Marco, warum brauchte es dieses Buch? Gibt es nicht schon viele zum Thema Bergwandern?
In den Buchhandlungen gibt es sehr viele Wanderführer, in denen man Routenempfehlungen findet. Aber ein Buch zur Vorbereitung und Technik, dem «wie», findet man nicht. Das war eine Lücke in der Schweiz. Seit Jahren haben Verbände und Organisationen zudem das Bedürfnis gehabt, eine einheitliche Basis für ihre Ausbildung zu haben. So haben sich dann der SAC, der Schweizer Bergführerverband, die Naturfreunde, die Beratungsstelle für Unfallverhütung, die Schweizer Wanderwege, die Alpine Rettung Schweiz und das Bundesamt für Sport zusammengeschlossen und das Buchprojekt "Bergwandern / Alpinwandern" ins Leben gerufen. Ich bin dann angefragt worden und habe mit 4 anderen Co-Autoren das Buch als Gemeinschaftsarbeit geschrieben. Wir hoffen, dass es Denkanstösse liefert und hilft, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Und schlussendlich auch, dass es hilft Unfälle zu vermeiden – das ist das erklärte Ziel.
Es werden viele Themen behandelt: Wetter, Gefahren, Training, Ausrüstung, Seiltechnik, Konfliktsituationen… Warum haben es manche in’s Buch geschafft und andere nicht?
Das Buch ist zur Stoffvermittlung konzipiert, so dass man es in Ausbildungen nutzen kann. Zum Beispiel in Kursen von Verbänden oder SAC Sektionen, aber auch privat. Hier haben wir in der Fachgruppe diskutiert, was unbedingt rein muss und in welcher Tiefe. Ob wir bei allen Themen die richtige Flughöhe gefunden haben müssen am Ende die Leserinnen und Leser entscheiden.
Einzelne Aspekte, wie zum Beispiel wandern mit Hund, haben wir aufgenommen, weil eine unserer Autorinnen sehr viel Erfahrung in dem Bereich hat. Wenn schon eine Spezialistin im Team ist, dann möchten wir ihre Praxistipps aus erster Hand teilen. Wer sich dafür nicht interessiert, kann einfach weiterblättern.
Was wir nicht drin haben sind didaktische Hinweise, da das oft Ansichtssache ist und stets stark vom Lernpublikum abhängt.
Die Wanderskala ist überarbeitet worden, daran hast du massgeblich mitgearbeitet. Warum war das nötig - und was hat sich verändert?
Die Skala ist vor gut 20 Jahren entstanden, das habe ich damals angeregt und sie mitentwickelt. Vor 10 Jahren hat es eine erste grössere Revision gegeben. Nach 20 Jahren Erfahrung mit der Wanderskala können wir eine Zwischenbilanz ziehen – wie hat sich die Skala bewährt? Was von dem, was ursprünglich drin war ist noch relevant? Was fehlt? Zum Teil haben sich Sachen in der Praxis auch anders entwickelt als ursprünglich in der Theorie angenommen. Also wir haben die Qualität angepasst und uns darauf fokussiert, nur noch das Wesentliche in der Skala drin zu haben und den Rest auszulagern. Wir haben gemerkt, dass es in gewissen Fällen Interpretationsschwierigkeiten gibt. Darum haben wir einen Feinschliff gemacht.
Zum Beispiel gibt es neu keine Bezeichnungen mehr, sondern nur noch T1, T2, T3.. Wie beim Klettern: Da sagt man 6b, und nicht «6b halb extremschwieriges Klettern minus». Dafür gibt es neu ein grafisches Element, das zeigt, wo sich die Skala situiert im Vergleich zu den offiziellen Wanderweg-Markierungen. Zudem haben wir die Definitionen etwas gestrafft und strukturiert und immer die gleiche Reihenfolge etabliert von den einzelnen Punkten. Die Ausrüstung haben wir ganz rausgenommen. Die Skala ist nun stringenter, kompakter, weniger ausufernd. Dafür haben wir sie mit Erläuterungen ergänzt.
Die neue Wanderskala ist unten abgebildet und kann hier aufgerufen und abgespeichert werden.
Inwieweit haben auch die Themen Klimaerwärmung und Digitalisierung eine Rolle beim Buch gespielt?
Das Thema Klimawandel ist präsent, auch beim Thema Wandern. Vielleicht noch nicht ganz so ausgeprägt wie beim Thema Hochtouren. Sobald man in etwas höhere Lagen geht muss man sich damit beschäftigen. Die Gletscher gehen zurück, das Gelände wird instabiler, an gewissen Orten ist die Gefahr von Steinschlag gestiegen. Zudem verlängert sich durch den Temperaturanstieg die Wandersaison. Zum Teil kann man im Wallis und Tessin, also den klimatisch begünstigteren Orten, ganzjährig Alpinwandern - weil einfach kein Schnee liegt. Es ist jedoch nicht das Gleiche wie im Sommer – es kann zB Eis auf dem Weg haben und die Tage sind viel kürzer. Wir müssen unser Verhalten daran anpassen.
Was die Digitalisierung betrifft – es hat Vor- und einen Nachteile. Man kann Karten auf dem Smartphone dabei haben, und solange das Gerät funktioniert ist das sehr hilfreich. Digitalisierung kann aber auch bedeuten, dass man Routen-Informationen von Endnutzern im Netz findet – mit teils sehr unterschiedlichen, subjektiven Einschätzungen. Von Leuten, die Schwierigkeiten extrem verharmlosen bis zu Leuten, die alles als Horrortrip betiteln. Bücher haben dagegen zum Beispiel einen gewissen, objektiveren Standard. Zudem kann man oft schwer nachvollziehen, wie frisch eine Information ist oder ob der Eintrag schon vor Monate gemacht wurde. Hier braucht es viel gesunden Menschenverstand, um die Inhalte richtig einzuschätzen.
Hast du einen persönlichen Tipp, den du Wanderliebhaber:innen ans Herz legen möchtest?
Es gibt ja das geflügelte Wort «Der Weg ist das Ziel». In dem Kontext: Der Weg, das Erlebnis, ist wichtiger als das Ziel, der Gipfel oder die Überschreitung. Anstatt dass man sich ehrgeizige Ziele setzt, lieber positive Erlebnisse suchen. Das kann mal was schwieriger sein, muss aber nicht. Man muss bereit sein, jederzeit sagen zu können, heute kehre ich um, wenn die Konditionen nicht stimmen. Einfach nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen. Und noch wichtiger als der Weg zum Ziel ist der Heimweg - dass man sicher wieder unten ankommt!
Das Ausbildungsbuch «Bergwandern, Alpinwandern» des Schweizer Alpen-Club SAC vermittelt sämtliche Kenntnisse für die sichere Durchführung einer Berg- oder Alpinwanderung. Das neue Standardwerk entstand in enger Zusammenarbeit mit den in diesem Bereich tätigen Fachorganisationen: Beratungsstelle für Unfallverhütung, Schweizer Wanderwege, Schweizer Alpen-Club, Schweizer Bergführerverband, Naturfreunde Schweiz, Alpine Rettung Schweiz, Bundesamt für Sport.
Über den Autor
Marco Volken ist Fotograf, Alpinjournalist und Buchautor. Meist dreht sich seine Arbeit um Berglandschaften, Bergnatur, Bergsport, um Bergwelten im Allgemeinen, und ganz gerne auch im Speziellen. Mehr Infos auf seiner Website: www.marcovolken.ch
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