Eigentlich sollte es im Sommer eine grössere Tour werden. Terminkonflikte und miserables Wetter die kompletten warmen Monate durch machten dem Vorhaben jedoch einen Strich durch die Rechnung. Die Hoffnung bereits aufgegeben, rafften wir uns dann zur Adventszeit nochmals auf. Das kann es doch nicht gewesen sein – ein Jahr ohne gemeinsames Bergerlebnis? Irgendwas liess sich doch bestimmt planen. Bei allen Ambitionen traten aber dennoch zwei Hürden auf.
Hürde Nummer eins: Zeitmangel. Der einzige Tag, der in Frage kam, war der 23. Dezember – und dann erst recht lediglich der Nachmittag. Alles halb so wild, kurzerhand wurde die epische Hochtourenplanung in eine nicht minder epische Kraxelei durchs verschneite Tösstal im Zürcher Oberland ersetzt. Warum? Weil das Gebiet keine halbe Stunde von Bächlis Hauptsitz entfernt liegt und weil dort, wenn gesucht wird, richtig anspruchsvolle Touren im T6-Bereich mit Klettereien bis zum zweiten Grad bestritten werden können. Genau so etwas suchten wird.
Hürde Nummer zwei hat mit der kreativen Planung zu tun. Irgendwann im Verlauf der Routenfindung dämmerte es den Beiden, dass es am gescheitesten wäre, vor Ort in den Hügeln des Zürcher Oberlandes ein Camp aufzubauen, anstatt bei Nacht den Abstieg anzugehen. Das Problem: Kein eigenes Wintercamping-Material war vorhanden. Die Lösung: Exped. Der Schweizer Spezialist für Campingausrüstung und Rucksäcke rüstete uns kurzerhand mit dem kompletten Wohlfühlpaket aus: Orion III-Zelt, SynMat-Isomatten und Winterlite-Schlafsäcke. Herzlichen Dank an dieser Stelle für die grosszügige, pragmatische Zusammenarbeit.
Schritte im Schnee
Arbeit fertig und rasch zum Ausgangspunkt Ohrüti, einem kleinen Weiler etwas südlich von Steg im Tösstal. Von hier aus liefen wir unsere Beine warm, bis es links ins Früetobel ging. Hier schlängelt sich ein zierlicher Bach durch steile, baumbewachsene Flanken. Immer wieder fällt das Wasser über Konglomeratstein-Kaskaden. Schnee lag ordentlich, allerdings war er kompakt und dadurch mehr oder weniger leicht zu durchwaten.
Unser Ziel war ein Grat an der Bachgabelung, aber die erste Krux stellte sich bereits nach einigen Metern in unseren Weg: Ein grösstenteils vereister Wasserfall. Wir kämpften uns in steilem, rutschigen Gelände Schritt für Schritt vor, nur um festzustellen, dass der Aufschwung über den letzten Felsblock ohne Steigeisen unmöglich werden würde. Also rechtsum kehrt und via Direttissima über eine steil abfallende Wand. Ungesichert war das jedoch viel zu fahrlässig. Also ein zweites Mal retour und durch den Bach auf die andere Talseite. Hier ging es einigermassen. Bereits jetzt waren wir unendlich froh, die Eispickel eingepackt zu haben. Ohne diese wären wir kaum vorwärtsgekommen respektive es wäre viel zu gefährlich gewesen.
Wir schafften es zum erwähnten Grat. Dieser war im Vergleich zu unserem vorangehenden Krampf ein wahrhaftiger Genuss. Sehr steil, tief verschneit aber grösstenteils sicher kletterten wir gen oben. Der Wald lichtete sich alsbald und der Berg gab die Sicht auf die umliegenden Hügel frei. Ein wunderschönes Gebiet fern von jeglicher Zivilisation und dennoch unglaublich nah an eben dieser. Kaum noch in der wildesten Natur mit Gämsen, die unseren Weg kreuzten, standen wir nach rund 450 Höhenmetern auf einer Asphaltstrasse, Traktoren fuhren vorbei. So ist das halt im Tösstal.
Zeitplanänderung
Der eigentliche Plan lautete nun, in direkter Manier wieder abzusteigen und durch das Beschtetobel auf den Roten zu steigen und von dort auf die Hirzegg für das Nachtlager zu queren. Die Uhr sagte uns jedoch, dass das kein weiser Entscheid sein würde, so suchten wir uns eine Alternativroute über Wanderwege direkt zur Hirzegg. Wir würden ob diesem Entscheid noch dankbar sein, konnten wir letzten Endes unser Camp noch bei Tageslicht aufbauen.
Die Hirzegg ist ein wunderschöner, freistehender Hügel mit unglaublicher Aussicht. Dies wiederum begünstigt, dass Winde hier ungebremst über den Gipfel pfeifen. So entschieden wir uns für ein kleines, flaches Fleckchen etwas unterhalb. Dieses war schlichtweg perfekt – nur teilweise verschneit, mehr oder weniger windstill und vor allem lag in unmittelbarer Nähe trockenes Holz. Unglaublich viel trockenes Holz.
Also hiess es nun schaufeln und graben. Das Orion III-Zelt braucht Platz. Wir beklagen uns aber nicht, schliesslich sind wir auf Komfort aus, den muss man sich verdienen. Das Zelt stand dann auch innerhalb weniger Minuten. Das System ist genial einfach: Drei Stangen durch die Ösen ziehen, fixieren, fertig. Gleiches gilt für unser restliches Schlafequipment. Die SynMat-Isomatten liegen in Windeseile parat.
Tischlein deck dich
Nach getaner Arbeit knurrte der Magen – verständlicherweise. Aber alles der Reihe nach. Erste Priorität hatte ein wärmendes Feuer. Ganz so trocken war das Holz dann doch nicht, aber es reichte perfekt, um einen ordentlichen Funken hinzukriegen. Nachschub für eine lang lodernde Wärmequelle bereits bereitgelegt, konnten wir uns ums weitere Wohl kümmern: Futter. Einmal Schwarzwälder Speck im Brot und einmal Älplermagronen. Quasi ein kleines Festmahl und definitiv eine Trainingseinheit für den bevorstehenden Weihnachtsschmaus.
Die Uhr zeigte 20:00. Leichter Regen setzte ein. Zeit, schlafen zu gehen. Eigentlich eine absurd frühe Zeit, aber draussen im Winter nach anstrengender Kraxelei ist das absolut in Ordnung. Wir waren denn auch beide ziemlich schnell im Land der Träume.
Der Regen lies bald nach, dafür meldete sich der Wind. Heftig blies er ums Zelt, das sich standhaft gegen ihn stelle und nicht den Hauch eines Anscheins machte, darunter auch nur ein kleines bisschen zu kollabieren.
Eine Nacht im Winter kann purer Horror sein – oder aber auch schlichtweg gemütlich. Es kommt hierbei einerseits auf die Ausrüstung an, andererseits auf die optimale Technik. Trocken in den Schlafsack schlüpfen, nur bekleidet mit dem Baselayer und einer Mütze. Dabei für eine gute Belüftung sorgen. Dann passt das. So wird die Nacht absolut entspannend. Kurzum: Wir sind um 7:00 Uhr morgens aufgewacht, haben also mehr oder weniger elf Stunden durchgeschlafen. Wer mehr über gelungene Zeltnächte im Winter lesen möchte, kann das hier tun.
Mit Elan in den Winter
Kaffee von der Bialetti-Maschine, alles zusammenpacken und weiter geht die Tour. Der Abstieg war nur noch die Kür der Pflicht, nichts Spektakuläres. Wir genossen den morgendlichen Ausblick von der Hirzegg und stiegen via Roten nach Steg ab.
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