Wer kennt das nicht: Am Gipfel angekommen
freuen wir uns über den
prächtigen Ausblick − genau so lange
bis wir spüren, dass unser Funktionsshirt kalt
und nass am Rücken klebt und wir anfangen
zu frösteln. Was jetzt? Bis auf die Haut ausziehen
und das Leibchen im eiskalten Wind am
Gipfelkreuz trocknen? Oder doch die Jacke
überstreifen und die Nässe ignorieren?
Unser Körper hat eine optimale Betriebstemperatur
von 37 °C, die er immer aufrechterhalten
muss. Bei Anstrengung werden die Schweissdrüsen
der Haut aktiviert, der abgesonderte
Schweiss verdunstet an der Hautoberfläche,
wodurch der Körper abgekühlt wird. Wenig
luftdurchlässige Bekleidung oder ein Rucksack
auf dem Rücken behindern diese Kühlfunktion.
Wie sehr, zeigt ein kleines Experiment: Zieht
man eine dichte, luftundurchlässige Plastiktüte
über die Hand, entsteht rasch ein nasses Gefühl
auf der Haut, der Schweiss rinnt. Es entsteht
«Hitzestress».
TEXTILE «KLIMA-MANAGER»
Bei Funktionsunterwäsche werden in der Regel
Endlosfasern zu dehnbaren Geweben verstrickt,
die sich unseren Bewegungen anpassen. Je
dichter und dicker das Gestrick, umso winddichter
und wärmer ist es auch. Ist das Gestrick
locker und grossmaschig, kann viel Dampf
nach aussen und kühlender Wind nach innen
gelangen.
Baumwolle ist bei den Sport- und Funktionstextilien
so gut wie verschwunden, da sie viel Wasser
aufnimmt und nur langsam trocknet. In der Folge
entsteht ein feuchtes, klammes Tragegefühl,
sobald man stärker schwitzt. Moderne Baselayer
bestehen aus Kunstfasern, Merinowolle oder
einer Mischung aus beiden Materialien.
Alle Fasern können Schwitzwasser aufnehmen,
speichern oder weiterleiten und wieder abgeben.
Je besser eine Faser den Schweiss aufsaugt,
umso trockener fühlt sich unsere Haut an.
Allerdings nur so lange, bis die Aufnahmekapazität des Textils erreicht ist. Merinowollfasern
haben zwar eine wasserabweisende Oberfläche,
können aber in ihren Hohlräumen im Inneren
der Fasern zwischen 20 und 35 Prozent ihres
eigenen Gewichts an Wasser speichern. Deshalb
fühlt sich Merinowolle trotz Schwitzen
lange trocken an. Dafür sind Wollfasern wenig
abrieb- und reissfest. Um die Robustheit der
Textilien zu erhöhen, mischen einige Hersteller
daher Wolle mit Kunstfasern.
Diese speichern zwar nur etwa fünf bis 15 Prozent
ihres Eigengewichts an Wasser, können
jedoch (nach chemischer Behandlung) Feuchtigkeit
über die Oberfläche ihrer Fasern schneller
vom Körper wegleiten (sogenannter «Docht-Effekt
»). Polyester und Polypropylen sind die am
häufigsten verwendeten Kunstfasern. Sie sind
preiswert, pflegeleicht, robust und trocknen
extrem schnell.
Im Hochgebirge ist zudem der Schutz vor schädlicher
UV-Strahlung sehr wichtig. Generell bietet
Kunstfaserwäsche mit einem hohen Elasthan-
Anteil, bei der die Maschen stark zusammengezogen
werden, einen guten UV-Schutz. Aber
auch dickere Woll-produkte können vergleichsweise
hohe Lichtschutzfaktoren erreichen.
SICH RIECHEN KÖNNEN
Wollfasern haben von Natur aus geruchsmindernde
Eigenschaften: Sie nehmen den Schweiss
auf, nicht aber die Bakterien, die für die Entstehung
des Schweissgeruchs verantwortlich
sind. Daher riecht die Bekleidung auch nicht
so schnell unangenehm. Fast alle Kunstfaser-
Baselayer sind mittlerweile mit geruchsmindernden
Zusätzen ausgestattet. Häufig in
Form von Silber, das zum Beispiel als Faden,
Salz oder Nanopartikel in die Kleidung eingearbeitet
wird. Das Edelmetall hat antimikrobielle
Eigenschaften, verhindert also, dass sich die
geruchsbildenden Bakterien vermehren. Negative
Auswirkungen auf die natürliche Hautflora
konnten bislang nicht nachgewiesen werden.
Silberpartikel waschen sich jedoch vergleichsweise
schnell aus der Kleidung aus und können
über das Abwasser und Klärschlämme auch
in die Landwirtschaft gelangen. Die Folgen für
Umwelt und Gesundheit sind jedoch noch nicht
erschöpfend untersucht. Silbersalze, wie sie in
einigen Outdoor-Bekleidungsstücken verwendet
werden, gelten gegenüber Silberpartikeln
als unbedenklicher, da sie wasserunlöslich sind
und sich nicht aus der Kleidung herauswaschen.
WELCHES MATERIAL FÜR WELCHEN EINSATZ?
1. Trailrunning oder Biken
Hier geht es ordentlich zur Sache, es wird stark
geschwitzt und viel Energie verbraucht. Pausen
nehmen nicht viel Zeit ein und die Tour selbst
ist mit wenigen Stunden vergleichsweise kurz.
Meistens beginnt und endet sie vor der Haustür
oder am Auto. Ein Funktionsshirt kann leicht
gewechselt werden oder landet nach dem Sport
in der Wäsche. Ideal: ein leichtes, dünnes, luftdurchlässiges
Kunstfaser-Shirt, das die Nässe
schnell nach aussen leitet und ausreichend kühlende
Luft an den Körper heranlässt.
2. Bergsteigen oder Skitourengehen
Stetig geht es bergauf, der Puls und die Atmung
sind gleichmässig, Schweiss kühlt den Körper.
Wiederholt werden kürzere Pausen eingelegt,
längere auf dem Gipfel oder in der Hütte. Die
Tour kann bis zu mehreren Tagen dauern. In der
Regel wird ein Rucksack getragen. Passend: ein
Longsleeve mit Merinowolle, das wenig Geruch
entwickelt und die Körpertemperatur puffert.
Werden Rucksack oder Gurt direkt auf dem
Baselayer getragen, können allerdings schnell
kleine Schäden auftreten. Wer stark schwitzt,
wählt ein Kunstfaser-Shirt, da er in Wolle
schneller überhitzen könnte. Aufgrund der im
Gebirge erhöhten UV-Strahlung sollte das Shirt
entsprechenden Schutz bieten.
3. Klettern
Beim Klettern geht es einerseits sehr schweisstreibend
zu, andererseits gibt es lange Ruhephasen
am Standplatz. Kletterer haben viel
Fels- und Materialkontakt. Ideal ist daher ein
leichter Baselayer, der zugleich ausreichend
robust ist, vor kühlem Wind schützt und schnell
trocknet. Merinowolle würde zu leicht reissen,
besser eignen sich dehnbare Kunstfaser-Oberteile.
4. Trekkingreisen
Trekkingreisende sind lange unterwegs und legen
besonders viel Wert auf leichte und platzsparende
Ausrüstung. Daher sollte die Funktionswäsche
für alle Gelegenheiten herhalten,
manchmal wird sie sogar Tag und Nacht getragen.
Die Verminderung der Geruchsbildung
spielt eine grosse Rolle. Ein weiches, weitmaschiges
Shirt aus Merinowolle eignet sich hier
bestens.
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.
Kommentar schreiben