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Die mit dem Rollmops-Fuchs

Günter Kast, Dienstag, 26. Mai 2020

Der schwedische Outdoor-Spezialist Fjällräven vermeidet es konsequent, schnelllebigen Trends hinterherzulaufen – und fährt damit seit Jahrzehnten sehr gut.

Der schwedische Outdoor-Spezialist Fjällräven vermeidet es konsequent, schnelllebigen Trends hinterherzulaufen – und fährt damit seit Jahrzehnten sehr gut.

Man schreibt das Jahr 1950. Åke Nordin aus dem nordschwedischen Dorf Örnsköldsvik ist 14 Jahre alt, als er mal wieder zu einer ausgedehnten Wanderung in seine geliebte Wildnis aufbricht. Doch ein unförmiger Rucksack verleidet ihm den Naturgenuss. Er drückt. Er zieht. Åke bricht die Tour ab und verbarrikadiert sich im Keller seiner Eltern. Als er wieder ans Tageslicht kommt, präsentiert er einen selbst gebastelten Rucksack mit einem Holzrahmen, der das Gewicht gleichmässiger über Rücken und Schultern verteilt. Später tauscht er das Holz gegen leichteres Alu. Seine Erfindung ist im besten Wortsinn belastbar und tragbar. Sie bringt nicht nur Åke den Spass am «Friluftsliv», am Outdoor-Leben zurück. Auch andere wollen so einen Rucksack haben. 1960 macht der junge Tüftler aus dem Hobby ein Geschäft und gründet die Firma Fjällräven – so heisst auf Schwedisch der Polarfuchs. Er ist Åkes Lieblingstier: schlau (wie er selbst) und perfekt angepasst an das raue Klima des Nordens (wie seine Rucksäcke).


G wie Grönland

Der Gründer gibt sich nicht damit zufrieden, Rucksäcke zu revolutionieren. Als nächstes nimmt er sich Zelte vor. Handelsübliche Modelle sind noch aus Baumwolle. Bei Regen werden sie nass und schwer. Bei den ersten – leichteren – Synthetik-Zelten tropft wiederum Kondenswasser in die gute Stube. Åke muss mal wieder in den Keller: Wie geht trocken und leicht? Er findet die Lösung in Doppelwandzelten: Eine wasserfeste Aussenhülle schützt vor den Elementen, ein atmungsaktives Innenzelt leitet die Feuchtigkeit an die Aussenwand, wo sich das Wasser sammelt, abläuft und wegtrocknet. Dank neuartiger Stoffe sind seine Outdoor-Wohnungen trotzdem noch leichtgewichtig. Åke Nordin wird später sagen: «Die beste Idee, die ich je hatte!»


Als nächstes sind die Hosen dran. Mister Polarfuchs setzt auf ein Mischgewebe, um die Vorteile von Polyester (schnell trocknend) und Baumwolle (gutes Tragegefühl) zu kombinieren. Als er den richtigen Stoff gefunden hat, zeichnet er darauf die Umrisse seiner alten Hose und Jacke und beginnt zu schnipseln. Danach macht er die Teile wasser- und winddicht, indem er Ski- und Bienenwachs aufbügelt. Gleichzeitig schützt das robuste Material vor Mücken und UV-Strahlen. Åke nennt den Stoff G-1000. Das «G» steht für die schwedische Grönlandexpedition von 1966, die damals mit seiner Ausrüstung erfolgreich das Inlandseis überquerte. G-1000 gibt es übrigens heute noch, mehr als 50 Jahre später. Überhaupt ist die Firma ein Vorbild in Sachen Beständigkeit. «Bei unseren Kunden kommt gut an, dass Fjällräven nicht jedem schnelllebigen Trend hinterherläuft», sagt Alex Gamper von der Bus Sport AG in Buchs (GR), dem Vertriebspartner in der Schweiz. «Schneller, weiter, höher war noch nie unser Credo – und das wird auch so bleiben.»

Königlicher Kult

Mit dieser Strategie gelingt es Fjällräven stets aufs Neue, eine weltweite Fangemeinde zu begeistern. Die Marke mit dem minimalistischen, zusammengerollten Polarfuchs als Logo wird Schwedens bekanntester Outdoor-Hersteller. Sie richtet die Kult-Events «Classic» und «Polar» mit Tausenden begeisterter Teilnehmer aus. Sie wird Hoflieferant des schwedischen Königshauses. Åke Nordin wird 2007, sechs Jahre vor seinem Tod, auf der der weltgrössten Sportartikelmesse ISPO sogar zur «Outdoor Celebrity of the Year» gekürt. Der Senior pflegte stets zu sagen: «Wir sind seit Dekaden auf Wanderschaft. Ich hoffe, dass wir niemals ankommen werden.» Nun lenkt Sohn Martin die Geschicke der Firma, die Teil der Fenix Outdoor Group ist, an der die Nordins die Mehrheit halten. Zum Verbund gehören Marken wie Tierra, Primus, Hanwag, Brunton, Royal Robbins, Naturkompaniet, Friluftsland, Partioaitta und Globetrotter.


Fjällräven ist zwar dafür bekannt, robuste Ausrüstung ohne Schnickschnack herzustellen. Dennoch hat es die Marke geschafft, auch bei der jungen Generation Kultstatus zu erlangen. Das Symbol dafür ist der Kånken-Rucksack. Er hatte 1978 als preiswerter Schulranzen Premiere. Bereits im zweiten Jahr wurden 30.000 Stück verkauft, Millionen sind es bis heute. Der Kånken ist längst ein Mode-Statement, ein urbanes Lifestyle-Produkt in Bonbonfarben, das für ein romantisches Lebensgefühl ebenso steht wie für modernes, schwedisches Design und unaufgeregte Funktionalität. Auch andere Produkte haben sich an die Stadt herangepirscht. Sie koexistieren völlig problemlos mit den robusten Hosen aus G-1000, die all jene tragen, die beim «Fjällräven Classic» 110 Kilometer über den legendären Kungsleden trekken und trotz Blasen an den Füssen und 20 Kilo auf dem Buckel bester Laune sind.

Egal ob urbane Trendsetter oder kernige Trekker – sie alle legen auf nachhaltig produzierte Ausrüstung Wert. Fjällräven will diesem Anspruch gerecht werden, indem es möglichst viele natürliche Grundstoffe verwendet und bei der Herstellung möglichst wenig Chemie einsetzt. Die recycelte Re-Wool-Kollektion (Taschen und Rucksäcke) verbraucht deutlich weniger Energie und schont die Ressourcen. Auch die «Greenland»-Serie setzt auf wiederverwertbare Wolle. Diese stammt meist aus alter Kleidung oder Restwolle aus der Industrie. Sie wird nach Farbe sortiert, zerkleinert und dann in Italien zu neuen Garnen für Fjällräven gesponnen. Für Nachhaltigkeits-Managerin Christiane Dolva Törnberg ist das nur einer von vielen Schritten in die richtige Richtung: «Wir begreifen das Thema nicht als eigenständiges Projekt. Nachhaltigkeit ist die Grundlage für alles, was wir tun.»

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