Vielseitiges Wasser – das bedeutet im Winter, dass wilde Wasserfälle erstarren und somit faszinierende Kletterrouten formen. Wer also in der kalten Jahreszeit nicht aufs Klettern draussen verzichten möchte, kann dies an senkrechtem Eis tun. Doch was muss dabei alles beachten werden?
Gleich zu Beginn, das Seilhandling und der Ablauf ist ähnlich, wenn nicht fast gleich, wie wenn alpine Mehrseillängen-Routen geklettert werden. Also ein klarer Vorteil, wenn ihr hier schon Erfahrungen gesammelt habt. Auch die Klettertechnik an und für sich unterscheidet sich beim Eisklettern nicht gross. Jedoch benötigt ihr zusätzliches Material, wie zum Beispiel Eisschrauben, Steileispickel, spezielle Steigeisen und Handschuhe mit gutem Grip für Frauen oder Männer.
Einen ganz spezifischen Unterschied gibt es zum Mehrseillängen-Klettern dennoch, denn am Eis sind Stürze im Vorstieg nicht erlaubt. Unsere beiden Bächli-Athleten erwähnen, dass Stürzen im Eis ein Tabu ist. Anders als in Felsrouten werden am Eis die Sicherungen viel weiter auseinandergesetzt, wodurch eine reelle Gefahr von hohen Stürzen entsteht. Und dann wären da noch Pickel und Steigeisen – Equipment, welches leicht zu Verletzungen führen kann. Deshalb nachfolgend ein paar Grundfertigkeiten, welche beim Eisklettern beachtet werden müssen.
Muskelkraft und technisches Know-How
Wichtig ist eine stabile Position, welche ihr durch schulterbreites Stehen erreicht. Das ist eure Steigeisen-Grundposition. Platziert ihr eine Eisschraube, steht ihr breiter, um eine noch stabilere Position zu erreichen. Doch wie müssen die Steigeisen korrekt ins Eis getreten werden? Ganz einfach: Mit einem lockeren Schwung aus dem Knie werden die Frontzacken ins Eis «gekickt». Hierbei ist Feingefühl gefragt. Auch beim Setzen einer Eisschraube oder dem Pickel-Einsatz ist eine richtige und effiziente Technik wichtig. Die Technik ist beim Eisklettern deutlich komplexer als beim Felsklettern, so ist es auch mit der Kraft. Natürlich solltet ihr über eine gewisse Kraft- und Konditionsgrundlage verfügen, wenn ihr diese Sportart versuchen möchtet.
Und es müssen sehr viele Faktoren beachtet werden; nebst der Sonneneinstrahlung und den Temperaturschwankungen ist auch der Eisaufbau von zentraler Bedeutung. Zudem benötigt ihr einen aufmerksamen Blick. Anders als beim Felsklettern müsst ihr euch nicht an Griffen orientieren, jedoch benötigt ihr das Auge, damit ihr wisst, wo ihr euren Pickel einschlagen müsst. Wichtig ist auch das Vertrauen ins Eis. Hinzu kommt, dass der Sichernde immer dem Eisschlag des Kletternden ausgesetzt ist. Darum ist eine richtige Position der sichernden Person ausschlaggebend.
All diese Faktoren führen dazu, dass wir euch unbedingt empfehlen, erste Eis-Versuche mit einem Bergführer oder einer vertrauten Person zu machen, die fundierte Eiskletter-Erfahrungen vorweisen kann. Auch aus einem anderen Grund: Fürs Eisklettern benötigt ihr viel Material – das können euch die Bergsteiger-Schulen an einem Kurs problemlos zur Verfügung stellen.
Für die ersten Schritte empfehlen wir euch die Bergführer unseres Partners Bergpunkt. Die Kurse finden in unterschiedlichen Niveaus und schon bald statt. Eine rasche Anmeldung lohnt sich also. Wie wäre es mit dem Einsteiger-Kurs? Fortgeschrittene sind indes im 2. Kurs besser aufgehoben. Es lohnt sich auf jeden Fall, diese faszinierende Sportart auszuprobieren, da Eisklettern vor allem für den Kopf abenteuerlicher ist, als am Fels zu Klettern. Lasst euch nachfolgend von schönen Routen in der Schweiz inspirieren.
Wo ihr schöne Zapfen findet
«Das Engadin ist immer einen Besuch wert. Ohne einen Zustieg findet ihr in Pontresina einen einfachen Zugang zum Eisklettern.» Roger Schäli, Profialpinist, schwärmt über die Eisklettermöglichkeiten in Pontresina. In der Schlucht, welche sich direkt im Dorf befindet, bieten die Wasserfälle für alle Niveaus etwas. Sogar eingebohrte Mixed-Routen und Topos sind vorhanden. Im Moment herrschen Top-Verhältnisse im Engadin. Hier ist es länger kalt als in den meisten anderen Gebieten. Weshalb die Verhältnisse der Routen lange gut sind.
Roger Schäli beim Eisklettern der Route M8+ The Dark Side of the Moon in Pontresina
Als Geheimtipp nennt der Bächli-Athlet Roger Schäli die Routen bei der Allmenalp in Kandersteg. Die besten Verhältnisse herrschen dort, wenn keine Sonne scheint. Also nichts für «Gfrörlis». «Zuhinterst im Kiental befindet sich ein traumhaftes Gebiet zum Eisklettern».
Jonas Schild, Bächli-Athlet, empfiehlt euch das Gebiet «Tschingel». Von Spiez fahrt ihr weiter nach Reichenbach ins Kiental. Das Gelände erreicht ihr am besten mit dem Auto. Es steht ein Parkplatz zur Verfügung. Es ist nur ein sehr kurzer Zustieg nötig. Innerhalb von 5 bis 30 Minuten seid ihr bei den Eisfällen. Ein grosses Plus. «Es ist ein perfektes Kursgelände», schwärmt Jonas Schild. Denn es hat Routen im Bereich WI3 bis M10 und eignet sich sowohl für Anfänger als auch für Profis. Auf die Frage, weshalb es sich lohnt, genau dort im Tschingel, Kiental zu klettern meint Jonas: «Bereits bei der Anfahrt erkennt man die einzigartige Kulisse und die Schönheit der Eisfälle.»
Jonas Schild beim Eisklettern in der Route «Bachero» im Kiental. (Foto: Daniel Bleuer)
Apropros Bächli-Athlet: Jonas Schild hatte bereits im Jahr 2019 Spannendes zum Klettern am Eis erzählt. Wenn ihr mehr über die Faszination des gefrorenen Wassers erfahren wollt, dann findet ihr seinen Beitrag ebenfalls in unserem Blog.
Weitere Tourentipps gibt’s bei Bergpunkt. Wie wäre es beispielsweise im Jura am Eis zu klettern? Oder im Averstal – einem Klassiker unter den Eiskletter-Gebieten? Oder habt ihr schon einmal vom Eisklettergebiet im Zürcher Oberland gehört? Im Tösstal findet ihr wunderbare Wasserfälle, vor allem für Einsteiger. Als weitere Alternative empfehlen wir euch das Unterwallis, genauer Fionnay.
Last but not least: Beim Eisklettern warten viele Risiken, wie beispielsweise herabfallende Eiszäpfen und Lawinenabgänge, aber auch wunderschöne Routen auf euch. Passt gut auf, geht keine unnötigen Risiken ein und setzt auf die Erfahrung von geübten Eisklettern.
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