Der Auslöser für dieses Projekt war die Geschichte einer Seilschaft die vermutlich die erste Winterbegehung von der nördliche Ostwandrippe kletterte. Das liegt nun schon einige Jahrzehnte zurück, doch die eindrückliche Geschichte blieb. Am ersten Tag seien sie gut vorangekommen und haben hoch oben unter dem grauen Turm biwakiert. Doch dann schlug das Wetter in der Nacht um und sie wurden von einem Schneesturm überrascht. Ein Rückzug gestaltete sich als unmöglich, so blieb nur die Flucht nach vorne über den Gipfel. Für diese letzten 400 Höhenmeter benötigten sie über 12 Stunden und schafften es anschliessend nur knapp in die Finsteraarhornhütte, die sie vor dem Erschöpfungstod bewahrte.
Mit dieser Geschichte im Hinterkopf begannen Jonas Schild und ich, dieses Unterfangen zu planen. Nach langem hin und her entschieden wir uns für den Weg über die Schreckhornhütte. Diese kann im Winter relativ einfach von der Station Eismeer mit den Skis erreicht werden. Wir starteten sehr früh von der Hütte und suchten uns einen Weg durch die Gletscherabbrüche zum Wandfuss, wo wir unser Skidepot einrichteten. Die ersten paar hundert Höhenmeter bringen wir spielend hinter uns. Die Wegfindung ist spannend, aber nicht fordernd. Wir halten uns an die Rippe und umgehen immer wieder senkrechte Aufschwünge. Wir versuchen, möglichst effizient zu klettern, denn die Tage im Winter sind sehr kurz und wir möchten das Tageslicht möglichst gut ausnützen.
Graue Türme
Immer wieder haben wir das Gefühl, dass wir nun bei der vermeintlich ersten Schlüsselseillänge, dem grauen Turm, vorbei sind, aber es kam immer wieder erneut ein grauer Turm. Wir hatten zur Sicherheit Biwakmaterial dabei, aber wir tendierten beide auf eine Tagesbegehung. Wenn man schon eine Eiger Nordwand in wenigen Stunden hochkommt, dann sollte man hier auch innerhalb eines Tages durchkommen. Dies war jedoch etwas ein Irrglaube. Hier am Finsteraarhorn hat es keine Fixseile und auch keine Schlaghaken. Alle Standplätze und Zwischensicherungen müssen selber angebracht werden und dafür benötigt man Zeit. Als wir 400m unter dem Gipfel erneut auf einen grauen Turm stiessen, wussten wir beide ganz genau, dass dies nun die erste Schlüsselstelle sein musste. Die Umgehungsvarianten sahen beide nicht einladend aus. Rechts eine feine Rampe mit losen Blöcken, Links eine seichte, aber steile Rinne. Wir entschieden uns für die Rinne. Diese gab sich dann doch etwas zahmer als erwartet. Noch immer ist es hell und wir versuchten den Gipfel zu erreichen, doch plötzlich wurden wir erneut ausgebremst, denn das Gelände war schwieriger als gedacht. Nach einer langen und nervenaufreibenden Seillänge mit viel Putzarbeit begann es langsam zu dämmern. Das Gelände war steil und nirgends hatte es einen geeigneten Biwakplatz. Auf einen Kampf in der Nacht hatten wir beide keine Lust und so fixierten wir unser Seil und liessen uns 60 Meter ab zu einem kleinen Schneefeld, wo wir zwei Plattformen stampften und die Nacht verbrachten.
Gipfel in Sicht
Am nächsten Morgen wurden wir von einem bezaubernden Sonnenaufgang geweckt. Wir schmelzten etwas Schnee und machten uns ohne ein Frühstück auf den Weg. Es dauerte etwas, bis wir wieder in die Gänge kamen. Noch etwas steif von der kalten Nacht stiegen wir am fixierten Seil hoch und kletterten weiter. Die Seillängen, die wir machten, wurden immer kürzer. Das Gelände ist fordernd und das Anbringen von Zwischensicherungen im etwas brüchiger Fels nicht immer ganz einfach. Man sieht bereits den Gipfelgrat, doch so nah wie er scheint, so langsam kamen wir ihm näher. Kurz nach dem Mittag standen wir dann endlich auf dem Gipfel und gaben uns einen Handschlag. Der kalte Wind lud nicht zum Verweilen ein und so schauten wir, dass wir möglichst schnell zurück zu unseren Skis kommen. Der Abstieg über das Agassizjoch gestaltete sich dann einfacher als erwartet. Ohne nennenswerte Schwierigkeiten erreichten wir unser Depot und fuhren zurück zur Schreckhornhütte, wo wir auf die Begehung anstossen konnten und den Komfort einer Matratze und eines Dachs über dem Kopf genossen.
Die nördliche Ostwandrippe am Finsteraarhorn ist bestimmt eine grosse und wilde Tour im Berner Oberland. Der Fels ist nicht durchgehend kompakt und macht das Ganze noch abenteuerlicher. Bis auf einen einzigen Schlaghaken haben wir kein Material in der Wand gefunden. Die Begehung der Wand im Winter ist bestimmt etwas anspruchsvoller, doch von einer Begehung im Hochsommer rate ich eher ab.
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