Der Reiz über oder entlang von Graten zu joggen liegt sicher in der 360-Grad-Aussicht und der Möglichkeit, viele verschiedene Gipfel miteinander zu kombinieren. Es bedeutet aber gleichzeitig auch, oftmals lange fern jeder Wasserquelle zu sein, längere Distanzen zu bewältigen und sich zum Teil in exponiertem Gelände mit Absturzgefahr zu bewegen: Know before you go.
Über all diese Faktoren solltet ihr euch im Vorhinein Gedanken zu machen und dementsprechend Ausrüstung, Verpflegung und die Startzeit festzulegen. Zu guter Letzt sollte das Wetter genau studiert werden und etwaige Notabstiege am Grat ausfindig gemacht werden. Ein Grat ist ein ungünstiger Ort, einem Gewitter zu begegnen, das dürfte unbestritten sein.
Ausrüstung
Für längere Grattouren empfehle ich Schuhe mit etwas dickerer Sohle und einem ordentlichen Sohlenprofil, um bei technischeren Trails nicht die Bodenhaftung zu verlieren.
Je nach Wetter und Jahreszeit packe ich neben einer kurzen Hose immer eine regen- und winddichte Hose und Jacke in den Rucksack. Zusätzlich Armlinge und frische Socken, sowie ein T-Shirt für das Ende des Laufs. Ersatzkleider und den Rest verstaue ich in einem wasserdichten Beutel, damit alles trocken bleibt. Bei Altschneefeldern im Frühjahr macht es Sinn, allenfalls Grödel und einen Leichtpickel mitzunehmen. Auch Stöcke gehören für mich mit auf den Lauf, denn gerade wenn es schmal oder steil wird, bieten diese zusätzliche Sicherheit und entlasten die Beine.
Alles findet in einem Trailrunning-Rucksack Platz, je nach Präferenz empfehle ich hier ein Modell zwischen acht und zwölf Litern Volumen.
Die Verpflegung ist persönliche Präferenz. Ich habe gute Erfahrungen mit isotonischen Getränken in Form von Pulver und Tabletten gemacht. Als Nahrung nehme ich in der Regel Clifbar-Riegel. Ist es sehr heiss packe ich eine bis zwei Salztabletten ein. Für einen Lauf zwischen 15 und 20 20 Kilometern nehme ich mindestens 1,5 Liter Wasser mit. Dies ist nur ein Richtwert und muss individuell entschieden werden. Auch macht es auf längeren Läufen Sinn, gegebenenfalls einen kleinen Filter von Katadyn mitzunehmen, um unterwegs an jedem Bergbach Wasser nachfüllen zu können. Das Ziel ist es, circa alle 20 Minuten einen kleinen Schluck zu trinken und alle 1 bis 1,5 Stunden ein wenig Nahrung zu sich zunehmen.
Tourenvorschläge
Pilatus via Eigenthal, Widderfeld und Tomlishorn:
Von Luzern mit dem Bus bis ins Eigenthal. Dort geht es zunächst dem Wanderweg entlang der Rümlig bis man den Bach bei p1095 überquert und von dort der Beschilderung weiter hinauf Richtung Alp Feld. Bei p1702 folgen wir der Beschildung Widderfeld und über einen schönen Trail erreichen wir den Gipfel des Widderfelds auf 2078m. Vom Gipfel steigen wir circa 150 Höhenmeter ab und folgen dem beschilderten Weg Richtung Pilatus. In der Nordflanke helfen Ketten, die steilen Abschnitte sicher zu überwinden. Vor allem im Frühjahr sind hier lange Altschneefelder zu finden.
Nach der Umrundung des Widderfelds zieht der wunderschöne Trail hinauf zum Gämsmätteli (2051m) und gibt den Blick frei zum Endziel, dem Pilatus. Der Abstieg vom Gemsmätteli ist schmal und die Kette nimmt man dankend zur Hilfe. Immer knapp unterhalb der Gratschneide zieht der weitere Weg hinauf zum Tomlishorn und wer hier auf leisen Sohlen schleicht, hat gute Chancen, den ein oder anderen Steinbock zu beobachten. Bald erreicht man das Tomlishorn und damit den höchsten Punkt des Pilatusmassivs. Je nach Tageszeit wird man hier nicht alleine sein, doch der weitere Weg zum Pilatus ist teilweise geteert und die kalte Cola nicht mehr weit.
Hinab geht es entweder per Bahn (CHF 38 einfach / CHF 18 mit Halbtax) oder per pedes dem markierten Wanderweg runter nach Kriens.
Brisengrat, von Seelisberg nach Wolfenschiessen
Weniger bekannt als der populäre Hardergrat sind die Blicke auf dieser Tour nicht weniger spektakulär.
Nebst von der kleinen Bahn Alp Weid aus kann die Tour auch von der Bergstation Niederbauen gestartet werden. Auf markiertem Wanderweg geht es zunächst zum Oberbauenstock, wobei beim Starpunkt Alp Weid quasi der Niederbauen mitgenommen wird (kurzer Umweg, 10 Minuten, 70 Höhenmeter). Der blau-weiss-markierte Wanderweg zum Oberbauen (T4) ist zuletzt steil, Ketten helfen auf den letzten Metern zum Grat hinauf. Der Weg zum Gipfel des Oberbauens ist abschüssig und nur zum Teil mit Ketten gesichert.
Vor allem bei Nässe gilt hier vorsichtiges Steigen. Vom Oberbauenstock folgen wir dem wunderschönen Trail Richtung Schwalmis. Die Ausblicke hinüber ins Isental und über den Vierwaldstättersee rechterhand müssen sich definitiv nicht vor dem Hardergrat verstecken. Nach dem Schwalmis gibt es die Möglichkeit, zur Klewenalp abzusteigen. Wer das volle Programm möchte, folgt dem Weg zum Risettenstock und geht von dort weiter der Gratschneide entlang zum höchsten Punkt, dem Brisen mit 2404m. Von dort entweder weiter bis zur Bahn Bründlen oder hinab nach Niderrickenbach und mit der Gondel ins Tal.
- Circa 25km, 2500hm, T4 für die volle Gratlänge ab Alp Weid
- GPS-Datei
Hardergrat
Wohl eine der bekanntesten Gratlinien in der Schweiz und das aus gutem Grund. Wer die ganze Strecke in Angriff nimmt, sollte einiges an Kondition mitbringen. Die Belohnung sind traumhafte Ausblicke, tolle Trails und mit etwas Glück ein Meet-and-Greet mit der lokalen Steinbockgesellschaft.
Gestartet werden kann entweder in Interlaken (Ost) oder am Brünigpass. Von Interlaken gilt es mehr Höhenmeter, vom Brünig mehr Tiefenmeter zu absolvieren. Wer möchte, kann die Tour auch auf zwei Tage aufteilen und am Brienzer Rothorn nächtigen.
Der technischste Abschnitt ist der Aufstieg zum Tannhorn vom Brienzer Rothorn kommend. Ansonsten erwarten euch teils steile Grasflanken mit klar erkennbarem Weg, insgesamt wird der Gat aufgrund des Anstieges zum Tannhorn mit T5 bewertet. Egal ob als Trailrun oder als Wanderung, der Hardergrat ist eine unbedingte Empfehlung. Die Tour kann auch ab der Bergstation Brienzer Rothorn begonnen werden und verkürzt sich so auf circa 20 Kilometer und 1500 Höhenmeter bis zum Harder Kulm.
- 32km, 2900hm ab Brünig, 3500hm bei Start ab Interlaken, T5
- GPS-Datei
Über den Autor
Maximilian Gierl, gebürtig aus Deutschland ist hauptberuflich als Arzt in der Schweiz tätig. Er besitzt das international Diploma of Mountain Medicine und hat mit Ausbildungen in diversen Fachbereichen den Titel „Praktischer Arzt“ inne. In der Freizeit ist er mehr als 200 Tage in den Bergen unterwegs, sei es zu Fuss, am Fels oder auf Ski. Neben diversen 4000ern in den Alpen hat er auch in Nepal Höhenluft geschnuppert und berichtet über Touren und Know-How in Wort und Bild auf dem Bächli-Bergsport Blog sowie seiner Website.
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