Die warme Jahreszeit kommt und die Hochtouren-Saison steht vor der Tür. Es zieht Bergbegeisterte vermehrt in höhere Gefilde – so auch mich. Vor drei Jahren war ich in der Jungfrauregion unterwegs. Mit der Jungfraubahn werden die meisten Höhenmeter schnell absolviert. Als erste Akklimatisationstour gingen wir kurzum auf den Mönch, um die Nacht auf der Mönchsjochhütte auf 3600m zu verbringen. Am Abend gegen 21:30 Uhr landete die REGA, um einen Höhenkranken ins Tal zu transportieren und als ich mich am nächsten Morgen auf den Weg zum Schuhraum machte, hätte mir um ein Haar ein Höhentourist auf die Crocs gespien.
Dank ein paar einfachen Massnahmen in der Vorbereitung blieben wir von der Höhenkrankheit verschont und im Folgenden soll es darum gehen, was es zu beachten gilt, damit der Ausflug in die Höhe positiv in Erinnerung bleibt.
Hintergrund Höhenkrankheit
Mit zunehmender Höhe sinkt der Luftdruck. Dadurch kann, sehr vereinfacht ausgedrückt, in der Lunge weniger Sauerstoff pro Atemzug ins Blut übertreten. Da in der Folge zu wenig Sauerstoff im Blut verfügbar ist, reagiert unser Körper mit einer schnelleren Atmung, auch Hyperventilation genannt. Dies bedeutet, dass die Atemfrequenz steigt. Mit jedem Ausatmen wird über die Lunge Kohlenstoffdioxid (CO2) abgeatmet.
Über den damit einhergehenden Verlust von CO2 kommt es zu einer Veränderung des Blut-pH-Wertes in ein alkalisches Milieu. Über vermehrte Ausscheidung von alkalischen Stoffen (Bicarbonat) versucht der Körper dem entgegen zu wirken und den pH-Wert zu normalisieren. Anders ausgedrückt: Wir müssen häufiger Wasserlassen, es resultiert ein Flüssigkeitsmangel; wir dehydrieren. Soviel zur Theorie.
Um auf die Fahrt mit der Jungfraubahn zurückzukommen: Jede und jeder, der bereits einmal dort hochgefahren ist, wird festgestellt haben, dass oben angekommen zumeist erst einmal die Toilette
aufgesucht wird. Durch das vermehrte Wasserlassen verlieren wir Wasser und es entsteht ein Flüssigkeitsmangel. Das ist der Hintergrund, weswegen eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr in grosser Höhe empfohlen wird.
Fassen wir also nochmals zusammen:
- Mit steigender Höhe kann weniger Sauerstoff pro Atemzug ins Blut übertreten.
- Die Reaktive Hyperventilation führt zu einer Veränderung des pH-Wertes im Blut, kompensatorisch scheidet der Körper vermehrt alkalische Stoffe über die Nieren aus.
- Das damit verbundene häufige Wasserlassen führt zur Dehydratation.
Höhenkrankheit
Als Höhenkrankheit wird ein Komplex aus Symptomen bezeichnet, welcher bei Menschen auftritt, die sich in eine Höhe über 2500m begeben oder dort leben. Die Erkrankung tritt in der Regel erst nach sechs bis zwölf Stunden auf. Somit ist vor allem die Schlafhöhe entscheidend. Jedoch können Kopfschmerzen, Schwindel sowie Übelkeit auch früher auftreten. Das ist jedoch primär dem Mangel an Flüssigkeit geschuldet.
Das Leitsymptom der Höhenkrankheit sind Kopfschmerzen, meist gepaart mit Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Atemnot und allgemeiner Schwäche.
Der Übergang in ein lebensgefährliches Höhen-Hirn-Ödem (HACE) oder Höhen-Lungen-Ödem (HAPE) ist fliessend. Während das Höhenlungenödem durch zunehmende Atemnot und teilweise Husten gekennzeichnet ist, kommt es beim Höhen-Hirn-Ödem zu einer zunehmenden Bewusstseinseintrübung und bei Ausbleiben von Massnahmen zum Bewusstseinsverlust und Tod.
HAPE - High Altitdude Pulmonal Edema
Die veränderten Lufteigenschaften in der Höhe führen zu einer Verengung der Blutgefässe in der Lunge. Die Folge ist eine Zunahme des Flusswiderstandes und damit des Drucks im Lungenblutkreislauf. Dadurch wird Flüssigkeit aus den Blutgefässen in die Lungenbläschen (Alveolen) gepresst und es sammelt sich Flüssigkeit ebendort (Ödem). Durch dieses wird die Aufnahme von Sauerstoff weiter erschwert. Symptome sind Atemnot sowie blutiger oder schaumiger Auswurf beim Husten.
HACE - High Altitdude Cerebral Edema
Wie in der Lunge kommt es im Gehirn zu einer Verengung der Blutgefässe. Äquivalent zur Lunge kommt es auch hier zu einer Zunahme des Flusswiderstandes und Flüssigkeit gelangt durch die Gefässwand ins Gewebe und bildet eine Flüssigkeitsansammlung (Ödem). Der knöcherne Schädel bietet einen vordefinierten Raum der nicht erweitert werden kann. Durch die Flüssigkeit wird auf das Gehirn Druck ausgeübt und schränkt dessen Funktion ein. Im Schlimmsten Fall kommt es dabei zur sogenannten Einklemmung. Hierbei wird der Hirnstamm nach unten in das Foramen Magnum (Grusses Loch durch welches sich das Rückenmark zieht) gedrängt. Durch die damit verbundene Schädigung des dort liegenden Atemzentrums kommt es zum Tod des Patienten.
Quick Facts:
- Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen Übelkeit und Erbrechen sowie allgemeine Schwäche sind Symptome der Höhenkrankheit.
- Der Übergang in ein Höhenhirnödem (HACE) oder Höhenlungenödem (HAPE) ist jederzeit möglich.
Höhenakklimatisation
Unser Körper besitzt die Fähigkeit, sich an die Bedingungen in grosser Höhe anzupassen. Eine Akklimatisation ist dabei bis circa 6000m möglich. Die Akklimatisation ist ein langsamer Prozess und individuell verschieden. Die körperliche Verfassung hat einen Einfluss, jedoch spielt auch die Tagesform eine Rolle. So kann ein Mensch höhenkrank werden, obwohl er auf Touren zuvor keinerlei Probleme hatte.
Verschiedene Phasen
Zunächst erfolgt die Erhöhung der Herzfrequenz als auch der Atemfrequenz zur kurzfristigen Kompensation. In der zweiten Phase wird Erythropoetin ausgeschüttet, ein Hormon, das die Bildung von roten Blutkörperchen bewirkt. Durch die erhöhte Anzahl an roten Blutkörperchen kann nun mehr Sauerstoff in der Lunge ins Blut aufgenommen werden. Dieser Prozess benötigt Zeit.
Um eine optimale Akklimatisation zu erreichen, sollten mehrere Nächte auf über 2500m verbracht werden. Weiter gilt der Spruch „climb high, sleep low“. Das heisst, die Schlafhöhe sollte unter der am jeweiligen Tag maximal erreichten Höhe liegen. Weiter sollte die Schlafhöhe pro Tag um nicht mehr als 700 hm gesteigert werden.
Die aktuelle Datenlage zeigt, dass die Effekte einer Akklimatisation für 7 Tage anhalten.
Behandlung / Medikamente
Vorneweg sei gesagt, dass die Behandlung der Symptome der Höhenkrankheit ein zweischneidiges Schwert ist. Denn wer mit Ibuprofen oder Aspirin die Kopfschmerzen lindert und mit Azetazolamid (Diamox) die Ausscheidung von alkalischen Stoffen über den Urin ankurbelt, kann dennoch unvermittelt ein HAPE oder HACE entwickeln. Die überwiegende Mehrheit der Experten empfiehlt, auf Medikamente zu verzichten. Bei Auftreten eines HACE (Hirnödem) hilft kurzfristig die Verabreichung von Dexamethason, einem Cortison, welches rasch zu einer Abnahme der Schwellung führt und unter Umständen einen eigenmächtigen Abstieg zulässt.
Die wichtigste Massnahme ist immer der Abstieg bei Auftreten einer Höhenkrankheit. Dabei spricht man generell davon, dass die Aufenthaltshöhe um 1000m oder mehr verringert werden sollte.
Worst Case - Was tun?
Wie bereits beschrieben, gilt es bei einer Höhenkrankheit die Aufenthaltshöhe zu verringern. Falls möglich zu Fuss oder per Ski. Falls das nicht möglich ist, bleibt meist nur der Helikopter. Befindet man sich auf einer bewirtschafteten Berghütte, sollte zunächst der Hüttenwart informiert werden. Im freien Gelände wählt man die landesspezifische Nummer - in der Schweiz die 1414 für die REGA. Die Netzabdeckung im entsprechenden Gebiet kann unter Umständen je nach Tour zuvor über den Netzbetreiber abgeklärt werden.
Schlusswort
Das schwierigste beim Bergsteigen ist das Umdrehen, vor allem, wenn es nur wenige Meter unterhalb des Gipfels ist. Doch ist kein Gipfel ist es wert, sein Leben zu riskieren. Heisst, wer Symptome einer Höhenkrankheit hat, sollte den Abstieg und nicht den Aufstieg antreten. „Better safe than sorry“. In diesem Sinne, schön Touren!
Über den Autor
Maximilian Gierl, 34 Jahre alt, gebürtig aus Deutschland ist hauptberuflich als Arzt in der Schweiz tätig. Er besitzt das International Diploma of Mountain Medicine und hat mit Ausbildungen in diversen Fachbereichen den Titel „Praktischer Arzt“ inne. In der Freizeit ist er mehr als 200 Tage pro Jahr in den Bergen unterwegs. Sei es zu Fuss, am Fels oder auf Ski. Neben diversen 4000ern in den Alpen hat er auch in Nepal Höhenluft geschnuppert und berichtet über Touren und Know-How in Wort und Bild auf dem Bächli-Bergsport Blog sowie seiner Website.
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