Nachdem ich bei den letzten 4000er Besteigungen (Dent Blanche 4358m, Ober Gabelhorn 4064m) die nötige Routine für alpine Felstouren und kombinierte Routen zurückerlangte, wollte ich die Gunst der Stunde nutzen, und zusammen mit Adi das Schreckhorn 4078m über den Südwestgrat besteigen. Natürlich hatten wir auch die Überschreitung zum Lauteraarhorn 4042m angedacht, aber für eine Tagestour ab Grindelwald herrschten heute möglichweise nicht ganz optimale Bedinungen. Denn es hatte erst kürzlich geschneit, und am Lauteraargrat würde möglicherweise noch etwas Schnee liegen, und wir würden gezwungen mit Steigeisen zu klettern. Das verlangsamte die Angelegenheit, und der ansonsten schon lange Tag würde dann noch länger werden. Am Schreckhorn SW-Grat dagegen war der Schnee schon mehrheitlich weggeschmolzen, und wir würden dort zügig vorankommen. So begnügten wir uns mit dieser leicht verkürzten Tagestour Variante, und dem Auf- und Abstieg über die Normalroute.
Wir starteten mitten in der Nacht in Grindelwald (Marmorbruch Pkt. 1107m). Im Stirnlampenlicht liefen wir auf dem blau-weissen Wanderweg der Schreckhornhütte 2527m entgegen. Bei einer Quelle füllten wir noch unsere Wasservorräte, bevor es klettersteigähnlich zur Hütte empor ging. Hoch am Himmel sahen wir bereits Stirnlampenlichter von Gipfelaspiranten, welche bei der Hütte gestartet waren und sich Richtung Schreckhorn bewegten. Oder waren es doch bloss Sterne gewesen?
Kurz unterhalb der Hütte verliessen wir den Wanderweg und stiegen auf Wegspuren zum Gletscher hinab. Immer noch mit kurzen Hosen und Turnschuhen liefen wir über den aperen Gletscher, bevor wir die reflektierenden Katzenaugen erblickten, die uns schräg über ein Band sicher über den Felsriegel leiteten. In vielen Zig-Zags erreichten wir schliesslich den Gaagg. Unterdessen war die Sonne aufgegangen, Eiger und Mönch erstrahlten im goldenen Morgenlicht, ein erhabener Moment! Hier, am Beginn des Schreckfirns auf 3170m, montierten wir schliesslich die komplette Hochtourenausrüstung, um nach einer kurzen Verpflegungspause über den Schreckfirn zum Einstieg des SW-Grates zu gelangen.
Inzwischen hatten wir die beiden Seilschaften, die bei der Hütte gestartet waren, eingeholt. Sie liessen uns passieren, und so konnten wir uns in der Folge ausschliesslich aufs Klettern konzentrieren, ohne Angst zu haben von Steinen getroffen zu werden. Steinschlag zählt auch am Schreckhorn zu den grössten Risiken, immer wieder kommt es so zu tödlichen Unfällen. Natürlich waren auch wir darauf bedacht, möglichst wie Katzen zu steigen und keine Steine auszulösen. Wir kletterten am laufenden Seil, ab und zu konnten wir bei eingerichteten Abseilständen oder Bohrhaken Zwischensicherungen anbringen. Zusätzliche Absicherungen waren für unseren Gusto nicht notwendig. Auf der Schulter legten wir eine weitere, kurze Verpflegungs- respektive Verschnaufpause ein, bevor wir den letzten, steilen Teil in Angriff nahmen. Herrliche Kletterei und toller Fels versetzten uns wiederum in den Flow, und so kam es, dass wir nur wenige Zeit später die geräumige Gipfelabdachung erreichten. Ohne zu hetzen, und fern der Absicht irgendeine Bestzeit aufzustellen, benötigten wir von Grindelwald bis auf den Gipfel lediglich 5:30 Std! Natürlich waren wir schon auch etwas stolz, es war einfach toll wenn alles so rund lief, und man sich auf seinen Partner verlassen konnte!
Nachdem wir das Panorama genossen hatten, ging es an die lange Abseilfahrt. Dafür benötigten wir beinahe 2 Stunden und somit einiges länger als für die Kletterei. Natürlich liessen wir es entspannter angehen als im Aufstieg. Zurück auf dem Schreckfirn liefen wir hinab zum Gaagg und zurück zur Schreckhornhütte 2527m. Richard Riedi, der neue Hüttenwart, meinte er höre nicht recht, als wir ihm von unserer (Tor)Tour erzählten. Schnelle Seilschaften benötigten gute 5 Stunden von der Hütte auf den Gipfel meinte er, und nicht wenige bräuchten 15h von Hütte zu Hütte.
Nach einer ausgedehnten Pause nahmen wir Abschied und machten uns an den langen Abstieg nach Grindelwald.
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