Sie sind kaum sichtbar unter dem Ski verborgen. Dennoch erledigen Steigfelle eine der wichtigsten Aufgaben auf Tour: Sie sorgen dafür, dass es beim Aufstieg vorwärts geht. Dabei müssen sie leicht gleiten und zuverlässig am Belag haften. Mit Hilfe neuer Technologien funktioniert dieser Spagat immer besser.
Kaum ein anderes Teil der Ausrüstung kann auf Skitour so sehr über Lust oder Frust entscheiden wie die Aufstiegsfelle. Es macht schon einen grossen Unterschied, ob man kraftsparend gehen kann und entspannt am Gipfel ankommt oder ob man bei jedem Schritt zurückrutscht und mit der Steilheit des Geländes kämpft. Bei feuchten Bedingungen und anschliessender Vereisung kann es im Extremfall sogar passieren, dass gar nichts mehr geht: Die Felle lösen sich vom Belag, oder es bilden sich klumpige Schneestollen unter dem Ski, die ein Aufsteigen fast unmöglich machen. Nein, wir wollen niemandem den Spass verderben! Denn wer einige Grundregeln beherzigt, kann das Zünglein an der Waage deutlich in Richtung Lust lenken. «Ein kleiner Block Imprägnierwachs gehört für Notfälle grundsätzlich in den Rucksack», rät Michael Bachofner. Der Rennläufer aus dem Bächli-Raceteam ist auch privat jeden Winter auf zahlreichen Skitouren unterwegs und weiss, wovon er spricht. Auch wenn die Fellmaterialien grundsätzlich kaum Feuchtigkeit aufnehmen, sollte man regelmässig für eine wasserabweisende Oberfläche sorgen. Die Imprägniermittel verbessern zudem die Gleiteigenschaften des Fells bei der Vorwärtsbewegung im Schnee.
Grundvoraussetzung für eine gute Haftung auf den Schneekristallen sind Felle, die exakt zur Taillierung des Skis passen. Im Idealfall decken sie den Belag so ab, dass lediglich die Stahlkanten frei bleiben. Damit ist die Gefahr gering, in der Abdruckphase zurückzurutschen. Den Zuschnitt kann man entweder mit einem Custom-Set des gewünschten Fell-Typs in Eigenregie erledigen oder man lässt das Fell von einem der Experten bei Bächli Bergsport anpassen. Renommierte Hersteller wie beispielsweise Colltex bieten bereits massgeschneiderte Felle für viele Skimodelle an. Auch die Länge des Fells muss auf den Ski abgestimmt sein, damit der End-Clip am Skiende korrekt justiert werden kann.
Die schwierigste Aufgabe jedoch kommt dem Kleber zu. Die Haftschicht auf der Rückseite muss das Fell unverrückbar auf dem Belag fixieren, und das auch bei grossen Temperaturunterschieden und in nassem Zustand. Wie gut der Kleber wirklich hält, zeigt sich erst, wenn man auf langen Touren mehrfach an- und abfellen muss. Doch Michael Bachofner hat auch für diesen Fall einen Tipp: «Wenn man die Felle bei den Zwischenabfahrten unter der Jacke verstaut, behält der Kleber durch die Körperwärme seine Kraft.» Zusätzlich haben die Hersteller in den letzten Jahren viel Gehirnschmalz in die Entwicklung neuer Klebetechniken investiert. So verwendet Colltex nun beim ct40 einen anorganischen Kleber, der selbst bei arktischen Temperaturen sicher hält. Und mit zunehmendem Erfolg etablieren sich auch Felle, die sich sogenannte Adhäsionskräfte zunutze machen. Durch die natürliche Anziehungskraft zwischen Molekülen haftet das Fell alleine durch Druck. Weiterer Vorteil: Zum Transport kann man die Felle mit den Haftseiten direkt aufeinanderlegen – und bekommt sie hinterher dennoch wieder leicht auseinander. Bereit für den Aufstieg zum nächsten Pulverschneehang.
Der Stoff, aus dem die Felle sind
Die Frage nach Natur- oder Synthetikfasern entfacht bisweilen unter Tourengehern wahre Glaubenskriege. Oder ergibt ein Mix aus beidem das beste Fell? Alles über die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Fell-Typen.
- 100% Mohair
Als Mohair bezeichnet man die Haare der Angoraziege. Sie sind im Gegensatz zu Kunstfasern innen hohl, ergeben also ein sehr leichtes Steigfell-Material. Felle aus 100 Prozent Mohair überzeugen aber vor allem durch ihre hervorragenden Gleiteigenschaften – und zwar über die gesamte Lebensdauer. Dennoch haften sie verlässlich auf dem Schnee und bleiben selbst bei klirrender Kälte geschmeidig. Für ambitionierte Tourengeher und Rennläufer kommt daher kaum ein anderes Material in Frage. Allerdings sind Mohair-Felle empfindlicher und pflegeintensiver als die beiden Alternativen. Produkt-Beispiele: der Klassiker Colltex ct40 oder das Gecko-Fell, beide zudem mit neuer Klebetechnik.
- Mohair-Synthetik-Mix
Mit einem modernen Fell aus Misch-Material werden sicher die meisten Tourengeher glücklich. Ihre Haftung auf dem Schnee ist superb, und auch in puncto Gleitfähigkeit schliessen sie immer näher zu den reinen Mohair-Fellen auf. Im Neuzustand bemerkt man kaum noch einen Unterschied zu den Naturfasern. Erst nach einer gewissen Nutzungsintensität lässt die Gleitfähigkeit etwas nach. Dafür erhöht die Beimischung von in der Regel etwa 30 Prozent Synthetikfasern die Abriebfestigkeit und damit die Lebensdauer von Mix-Fellen. Produkt-Beispiel: der Allrounder Colltex Mix.
- 100% Synthetik
Reine Kunstfaserfelle sind sehr strapazierbar und verkraften selbst Steinkontakte meist ohne mit der Wimper zu zucken. Stressfrei im Einsatz und bei der Pflege eignen sie sich besonders für Einsteiger, die seltener im Gelände unterwegs sind. Oder für die kurzen Aufstiege von Variantenfahrern. Bei grosser Kälte gleiten sie spürbar schlechter vorwärts als Felle mit Mohair-Anteil. Abhilfe schafft eine gewissenhafte Imprägnierung. Bei milden Temperaturen hingegen fällt die Gleitschwäche gegenüber den Mohair- und Mohair-Mix-Modellen geringer aus. Produkt-Beispiel: das preiswerte Black Diamond Nylon STD.
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