meter in einfacher Kletterei über den Grat bis zum Gipfelkreuz. Das war nun eine super Bergfahrt, viel besser als wir es erwartet hatten! Die im Internet kursierenden Berichte verbanden den Westgrat fast ausschliesslich mit nervigem Bruchgelände, dies konnten wir so nicht bestätigen, im Gegenteil: es war eine grossartige Tour!
Letzte Kletterstelle vor dem Nord- resp. Talgipfel || Gipfelgrat
Wir installierten uns auf diesem erhabenen Gipfel und genossen für einige Minuten die wunderbaren Aus- und Tiefblicke. Das Wetter war immer noch stabil und die Temperaturen angenehm. Daher wollten wir uns auch Zeit lassen im Abstieg. Bis oberhalb des roten Turmes kletterten wir seilfrei, aber dann waren wir uns nicht zu schade trotzdem das Seil hervorzunehmen, auch wenn die folgenden Kletterstellen nicht wirklich schwierig waren. Trotz Seil kamen wir gut und zügig voran. Die nächste Schwierigkeit bestand darin, den Einstieg auf ca. 3500m in die nordseitige Umgehung der Türme zu finden. Prompt hatten wir einen kleinen Verhauer produziert (wir kletterten zu früh in die Nordflanke hinein), und befanden uns danach sofort in ernsthaften Gelände. Immerhin bemerkten wir den Fehler bald und korrigierten den Kurs, indem wir zurück auf den Grat kletterten. Einige Meter weiter unten am Grat fanden wir dann eine Schlinge und schon bald auch einen Sauschwanz (Bh), welcher den korrekten Einstieg in die Umgehung wies. Für diesen Abschnitt im wenig vertrauenswürdigen Fels waren wir froh einige Sicherungen zwischen uns zu wissen.
(Gipfel Impressionen) Nachdem wir bei Pkt. 3408m zurück auf den Grat gelangten, verstauten wir das Klettermaterial, und machten uns an den restlichen, nun deutlich einfacheren Abstieg zurück zum Materialdepot am Fusse des Westgrates (Steinmänner). Eine Pause wollten wir aber erst auf dem Schafbärg 3240m einlegen, welchen wir nach wenigen Minuten erreichten. Noch einmal bot uns das umwölkte Bietschhorn 3934m spektakuläre Anblicke, bevor wir uns an den finalen Abstieg ins Tal machten. Noch vor der Bietschornhütte 2565m hatten wir auch den letzten Bergführer (mit immer noch angebundenem Gast..) eingesammelt. Die Hütte liessen wir erneut rechts liegen, und rannten stattdessen in einem Zug hinunter ins Tal. Was nun folgte lag ebenfalls auf der Hand: die Belohnung in Form eines kühlen Weizenbiers!
Fazit
Das prominente Bietschhorn 3934m ist ein grossartiger Berg, dessen Besteigung nur schon über den Westgrat absolut lohnenswert ist! Viel (negatives) steht geschrieben über diesen brüchigen Grat. Für den unteren Abschnitt ist das wohl zutreffend, aber der obere Gratabschnitt bietet dagegen schönsten Kletterfels und Genuss pur. Und auf die ganze Tour gesehen nimmt der Anteil in brüchigem Fels weniger als einen Viertel in Anspruch.
Der Bietschhorn 3934m Westgrat eignet sich perfekt für einen Skyrun mit minimaler Ausrüstung. Man betritt nur sehr wenig oder gar keinen Gletscher, und kann demnach auf Steigeisen und Pickel verzichten. Das technische Können vorausgesetzt lässt sich der Grat auch gut seilfrei Klettern, sogar in Turnschuhen. Allerdings sollte man sich über die Verhältnisse informieren, denn sobald noch Schnee oder Eis am Grat liegt, dann sieht die Geschichte wieder ganz anders aus.
Da wir vorgängig keine Informationen hatten, entschieden wir uns für die leichten Bergschuhe und Steigeisen, gebraucht hatten wir die Eisen allerdings nicht. Der seilfreie Aufstieg war problemlos möglich, für den Abstieg war das Seil mit einigen Zwischensicherungen angenehm.
Zeitlich würde im Aufstieg noch so einiges drinliegen, falls man dem Berg eine schnelle Begehung abringen möchte. Im Abstieg sollte man sich am Westgrat aber die nötige Zeit nehmen. Trotzdem waren wir mit 4:45 Std. base to summit, respektive 8:45 Std. für die ganze Tour, mehr als zufrieden.
Bietschhorn 3934m || Das verdiente Weizen
Facts
- Route: Ried - Nästwald - Bietschhornhütte - Bietschjoch - Bietschgletscher - Westgrat - Bietschhorn - Westgrat - Schafbärg - Bietschjoch - Bietschhornhütte - Ried.
- Distanz: 18.6km
- Höhenmeter: 2460m
- Schnittpuls: 109bpm
- Maxpuls: 137bpm
- Verpflegung: 1 Gel, 3 Energieriegel, 1 Sandwich, 1l Iso, 0.5l Wasser
- Ausrüstung: Leichte Bergschuhe und Steigeisen, Stöcke, Helm, Klettergurt, 30m Seil, einige Express und Karabiner, Abseilgerät, Bandschlingen und kurze Reepschnüre, Rettungsdecke, kleines Medipack, Fotokamera, Sonnenbrille, Sonnencrème, lange Laufhose, dünne Überhose, T-Shirt, Gore-Tex Jacke, Isolationsjacke, Armlinge, Handschuhe, Smartphone inkl Swiss Map Mobile, Kartenausdruck, Suunto 9.
- Terrain: 50% Berg- und Wanderwege, 50% weglos (oder alpine Routen).
Die Schwierigkeiten (Ergänzungen zum Hochtouren Topoführer Berner Alpen, 3. Auflage 2016)
Zwischen Pkt. 3408m und 3500m: Die ersten Türme können südseitig durch die Schuttflanke und brüchigen Fels umgangen werden (vereinzelte Wegspuren), bis man zurück auf den Grat gelangt. Die folgenden, scharfen Türme werden dann nordseitig im Bruchfels umgangen (Wegspuren, einige Bh und Sauschwänze). Ausstieg auf den Grat auf 3500m.
- Einfacher wäre es südseitig, allerdings nur bei guter Firnauflage, bei Ausaperung heikel und gefährlich!
- Bis zum grauen Turm auf dem Grat bleiben oder ab und zu in die Südseite ausweichen (Wegspuren).
- Die Nadel (grauer Turm?) direkt erklettert (III, 1 Bh), kann rechts (S) umgangen werden (brüchig).
- Roter Turm super Fels und eher gutmütig zum Klettern (III, Bh).
- Nach dem roten Turm bis zum Talgipfel ziemlich scharf und exponiert, Kletterstellen II, einige Bh vorhanden.
Die Zeiten
- Start Ried Pkt. 1486m um 06:37 Uhr. - Zwischenzeit Bietschjoch Pkt. 3173m um 08:32 Uhr.
- Zwischenzeit Einstieg Westgrat 3150m um 09:04 Uhr. - Ankunft Bietschhorn 3934m um 11:19 Uhr.
- Start Bietschhorn 3934m um 11:33 Uhr.
- Zwischenzeit Einstieg Westgrat 3150m um 13:39 Uhr.
- Ankunft Schafbärg 3239m um 13:55 Uhr.
- Start Schafbärg 3239m um 14:10 Uhr.
- Ankunft Ried Pkt. 1486m um 15:23 Uhr. (68min von Bietschjoch bis ins Tal)
- Total mit Pausen: 8:46 Std.
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