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Besser Klettern dank Fingerkrafttraining: Tipps & Übungen

Simeon Brombach, Donnerstag, 08. Februar 2024

Wenn die Landschaft draussen in Weiss getaucht ist, zieht es viele mit den Skis Richtung Berge – das Klettern beschränkt sich dagegen während der Wintermonate oft auf die Halle. Aber für viele ist das auch die einzige Zeit im Jahr, in der die Hallenbesuche regelmässig sind und nicht durch Outdoor-Sessions unterbrochen werden – der ideale Zeitpunkt also, um einen strukturierten Trainingsplan zu verfolgen.

Wer regelmässig klettert, hat wahrscheinlich schon festgestellt, dass die Fingerkraft ein entscheidender Faktor beim Klettern ist – wissenschaftliche Studien belegen das. Die maximale Fingerkraft bestimmt die maximale Leistung im Klettern, Fingerverletzungen sind zudem die häufigsten Verletzungen im Klettersport. Für beides hilft ein strukturiertes und richtig dosiertes Fingerkrafttraining. Das mag auf den ersten Blick komplex und zeitaufwändig erscheinen – darum haben wir einige Informationen zusammengestellt, mit denen du eine einfache und kurze Fingerkraft-Routine auf dich anpassen kannst. Mit den neusten Methoden und regelmässigem Training kannst du Verletzungen vorbeugen und dich ideal auf deine Frühlings- und Sommerprojekte vorbereiten.


Voraussetzungen für intensives Fingerkrafttraining

Bevor es an die Trainingsvorschläge geht, ist es wichtig einige Voraussetzungen zu beachten, um Verletzungen zu vermeiden und gute Ergebnisse zu erzielen.

Alter: Die trainierende Person sollte 16 Jahre oder älter sein – es sollten keine Wachstumsschübe mehr zu erwarten sein. Es besteht ein Zusammenhang zwischen intensivem Fingertraining vor der Pubertät und schweren Verletzungen. Die gefährlichste Phase ist der Wachstumsschub, der bei Mädchen im Alter von 11–12 Jahren und bei Jungen im Alter von 13–14 Jahren stattfindet. Das erhöhte Verletzungsrisiko bleibt bestehen, bis sich die Wachstumsfugen geschlossen haben. 

Verletzungen: Kletternde sollten verletzungsfrei sein. Leichtere Verletzungen brauchen mindestens 2 Monate, um zu verheilen; bei schwereren Verletzungen kann es 6 Monate oder länger dauern. Sobald die sogenannte «subakute Phase» vorbei ist – etwa zwei bis sechs Wochen nach der Verletzung, je nach Schwere – und das Wiederherstellungstraining begonnen hat, sind z.B. Dead Hangs theoretisch wieder möglich. Am besten geschieht dies mit Begleitung von erfahrenen Physiotherapeut:innen oder Ärzt:innen. Die unten erklärten Übungen sind nur für verletzungsfreie Kletternde geeignet.

Kombination: Fingerkrafttraining ist eine Ergänzung zum Training der Kletter-Technik. Steht nur wenig Zeit für das Training zur Verfügung, sollte die Arbeit an der Klettertechnik nicht zugunsten des Fingertrainings vernachlässigt werden. Technische Fortschritte können durch regelmässiges Training in der Sporthalle erzielt werden und sind gerade in den ersten Jahren enorm wichtig.

 

Dead Hangs und schmale Leisten: Training am Hangboard

Das wohl beliebteste Trainingsgerät der Kletterer für Fingerkrafttraining ist das sogenannte Trainingsboard (manchmal auch als Hang- oder Fingerboard bezeichnet). An ihm können Übungen wie Dead Hangs oder das Hängen an schmalen Leisten trainiert werden. Wie lange Kletternde maximal ohne Unterbrechung an einer Leiste hängen können, sagt viel über ihre Hand-Arm-Kraft und Ausdauer und somit über die Steigleistung aus.

Welche Methode und Frequenz für das Training am Board gewählt wird, hängt von mehreren Faktoren ab: zum einen davon, wie individuelle Eigenschaften wie Trainingserfahrung, Alter, oder Fingerkraft bewertet werden; zum anderen davon, welche Ziele erreicht werden sollen. Soll beispielsweise nur eine einzelne Griff-Art wie der halb aufgestellte oder der offene Griff (siehe Bilder) verbessert werden, oder soll die Griffkraft generell gesteigert werden? Im ersten Fall reicht es zum Beispiel, die gewünschte Griff-Art einfach in die Aufwärmroutine zu verpacken.

Der halb aufgestellte (links) oder der offene Griff (rechts) können spezifisch trainiert werden.

Programm für starke Finger: Density und Speed Hang

Um starke Finger für den Klettersport zu bekommen, müssen folgende Elemente trainiert werden:

  • Die Muskelmasse der Fingerbeuger und -Strecker
  • Die Rekrutierungsrate (schnelle Verfügbarkeit) dieser Muskeleinheiten
  • Die Elastizität und Dichte der Sehnen und Bänder

Diese Elemente können mit unterschiedlichen Methoden gesteigert werden. Für mehr Muskelmasse wird eine längere Belastungszeit mit einer tieferen Intensität bis zum Muskelversagen benötigt, für eine höhere und schnellere Rekrutierungsrate eine kurze, maximale Belastung. Und zuletzt kann die Elastizität und Dichte der Sehnen durch lange Belastungen ohne Beschleunigung oder – für fortgeschrittene Athlet:innen – mit kurzen Belastungen unter Beschleunigung verbessert werden. Das klingt nun alles wieder sehr komplex. Daher stellen wir zwei Fingerkraftprotokolle vor, mit denen diese verschiedenen Komponenten trainiert werden können.

Für das Fingerkrafttraining ist das sogenannte Trainingsboard (auch Hang- oder Fingerboard) ideal geeignet.

Density Hang für mehr Muskelmasse

Bei dieser Art von Hang ist die Intensität eher tiefer und die Belastungsdauer etwas länger. Das spricht zum einen die Entwicklung der Muskelmasse an, zum anderen die Entwicklung von stärkeren Sehnen und Bändern. Um die Belastung hier korrekt zu dosieren, benötigst du eine Griffgrösse, die du mit beiden Händen zwischen 20 und 40 Sekunden halten kannst. Idealerweise kann der gewählte Griff unmöglich länger als 40 Sekunden gehalten werden, man hängt also bis zum Muskelversagen. Wer in der ersten Wiederholung locker 30 Sekunden hängen kann, sollte einen kleineren/schlechteren Griff wählen.

Das Programm für diese Hangs könnte zum Beispiel so aussehen:

  • Wiederholungen: 3-5
  • Pausen zwischen Wiederholungen: 3-5 Minuten
  • Sätze: 1-2

Recruitment/ Speed Hangs für schnellere Kraftverfügbarkeit

Nun wird die Intensität gesteigert und die Belastungszeit drastisch gesenkt. Im Fokus steht die Rekrutierungsgeschwindigkeit der verfügbaren Kraft. Bei diesem Hang wird nur eine Hand auf einen Griff gelegt, der Arm sollte bereits leicht gebeugt sein. Nun ziehst du über 5 – 10 Sekunden immer stärker an diesem Griff und hältst die maximale Belastung für 2 – 3 Sekunden. Das Ziel hier ist es nicht, einarmig am Griff zu hängen, sondern so viel Kraft wie nur möglich auf den Griff zu bringen. Das Ganze wird anschliessend mit dem anderen Arm wiederholt. Nach und nach kannst du die Zeit, in der du die Kraft langsam auf den Griff bringst, immer weiter verkürzen und so die Beschleunigung auf die Finger erhöhen. Auch hier kannst du die Schwierigkeit erhöhen, indem du einen kleineren/schlechteren Griff wählst.

Das Programm für diese Hangs könnte zum Beispiel so aussehen:

  • Wiederholungen: 6-8
  • Pausen zwischen Wiederholungen: 3 
  • Sätze: 1-2


Es kann auf schnelle Kraftverfügbarkeit oder Muskelmasse trainiert werden.

Wer profitiert vom Fingertraining?

Von einem routinierten Fingertraining profitieren grundsätzlich die meisten Menschen, und diese zwei Trainingsmethoden bieten den einfachsten Einstieg dazu. Insbesondere für Anfänger:innen ist dies ein guter Start. Gleichzeitig kann die Intensität bei beiden Programmen problemlos auch für Fortgeschrittene angepasst werden. Diese benötigen in der Regel mehr einzigartige Stimuli, um weitere Adaptionen zu erzielen, wie zum Beispiel Mikro-Griffe oder Zusatzgewicht. Es gilt weiter: «Die Fingerkraft eines Kletterers ist niemals so gut, dass er sich keine Gedanken darüber machen kann.»


Wann und wie oft die Finger trainiert werden sollten

Der Zeitpunkt, indem du das Fingertraining erledigen kannst, ist der beste Zeitpunkt es zu erledigen. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege dazu, dass ein Fingerkrafttraining vor dem Klettern oder an einem anderen Tag bessere Resultate erzielt.

Generell gilt es aber seine eigenen Energiereserven einzuschätzen und die Belastungsintensität gut im Griff zu haben. Ein Fingerkrafttraining sollte immer ohne Vorermüdung durchgeführt werden. Wenn man das Fingertraining direkt vor dem Klettern durchführen möchte, lohnt es sich, eine kurze Pause von 15-30 Minuten dazwischen einzulegen oder das Volumen und die Intensität des Kletterns etwas anzupassen.


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