Zu Berge trägt man Wanderschuhe. So oder so ähnlich klingt es seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten als Faustregel, wenn das Missionsziel irgendein Gipfel ist oder zumindest in dessen Gefilden umherstolziert wird. Doch die arge Pauschalisierung wird weder dem sportlichen Ziel, noch dem Typus Schuhwerk gerecht. Was bedeutet denn «zu Berge gehen» und was genau ist «ein Wanderschuh»? Für Bergsport-Einsteigende ist der gemächliche Voralpen-Wanderweg eine Herausforderung, für andere ist es die Annapurna.
Schubladendenken
Welche Bergsportausrüstung Sinn ergibt, hängt unter anderem von der eigenen Erfahrung und der physischen Fitness ab. Diese Faktoren wälzen sich vor allem auf die Schuhe ab. Um vorab jedoch die Frage, was denn nun ein Wanderschuh sei, zu beantworten: Ja, es gibt eine klare Definition. Bergschuhe werden in Kategorien unterteilt. Findige Köpfe beim Traditionshersteller Meindl tüftelten in den 70er-Jahren an einer Vereinheitlichung, um ihre Schuhmodelle klassifizieren zu können. Daraus sind die Kategorien A bis D entstanden, die im Laufe der Zeit durch Zwischenstufen erweitert wurden.
Kategorie A: Freizeitschuhe, Wanderschuhe, Speed-Hiking, Zustiegsschuhe
Einsatz: Freizeit, Alltag, Reisen
Anspruch: Gute Wege, Parkanlagen, Alltag
Kategorie A/B: Hohe Wanderschuhe
Einsatz: Leichte Wanderungen, Voralpen
Anspruch: Gute und weniger gute Wege
Kategorie B:Trekkingschuhe
Einsatz: Anspruchsvolle Wanderungen
Anspruch: Unter anderem schlechte Wege, Steige
Kategorie B/C: Schwere Trekkingschuhe
Einsatz: Anspruchsvolle Wanderungen, bedingt steigeisenfest
Anspruch: Unter anderem schlechte Wege, felsiges Gelände, Geröll, Klettersteige
Kategorie C: Bergschhuhe
Einsatz: Hochgebirgstouren, bedingt steigeisenfest
Anspruch: Gletscher, wegloses Gelände, Geröll, Klettersteige
Kategorie D: Bergschuhe, Expeditionsschuhe
Einsatz: Absolut steigeisenfest
Anspruch: Gletscher, wegloses Gelände, Eistouren, Eisklettern
Die Allermeisten Berggänger*innen werden sich wohl in den Kategorien B und C wiederfinden. Aber hier kommt nun die Erfahrung zum Zug. Wer routiniert in bergigem Gelände unterwegs ist, wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch mit knöchelhohen Zustiegsschuhen der Kategorie A auf groben Wegen wohlfühlen. Dasselbe gilt für Trailrunningschuhe. Wer sich hingegen unsicher fühlt, darf selbstverständlich gut und gerne auch die Kategorie-B Schuhe für die gemütliche Seeumrundung anziehen.
Definition von Sicherheit
Wichtig ist letztlich die Sicherheit, die einem Schuhe geben. Und Sicherheit muss nicht per se heissen, dass er im Falle des Bergsports über die Knöchel geht und dem Bild eines typischen Wanderschuhs entspricht – womit wir wieder bei der eingangs erwähnten Pauschalisierung wären. Für manche bedeutet Sicherheit ein feinfühliges Trittverhalten oder die Aussicht auf wenig Ermüdung. Beides spricht für einen leichten Schuh.
Doch worauf kommt es an? Wenn die Grenzen so fliessend sind und anscheinend nur das gute Gefühl zählt, dann können auch die Sneaker, Sandalen und High Heels für den Gipfelaufstieg getragen werden? So einfach ist es nicht. Schuster bleib bei deinen Leisten. Wortwörtlich.
Ein Bergschuh ist – wie es der Name offensichtlich impliziert – für die Berge gemacht. Das wichtigste Augenmerk ist dabei die Sohle. Sie ist das Herzstück eines jeden Schuhs und verleiht Grip auf steinigem Untergrund. Wer mehr über die Wissenschaft der Gummimischung lesen möchte, kann dies hier auf unserem Blog tun. Kurzum: Der Sneaker für die Strasse und die Sandalen für den Strand haben diese hochtechnischen Sohlen nicht. Noch konkreter: Solche Schuhe können in den Bergen eine reelle Gefahr werden.
Leicht und hoch
Auch die Welt der Bergschuhe ist nicht von Trends versehrt. Zum Glück nicht, wir würden sonst wohl auch heute noch mit Stollenschuhen über Gletscher wackeln. Künstliche und hochtechnische Materialien erlauben Experimente, die bis vor nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen wären. So entwickelt sich momentan eine Nische von ultraleichten Schuhen, die fürs gröbste Gelände geeignet sind.
Neue Disziplinen wie das Speed Hiking begünstigten diese Art von Schuhen. Die Idee: Kaum spürbar, gemacht für explizit schnelles Vorankommen und dennoch zumindest bedingt steigeisenfest. Der Aequilibrium von La Sportiva oder der Taiss von Mammut sind Beispiele solcher Modelle. Fast schon futuristisch anmutend sind sie für den Performancebereich konzipiert. Das wiederum bedeutet, dass ihr Verschleiss entsprechend hoch ist – hundert Prozent Leistung hat seinen Preis. Und man sieht, auch hier verwäscht sich die Definition und eine klare Antwort eines allgemein gültigen Schuhs für den Bergsport lässt sich nicht finden.
Zugeschnürt und festgebunden
Ein weiterer Punkt, den Bergschuhe in der Regel teilen: Eine ausgeklügelte Schnürung. Wer Höhenmeter in Angriff nimmt, wird aufwärts und irgendwann abwärts gehen. Dabei ist es wichtig, den Antritt entweder über die Zehen oder die Ferse zu nehmen – zumindest grob umschrieben. Dies erreicht man mit einer differenzierten Schnürung, die den Spann und den Schaft individuell festzurrt. Auch Feststellösen sind bei Bergschuhen gang und gäbe. Mit ihnen lassen sich Schnürsenkel quasi blockieren. Es gibt dabei etliche verschiedene Varianten, die bis zu Modellen gehen, bei denen sich die Zehenbox enganliegend zusammenziehen lässt, um effizienter klettern zu können. Die Quintessenz davon ist auch hier, dass es quasi für jeden Einsatz ein spezifisches Angebot gibt, das den jeweiligen Fähigkeiten und Ansprüchen des Trägers oder der Trägerin entsprechen kann.
Die Welt der Bergschuhe ist keine simple. Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht. Nur allenfalls ein passend oder unpassend. Wer den idealen Berg-Begleiter für seine Füsse finden möchte, schaut am besten in einer unserer Filialen vorbei uns lässt sich durch unsere Profis beraten.
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