Was wäre, wenn ...», überlegte Martin Volken vor 15 Jahren. «Was wäre, wenn man einen taillierten Pistenski für Skitouren tunen würde?» Tailliert und breit genug für gute Fahrperformance. Gleichzeitig leicht genug, um auch längere Aufstiege bewältigen zu können. Ein Tourenski, mit dem das Spiel mit dem Gelände so richtig Spass machen würde. Diese Gedanken kamen nicht von ungefähr. Bei zahlreichen Erstbefahrungen war der heute 53-jährige Auswanderer aus der Schweiz oft viele Tage lang mit schwerem Rucksack und Zelt als Bergführer in den USA unterwegs. Jahre zuvor hatte er das Wallis gegen die North Cascades im Hinterland von Seattle getauscht. Das, was die Tourenski damals im harten Einsatz hergaben, fiel nur sehr bedingt unter die Kategorie «Abfahrtsspass».
«Ich schrieb einen Brief an den Chef von K2», erinnert sich Volken. «Keine Antwort! Also griff ich zum Telefon.» Die Begeisterung auf der anderen Seite der Leitung hielt sich in Grenzen. Volkens Brief geriet in Vergessenheit – fast. Denn wenig später übernahm Mike Hattrup das Backcountry Department von K2. Zeitgleich machte er eine Ausbildung zum Skibergführer. Er liebte es, mit Telemark-Ski einsame Bergregionen zu erkunden. Eines Tages stiess er auf den
Brief von Martin Volken. War an dieser Idee etwas dran? Jetzt war es Hattrup, der zum Telefon griff. Volken hatte sogar schon einen Namen für den Ski: Shuksan, benannt nach dem Nachbargipfel des Mount Baker, 100 Meilen nördlich von Seattle. Bald experimentierten Volken und Hattrup mit ersten Prototypen. Noch überwog die Skepsis – würde es einen Markt geben für diese Art Ski? Volken liess jedoch nicht locker, und schliesslich gab sich Hattrup geschlagen: «Ok», sagte er, «wir bauen den Ski. Aber dann lässt du mich endlich in Ruhe mit diesem Shuksan!»
Der Shuksan war noch kein Bestseller, sorgte aber vor allem in Europa für Aufsehen in der Tourenszene. Bald gesellten sich zum Shuksan zwei breitere Brüder: der Mt. Baker und der Mt. Baker superlight. Aus dieser Skilinie entwickelte sich weniger Jahre später die K2 Wayback Serie – ein moderner Klassiker, der heute mit rund 14’000 verkauften Modellen pro Jahr zu den beliebtesten Tourenski in Europa zählt.
EINFACH MAL SPINNEN ...
Die Firmengeschichte zeigt: Auch unkonventionelle Ideen zuzulassen hat bei K2 Tradition. Schon die ersten K2 Ski überhaupt leiteten eine neue Richtung im Skibau ein. Das Familienunternehmen der Brüder H. William und Billy Kirschner (deshalb K2) stellte aus Fiberglas Boxen für Tiere her und Schienen, mit denen Tierärzte Brüche ihrer Patienten behandelten. Bill war jedoch der Ansicht, dass aus dem vielseitigen Material doch noch bedeutend spassigere Dinge entstehen könnten. 1962 entwickelte er auf Vashon Island, dem langjährigen Firmensitz nahe Seattle, den ersten Ski aus Fiberglas, eine Alternative zu den damals angesagten Metall-Konstruktionen. Die Marke K2 war geboren.
Einfach mal spinnen. Das ist bei K2 kein Vorwurf, sondern fixes Element kreativer Entwicklungs- und Marketing-Arbeit. So war und ist K2 ein Schmelztiegel schillernder
Persönlichkeiten: in den 70er- und 80er-Jahren mischten die Zwillingsbrüder Phil und Steve Mare als bunte Hunde zwischen den Slalomstangen den Ski-Weltcup auf. Ende der 90er-Jahre entschied sich K2 ganz bewusst, einen anderen Weg zu gehen als die meisten anderen namhaften Skibrands. K2 verabschiedete sich aus dem alpinen Skirennsport. «Eine wegweisende Entscheidung», sagt Felix Bösch, Sales und Country Manager Schweiz bei K2. «Denn nun konnten mehr Entwicklungskapazitäten und mehr Budget in Produkte für dich und mich fliessen.»
Zur gleichen Zeit entwickelte sich die neue Backcountry-Skiszene: jung, radikal, kreativ, eigenwillig und ein bisschen verrückt. Genau hier gab K2 richtig Gas. Der Ski-Movie «The Blizzard of Aahhh’s» war wie ein Startsignal für die Ära der grossen Freeski- und Freeride-Legenden. Glen Plake, Scot Schmidt, Brad Holmes, Seth Morrison, Kent Kreitler, Doug Coombs, Shane McConkey ... das waren nicht einfach nur gesponserte K2-Teamfahrer. Sie waren Ski-Punks und die Rockstars der Szene, und ihre Ideen veränderten die Skiindustrie. 2005 schnappt sich McConkey das breiteste Skimodell seines neuen Sponsors K2. Mit einem Draht von der Bindung zur Schaufel biegt er die Skispitze nach oben. Der Rocker-Ski nimmt Fahrt auf. Bei K2 führt man McConkeys Idee weiter und konstruiert einen breiten Powder-Ski, der unter der Bindung keine Vorspannung besitzt und vorne und hinten deutlich aufgebogen ist: der K2 Pontoon. «Er ist heute noch Teil unserer Skikollektion und findet immer noch neue Fans», bemerkt Felix Bösch. K2 zählt zu den ersten Firmen, die auch bei Pistenski voll auf Rocker setzen.
SALESMAN IM SUPERMAN-OUTFIT
So irre die Anekdoten der Entwicklungsarbeit klingen, so konsequent und akribisch setzt K2 die Ideen in gemässigter Form auch in der grossen Serienproduktion um. «Bei uns laufen halt manche Dinge anders», meint Felix Bösch. Spass nimmt man bei K2 ernst. Was bei manch anderem Skihersteller als gekünstelte Marketing-Aktion rüberkommt, wirkt hier erstaunlich authentisch. Skifahren, das ist bei K2 immer auch Party – aber nicht Schlager und Schirmbar, sondern Indie, Punk und Rock’n’Roll. Dass Verkaufsrepräsentant Tom Beach 20 Jahre lang bei wichtigen Sales- und Marketing-Terminen als «Captain K2» im Superman-Kostüm mit K2-Logo auftrat, klingt da fast schon normal. Ebenso die Story vom ersten Wet-T-Shirt- Contest aller Zeiten, mit dem K2 sogar im «Playboy» landete – und die Veranstalter fast im Knast, hätten die Gesetzeshüter dabei nicht selbst gerne ein Auge riskiert und anschliessend grosszügig zugedrückt.
Eine reine Jux-Company ist K2 beileibe nicht. Schon seit 20 Jahren baut K2 mit einem eigenen weiblichen Entwicklungsteam Ski für Frauen, unterstützt die Breast Cancer Research Foundation. Die Shane McConkey Foundation setzt sich für Natur- und Umweltschutz ein, die Doug Coombs Stiftung für Kinder aus minder bemitteltem Hause. Die Welt mit Skifahren besser, bunter und lustiger zu machen, das klingt plötzlich nicht mehr nach Utopie. Auch bei der Herstellung der aktuellen Touren-Ski, Freeride- und Allmountain-Modelle bemühen sich die Verantwortlichen bei K2 darum. Entwickelt werden die Ski im K2 Research
& Development Center in Seattle, produziert in China. «Wir haben dort vor drei Jahren eine neue Fabrik für Ski und Snowboards gebaut, auf dem neuesten Stand der Technik», erklärt Felix Bösch. «Dabei stehen Qualität und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt.» Im Klartext heisst das: energie- effiziente und ressourcenschonende Produktion. «Der Öko-Traumski mit viel Hanf und Biobaumwolle ist leider noch Utopie», meint Bösch augenzwinkernd. «Aber die Verwendung von schnell nachwachsenden Holzarten für die Skikerne ist ein Anfang.» Zusätzlich würden Geschäfts- reisen und Businessflüge aufs Wesentliche begrenzt.
Martin Volken ist gerade von einem Prototypen-Test in den Cascade Mountains zurückgekommen. Was er und seine K2-Kollegen für die Zukunft im Köcher haben, damit will er noch nicht so recht herausrücken. Wie schon beim «Shuksan» und der aktuellen Wayback-Linie wird der Schwerpunkt wohl wieder auf hoher Fahrperformance liegen. «Es ist leicht, leichte Ski zu bauen. Es ist leicht, Ski mit guter Fahrperformance zu bauen. Aber es ist aufwendig, Ski zu bauen, die Leichtigkeit, Stabilität und Haltbarkeit vereinen», erklärt Volken die Philosophie, nicht kompromisslos nur auf minimales Gewicht zu setzen. Dabei dürfte eines auch in Zukunft sicher sein: K2 wird die Freude an überraschen- den Ideen nicht verlieren. «Wenn’s Spass macht, bist du in der richtigen Spur», meint Felix Bösch.
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