Ich hatte mich nie mit einer Hochtour auseinandergesetzt, nur aus Erzählungen meines Vaters von diesen schweisstreibenden, aber eindrücklichen Touren gehört. Nie aber hatte ich ihn so glücklich und zufrieden gesehen wie jeweils dann, wenn er von diesen Touren zurückgekehrt ist.
Natürlich wollte ich mit diesen Abenteurern ins Wallis fahren, auf den Weissmies sollte es gehen. Am ersten Tag bis zur Weissmieshütte und am zweiten Tag auf den Gipfel und wieder ins Tal.
Mit der Ausrüstung war es da so eine Sache. Als Schuh bekam ich vom Vater einen fast neuen, schwarzen Militär-Schalenschuh. Er war mir zwei Nummern zu gross, aber mit zwei Paar Socken ging das ganz gut. Die Steigeisen waren so ziemlich der gewichtigste Teil meiner Ausrüstung, sie hatten noch keine Frontzacken, waren dafür von Hand geschmiedet. Heute hätte man Freude an diesen Teilen im Museum, schade gingen die einst ins Alteisen. Als Hosen dienten gute Jeans, von synthetischer Wäsche oder Merinowolle wussten wir dazumal noch nichts. Warme Kleider hatte man noch vom Skifahren am Hügel hinter der Scheune. Ganz genau kann ich mich noch an den Pickel erinnern, der war gegen 80cm lang und hatte das dreifache Gewicht eines 2020er Modelles.
Also machten wir uns auf den Weg ins Wallis. Sechs Personen in einem Mittelklassewagen wären heute nicht mehr erlaubt, damals im Jahr 1982 war das eine Sache der Organisation.
Einen Teil des Aufstiegs in die Hütte konnten wir mit einer Bahn absolvieren, den Rest des Aufstieges machten wir zu Fuss. Ich kann mich noch an das einfache Znacht erinnern, einfache Kost dafür Portionen für einen Waldarbeiter! Schlafen konnte ich, so wie es mir in Erinnerung ist, fast nichts. Ich war zu aufgeregt und der Höhenunterschied hat sicher auch dazu beigetragen.
Am frühen Morgen, bei absoluter Dunkelheit ging es los. Die Taschenlampen, die wir dabeihatten, leuchteten gerade so stark, dass wir nicht über die Steine stolperten. Ich hatte das Gefühl, jeder unserer Mannen wollte dem anderen zeigen wie fit er ist. Wir gingen viel zu schnell, ich konnte fast nicht folgen. Nach etwa einer Stunde standen wir am Gletscher. Wow, eindrücklich und gewaltig! Man merkte die Kälte, die der Gletscher von sich gab.
Jeder der mitgereisten Männer aus unserer Seilschaft fragte mich immer wieder wie es mir geht. Natürlich antwortete ich immer es sei alles gut, denn ich hatte gehört, dass man leiden müsse am Berg!
Kurz was trinken, das alte, rote, zweiteilige Eiselin Gstältli anziehen, Steigeisen montieren, anseilen und dann gings los als Sechserseilschaft auf den Gletscher gegen diesen mächtigen Berg hin. Das Tempo war jetzt angenehmer, ich war wohl nicht der Einzige, dem es vorhin zu schnell war. Die Sonne musste nun auch aufgegangen sein, sie erleuchtete die wunderschönen Berge auf der anderen Talseite in einem wunderschönen rot. Es war wirklich kalt im Schatten des Weissmieses aufzusteigen, und ich hatte ein wenig Kopfweh.
Die Verhältnisse waren sehr gut, die Spalten konnten überall gut umgangen werden und die Spur war sehr gleichmässig steil angelegt. Vor uns zeichnete sich der Grat ab und die Sonne schien uns plötzlich ins Gesicht.
Läck du mer! Unbeschreiblich, dieser Ausblick auf die andere Seite runter! Dies muss es wohl sein, warum man nicht mehr von den Bergen loskommt, wenn man mal so was Eindrückliches gesehen hat und erleben durfte.
Der Weg über den Grat auf den Gipfel war noch weit, aber mit dieser Aussicht um uns herum kamen wir flott voran und ich hatte weit weniger Mühe als einige unserer gestandenen Mannen.
Ich hatte es geschafft, mein erster 4000er!
Auf der anderen Seite des Gipfels führte ein wunderschöner Schneegrat hinunter, der für mich extrem gefährlich aussah. Es kamen zwei Leute darüber, dies mussten wohl Extrembergsteiger sein?
Wir gratulierten uns und jeder war unendlich zufrieden dort oben stehen zu dürfen. Zu meinem Erstaunen beobachtete ich bei einigen Mannen Tränen im Gesicht, sowas? Heute verstehe ich das viel besser und es kommt bei mir auch immer wieder vor.
Der Abstieg war danach für mich Erholung und Spass zugleich, einige Passagen konnten wir auf dem Hosenboden machen! Das Wetter zeigte sich von der schönsten Seite. Mir wurde erst jetzt bewusst wie schön es ist, sich im Sommer im Schnee zu bewegen, als ich das dunkle grün unten im Tal sah.
Abseilen, Steigeisen weg, trinken, was noch übrig war und weiter mit einem nun wieder viel gewichtigeren Rucksack Richtung Weissmieshütte. Nach einem grossen Bier für die grossen Mannen ging es runter zur Bahn und zurück zum Auto.
In der Zwischenzeit durfte ich wieder drei Mal auf dem Gipfel des Weissmieses stehen. Einmal als ich meinen Schwager auf seinen ersten Viertausender begleiten konnte, überschritten wir den Berg. Ebenfalls durfte ich eine Bächli Ausbildung mitmachen, bei der wir einen Tag in der Nähe der Almagellerhütte kletterten und am nächsten Tag den Weissmies überschritten haben.
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