Schon im Alter von 14 Jahren wusste Adrian Ruhstaller genau, was er will: eine eigene Sportkollektion. Damals absolvierte er eine Schnupperlehre bei einem Modeunternehmen und begeisterte sich fortan für Design. Wenn man heute mit ihm spricht, sprüht der 49-Jährige immer noch vor Begeisterung für sein Unternehmen. «Radys ist ganz klar mein Baby», sagt Ruhstaller, und das mittlerweile schon seit knapp 20 Jahren. Seine Verbundenheit merkt man auch am Namen: Radys ist eine Kombination aus dem Anfangsbuchstaben seines Nachnamens und seinem Spitznamen: Ady. «Ich bin extrem dankbar, dass ich die Zeit aus Höhen und Tiefen erleben konnte», sagt er. Und Radys gewinnt immer mehr an Flughöhe. Allein im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen seinen Umsatz verdoppeln.
Auf dem Schweizer Outdoormarkt stellt Radys eine feste Grösse dar. Die Marke setzt auf ein perfekt aufeinander abgestimmtes Fünf-Lagen-System. R1 ist dabei die wetter- und winddichte Aussenschicht, R5 sind die funktionellen Baselayer, dazwischen reihen sich Softshell- und Isolationsschichten ein. «Unsere Kollektion ist relativ reduziert, trotzdem wollen wir damit die wichtigsten Bergsportarten abdecken», sagt Ruhstaller. «Essential Mountain Wear» eben, so wie es der Claim der Marke beschwört. Reduktion findet sich auch in der Produktionstechnik, weil Radys seit 2010 70 Prozent der Bekleidung mit der Bondingtechnologie herstellt, bei der mit Laser und Hochfrequenz Teile wasserdicht verschweisst werden. Das garantiert leichte, flache und elastische Nahtverbindungen ohne einen einzigen Nadelstich.
Firmengründung: Bereit für ein Experiment
Eine durchdachte Outdoorkollektion mit cleanem Design und gedeckten Farben, genau das war auch die Idee vor 19 Jahren, als der damals 30-jährige Ruhstaller «sein Rüstzeug» zusammen hatte, wie er es nennt. Nach seinem Studium arbeitete er in vier Unternehmen im Mode- und Outdoorbereich wie C&A und Mammut. Er lernte von Design über Beschaffung bis hin zu Unternehmensführung alles, was für eine Gründung notwendig war. Ruhstaller war bereit für ein Experiment. Würde er es schaffen, innerhalb eines Jahres genügend Kunden von seiner Musterkollektion zu überzeugen? Das war für ihn die Bedingung, um das Wagnis des eigenen Unternehmens einzugehen. Es klappte.
Heute besteht Radys aus einer AG, die sich vorrangig um die Entwicklung und das Marketing kümmert. Der Vertrieb wird über die Firma Catrade in Büron, Kanton Luzern, organisiert, von wo drei Aussendienst-Mitarbeiter unterwegs sind und weitere Dienstleistungen in den Bereichen Back Office, Logistik und Buchhaltung erbracht werden. «Diese schlanke Struktur hilft mir, dass ich selbst am Produkt weiterarbeiten kann, ohne mich zu sehr mit dem operativen Geschäft beschäftigen zu müssen», erklärt Ruhstaller. Nicht erst durch Corona arbeitet das Team viel im Homeoffice. «Im Grunde sind wir ein loses Netzwerk von sehr guten Leuten, die mit hoher Effizienz eine Kollektion zusammenstellen», fasst er zusammen.
Im September vergangenen Jahres stand schliesslich ein Relaunch bei Radys an: Der Auftritt der Marke sei nun «erwachsener als zuvor», findet der Radys-Chef. Das neue Logo soll den Fokus der Marke auf das Multilayering-System unterstreichen, der umgestaltete und wiedereröffnete Flagship-Store in Solothurn mehr Nähe zum Kunden schaffen. «Sie können vorbeikommen und die Kollektion genau studieren», sagt der Radys-Chef. Das kommt gut an. Die Hauptzielgruppe ist zwischen 25 bis 50 Jahre alt, aber auch junggebliebene, sportliche Senioren greifen auf Radys zurück. Interessant ist auch die Geschlechteraufteilung, denn der Umsatz mit Frauen beträgt 53 Prozent, ist also etwas höher als der mit Männern.
Meilensteine
- 2003: Adrian Ruhstaller gründet Radys in Lachen, Kanton Schwyz, mit zwanzig «Outdoor Essentials».
- 2010: Weltweit erste «gebondete» Kollektion. 2/3 der Styles sind noch heute mit R’Sonic Bonding Technologie verarbeitet.
- 2014: Die komplette Kollektion wird PFC-frei.
- 2017: Die Marke Radys wird in die Catrade AG in Büron, Kanton Luzern, integriert.
- 2020: Die Radys AG wird neu gegründet, u. a. mit Hauptaktionär Philipp Knecht.
- 2021: Es erfolgt ein Brand Relaunch und die Reduktion auf das Modular Layering System (R1 – R5).
- 2022: Ein Prozent des Umsatzes fliesst künftig in Nachhaltigkeitsprojekte (z. B. Begleitung zur Klimaneutralität von 30 Handelspartnern).
Ein Unternehmen komplett in Schweizer Hand
Das Rebranding sei ein bewusster Schritt gewesen, nachdem sich das Unternehmen vor zweieinhalb Jahren organisatorisch neu aufgestellt hat. Radys gehörte drei Jahre lang zum Schweizer Distributor Catrade, um sich finanziell zu festigen. Als es der Marke wieder besser ging, entschied man, das Unternehmen wieder auf eigene Beine zu stellen. Ruhstaller wurde wieder Teilhaber und Geschäftsführer. Aktuell teilen sich fünf Unternehmer aus der Schweizer Sportbranche die Teilhabe an Radys. «Damit sind wir eine der letzten Schweizer Bergsportmarken, die noch komplett in Schweizer Hand ist», freut er sich.
Und das Ergebnis des Rebrandings? «In diesem aktuellen Geschäftsjahr ist unser Umsatz mit vier Millionen doppelt so hoch wie im letzten Jahr», sagt Ruhstaller. Viel schneller könne man fast nicht wachsen. Das Ziel ist es nun, den Umsatz in der Schweiz weiter auszubauen, geplant seien sechs Millionen. Daran anknüpfend ist der Schritt ins Ausland geplant. Aktuell verkauft Radys fast ausschliesslich in der Schweiz über ein grosses Fachhändlernetz, 135 an der Zahl. Der eigene Online-Umsatz ist relativ marginal. «Natürlich haben wir den starken Umsatzanstieg auch unseren Fachhändlern zu verdanken, die sehr gut gearbeitet haben», lobt der Radys-Chef. Auch in der Zusammenarbeit im Vertrieb beschreitet die Marke ganz eigene Wege. Mit einer Gruppe von 30 Fachhändlern hat Radys ein neues Vertriebskonzept erarbeitet: Die Händler dürfen schon sehr früh in die Kollektion hineinschauen, also noch in den Skizzenphasen ihre Meinungen unterbreiten und Vorschläge machen. Das baue gegenseitiges Vertrauen auf und fördere auch den Mut, sehr früh zu bestellen. Somit wissen die Mitarbeiter im Einkauf von Radys sehr bald, was sie alles benötigen. Das Ergebnis: Die Abverkauf-Quote ist besser, es muss weniger Ware reduziert werden und es stapelt sich weniger Bekleidung im Lager. «Die Kennzahlen verbessern sich extrem», folgert Ruhstaller zufrieden.
Ein solches Konzept ist aber natürlich nur so gut wie auch die Marke und die Produkte, die dahinterstecken. Und da setzt Radys nicht nur auf Qualität und ein durchdachtes Layeringkonzept. Auch Nachhaltigkeit ist ein grosses Thema bei dem Schweizer Unternehmen. So fliesst ein Prozent des Umsatzes in eine Art Strukturfonds, der die 30 Partnerhändler dabei unterstützt, klimaneutral zu werden. Bei der Produktion setzt Radys auf kurze Wege und fördert das vertikale Arbeiten. Das bedeutet, dass Stoffe und Produkte am gleichen Ort finalisiert werden, wie zum Beispiel die Radys Merinostyles, bei denen der Produzent in Litauen den Stoff und das Produkt herstellt.
Qualität und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt
2015 stellte Radys zudem als erstes Outdoorunternehmen auf eine komplett PFC-freie Produktion um. «Das machen wir nicht, um unsere Marke zu promoten, wir wollen eine Vorbildwirkung haben und andere dazu ermutigen, uns zu folgen», sagt der Radys-Chef und wünscht sich ein Umdenken in seiner Branche. Zudem setzt Radys überall dort auf recycelte Stoffe in der Produktion, wo das Unternehmen die Möglichkeit hat. «Als Schweizer Marke mit Schweizer Headoffice können wir mit grossen Unternehmen im Preiskampf nur schwer mithalten. Vielmehr stehen Qualität und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt», erläutert er die Positionierung des Unternehmens.
«Im Fachhandel sind wir daher sehr gut aufgehoben», sagt Ruhstaller. Die Partner könnten gut vermitteln, was die Marke im Kern ausmache: Radys will den bestmöglichen Komfort für draussen entwickeln. Auch Adrian Ruhstaller selbst setzt auf seine Produkte. Früher betrieb er vor allem Ausdauersport wie Laufen, Duathlon und Langlauf auf einem hohen Leistungsniveau. In den letzten Jahren habe er sich in Richtung Skitouren und Bergsteigen entwickelt. «Ich geniesse es, mit meinen Produkten draussen unterwegs zu sein», sagt er. Das liebe er auch an seinem Job: «Ich arbeite viel, stecke viel von mir selbst hinein, aber am Ende kommt etwas Handfestes heraus: Produkte für besondere Momente in den Bergen».
Fotos © zvg
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