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Tanz in der Vertikalen

Alexandra Schweikart, Mittwoch, 13. Juli 2022

Über Kletterschuhe kann man stundenlang philosophieren – schon allein deshalb, weil es inzwischen hunderte Modelle zu kaufen gibt. Die müssen Sie aber nicht alle durchprobieren, wenn Sie das folgende Grundwissen zum Thema Kletterschuhe beherzigen.

Topathleten nutzen ihre Füsse beim Klettern wie zusätzliche Hände: Sie ziehen und schieben damit, sie hooken mit der Ferse und fangen den Schwung mit den Zehen ab. Das alles ermöglicht ein Kletterschuh, gefertigt aus nur wenige Millimeter dickem Material.


Gib Gummi

Warum halten Kletterschuhe selbst auf winzigen Tritten? Das Geheimnis liegt in der speziellen Gummimischung, deren Rezeptur viele Hersteller wie ihren Augapfel hüten. Namhafte Hersteller sind hier Vibram und Unparallel Rubber, die bei zahlreichen Kletterschuhen zu finden sind. Um eine gute Haftung auf einem Tritt zu erzeugen, muss der Gummi exakt die richtige Mischung aus «Elastizität» und «Viskosität» aufweisen. Nur dann kann die Interaktion zwischen Schuh und Struktur funktionieren. Der Gummi «fliesst» sozusagen in die kleinsten Vertiefungen im Felsen oder auf einem Kunstgriff und erzeugt so eine maximal grosse Kontaktfläche. Beim Weiterklettern schnellt der Gummi in seine Form zurück, um sich auf dem nächsten Tritt gleich wieder breit zu machen. Wie Sommer und Winterreifen beim Auto sind auch Kletterschuhsohlen auf verschiedene Temperaturen optimiert. Ihre beste Haftung besitzen die meisten bei unter 20 °C. Wer schon bei über 30 °C klettern war, der weiss, dass der Gummi bei Hitze sehr weich und instabil wird.


Herstellung und Materialien

Die Herstellung von Kletterschuhen gehört zur hohen Kunst des Schuhmachens. Viele Schuhhersteller produzieren ausschliesslich in Europa: Scarpa in Italien, Saltic in Tschechien, Tenaya in Spanien. Überwiegend in Handarbeit wird zunächst der obere Teil der Schuhe genäht; hier kommen Naturleder, Kunstleder und Mikrofasermaterialien zum Einsatz. Danach werden die Oberteile auf den jeweiligen Leisten gespannt und die Sohle von unten angeklebt. Bei machen Schuhen kommt noch eine Zwischensohle für zusätzliche Stabilität zum Einsatz. Der Leisten bestimmt die Endform des Schuhs: flach oder mit Downturn, gerade oder asymmetrisch. Ob ein Kletterschuh eine neutrale Position hat oder einen sogenannten «Downturn», erkennt man sofort, wenn man ihn vor sich auf den Boden stellt und von der Seite betrachtet. Neutrale Schuhe stehen mit der ganzen Sohle auf dem Boden. Bei einem starken Downturn berühren nur Fussspitze und Ferse den Boden. Je mehr Downturn, desto weniger muss man aktiv die Zehen aufstellen, um die Kraft auf kleine Tritte zu übertragen – der Druckpunkt liegt durch die geknickte Form bereits vorne auf den Zehen.

Bei Modellen für fortgeschrittene Kletterer bekommt der Schuh bei der Herstellung eine sogenannte «Vorspannung» verpasst. Dazu wird die Ferse über Gummi-Einsätze näher Richtung Fussspitze gezogen, um so eine Spannung zwischen Zehen und Ferse zu erzeugen. Sinn dahinter ist, dass man mit weniger Anstrengung kleinere Tritte «krallen» kann, sie sozusagen zu sich herziehen kann, um das Gewicht optimal auf den Tritt zu übertragen. Mit flachen Schuhen ohne Downturn und Vorspannung geht das zwar auch, erfordert jedoch mehr Muskelkraft.


vlnr: Flach ohne Vorspannung, flach mit Vorspannung, Downturn und Vorspannung


Slipper, Klett oder Schnürer

Drei verschiedene Arten von Schliesssystemen gibt es; alle haben ihre Vorzüge. Schnürschuhe lassen sich entlang des gesamten Fusses individuell regulieren und auf das eigene Fussvolumen anpassen. Auch kann man sie − je nach Tagesform und Bedarf − lockerer oder fester zuschnüren. Ein Schuh mit Klett hingegen ist schneller angelegt, viele Schuhe werden mit zwei Klettverschlüssen produziert und können besser in der Weite reguliert werden. Schon beim Kauf sollten Kletterschuhe mit Klett gut am Fuss sitzen, sie kann man weniger nachjustieren. Noch wichtiger ist ein idealer Sitz beim Slipper. Diesen Schuh trägt man wie eine Socke, lediglich an der Öffnung gibt es elastische Einsätze, die das Hineinschlüpfen erleichtern. Mancher Slipper hat noch einen Klett zur Fixierung. Aber: Slipper müssen von Anfang an perfekt sitzen!


Katzenpfötchen und Adlerkrallen

Nicht nur die Gummimischung, auch der ganze Kletterschuh kann entweder butterweich sein oder hart wie ein Holzbrett. Weiche Schuhe haben oft eine zweigeteilte Sohle. Diese Schuhe verbiegen und verwinden sich, was man mit Bein und Fussmuskulatur ausgleichen muss. Dafür hat man in weichen Finken viel Gefühl und kann mehr Schuhfläche auf grosse Volumen in der Boulderhalle bringen. Dagegen haben harte Schuhe oft noch eine steifere Zwischensohle und geben dem Fuss mehr Halt. Einsteiger sollten mit eher harten Schuhen beginnen, mit denen man zwar weniger Gefühl hat, dafür aber maximalen Schutz und Unterstützung für die (noch) untrainierte Fussmuskulatur. Alle Härtegrade werden mittlerweile mit allen Schuhformen kombiniert, es gibt auch harte Kletterschuhe mit oder ohne Downturn.


Neubesohlung

Viele Kletterschuh-Marken achten auf eine gute Verarbeitung, um eine lange Lebensdauer der Schuhe zu gewährleisten. Ähnlich wie bei einem Autoreifen hält ein Kletterfinken eine gewisse Strecke, aber auch bei guter Qualität kann ein Schuh schnell durchgeklettert sein, wenn man entsprechend viel klettert oder keine saubere Fusstechnik hat. Kletterschuhe kann man wiederbesohlen, am besten geht das bei Modellen ohne Vorspannung. Bei Bächli Bergsport nehmen wir jede Art von Kletterschuh zur Neubesohlung entgegen.


Den Traumschuh finden

Wie der Prinz bei Aschenputtel sollte man so lange suchen, bis man den passenden Kletterfinken für den Fuss gefunden hat. Eines vorweg: ein Kletterschuh wird nie so bequem sein wie ein Turnschuh. Um seine Funktion voll zu entfalten, nämlich mit den Zehenspitzen auf kleinen Tritten zu stehen, muss der Fuss satt im Kletterschuh sitzen. Die Zehen stehen vorne an der Schuhspitze an und im Spann und Fersenbereich befindet sich keinerlei Luft. Schmerzen darf der Schuh nicht: Wenn man vor lauter Tränen in den Augen die Tritte nicht mehr sieht, kommt man auch keine Wände hinauf! Sind die Schuhe allerdings zu gross, biegen sich die Zehen in der Schuhspitze auf dem Tritt nach oben, man rutscht ab und bekommt Löcher in den Schuhen. Kraft kann so kaum übertragen werden. Probieren Sie in aller Ruhe mehrere Modelle an. Für die Ladys gilt: Es gibt von vielen Marken Frauenmodelle, die etwas schmäler geschnitten sind und eine engere Ferse haben. Um die richtige Grösse zu finden, schlüpft man zunächst hinein, beginnend mit der Strassenschuhgrösse. Von dort kann man sich nach unten arbeiten, bis der Schuh rundum satt und eng anliegt. Die Zehen dürfen leicht aufgestellt sein.

Alle Bächli-Filialen haben eine kleine Wand mit Tritten, an denen man die Schuhe testen kann. Ein kleiner Trick hilft, die richtige Grösse zu finden. Man legt den Finken an, der einem etwas zu eng vorkommt, und geht damit fünf Minuten umher. Dann zieht man ihn aus und wartet eine Minute, bis man ihn wieder anlegt. Wenn er sich nun perfekt anfühlt, hat man den richtigen Schuh gefunden!

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