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Der Skischuh im 3D-Drucker

Fabian Reichle & Josua Lay, Mittwoch, 16. März 2022

Recycling ist faszinierend. Moderne Techniken erlauben es, aus altem Material etwas völlig Neues zu kreieren. Doch auch wenn die Ideen hinter der Wiederverwertung sympathisch und kreativ sind, so komplex und hindernisreich gestaltet sich oftmals die Umsetzung. Dies zeigt das Beispiel der Stiftung Argo, die aus alten Skischuhen Ressourcen für 3D-Drucker gewinnt.

Aus alt mach neu. Recycling bedeutet die Wiederverwertung von nicht mehr benutzbarem Material. Darin ist die Schweiz vorbildlich. Papier, Karton, Aluminium, Glas und PET – Abfall fein säuberlich sortieren und entsprechend entsorgen gehört fast schon zu unseren nationalen Brauchtümern. Das Schöne daran: Recycling passiert beinahe automatisch. Es ist nicht kompliziert, der Aufwand äusserst gering. Zumindest bis die Behörden die letzte Meile übernehmen und sich tatsächlich um die Wiederverwertung kümmern. Ähnliches beobachten wir in unserer Branche.

Die Stiftung Argo betreibt seit nunmehr über 50 Jahren an mehreren Standorten im Kanton Graubünden Betriebe mit geschützten Werkstätten. Dort werden in erster Linie Aufträge für die hiesige Industrie und das Gewerbe ausgeführt. Eine Dienstleistung, die von der Argo angeboten wird, ist im Recycling-Bereich angesiedelt. Und zwar für ein Produkt, das fast schon sinnbildlich für die Schweiz und insbesondere den Alpenkanton Graubünden steht: Skischuhe. Seit März 2021 arbeitet Bächli Bergsport mit der Stiftung zusammen. Seit Kooperationsbeginn kamen 180 Paare ausgedienter Schuhe unserer Kundinnen und Kunden zusammen.


Viel Aufwand, wenig Ertrag

In einem ersten Schritt werden Schuhe nach Farben sortiert und vom Innenschuh getrennt. Nun geht es vom Groben ins Feine – interessant ist dabei die Plastikschale. Zuerst kommt die Bandsäge zum Zug und zerlegt das Material in grobe Stücke. Danach wird es bereits ein erstes Mal technisch. «Die groben Stücke werden nach dem Zersägen über ein Spektrometer vermessen. Damit wird erkannt, welche Teile aus TPU-Kunststoff, sprich thermoplastisches Polyurethan, bestehen», erklärt Thomas Bruder, der die Argo-Werkstatt in Davos leitet und ergänzt: «Ein Skischuh besteht zu rund der Hälfte aus ebendiesem Kunststofftypen. Dieser wiederum kann als Filament für 3D-Drucker verwendet werden.»

Aus alten Skischuhen entsteht also Rohmaterial für dreidimensionale Drucke. Doch mit der Vermessung des Kunststoffes ist es noch längst nicht getan. Die groben Stücke müssen erst weiter geschreddert und gemahlen werden, bis ein feines Granulat entsteht. Mit Metalldedektoren wird sichergestellt, dass sich keine Fremdkörper im Material befinden. Letztendlich wird der Kunststoff falls nötig gefärbt und via einer Strangpresse zum Druckerfilament geformt. Dieser Prozess findet nicht mehr in der Argo statt.

Recycling ist nicht simpel, wie das Beispiel der Argo zeigt. Aus einem Skischuh wird nicht per Zauberhand ein völlig anderes Produkt – so wie auch aus der Glasflasche aus dem Haushalt nicht plötzlich etwas komplett Neues wird. Bei der Argo weiss man dies. In der Vergangenheit gab es Bestrebungen, aus alten Skischuhen Klettergriffe herzustellen. Das Projekt kam nicht zum Fliegen, die Griffe entsprachen nicht den Qualitätsvorstellungen. Prozesse und Verarbeitung sind komplex, es braucht Knowhow und im Endeffekt muss sich der Aufwand schliesslich finanziell lohnen. Gerade letzteres scheint ein gewisses Frustpotenzial innezuhaben.


Die coole Geschichte, die cooler sein könnte

«Kunststoff ist im Einkauf noch zu günstig, ein grosser Absatz ist uns bislang nie gelungen», hält Thomas Bruder fest, «niemand ist über das Geld gezwungen, recyceltes Filament zu kaufen.» Dass das Konzept funktioniert, wurde bereits mehrfach bestätigt. Die Argo experimentiert seit rund 20 Jahren mit dem Skischuh-Recycling und hat mit der Lösung der Drucker-Filaments mehrere Preise gewonnen. «Trotzdem bleibt es lediglich bei einer coolen Geschichte», resümiert Thomas Bruder.

Das Problem sieht Bruder in der zurückhaltenden Kommunikation von Herstellern und Händlern und kritisiert dabei. Material wird gesammelt und zum Recycling weitergegeben, ohne dabei die komplexen Sachverhalte verstehen zu wollen - aus den Augen, aus dem Sinn. Nur um sich selbst den grünen Nachhaltigkeitsstempel auftragen zu können. Es sei wichtig, dass sich Händler in die Recyclingprozesse miteinbringen. Dass sie aufklären und kommunizieren. Dass sie Teil der Projekte sind – auch mit einem zeitlichen und finanziellen Beitrag. So würden denn auch Prozesse wie die 3D-Filamentherstellung aus Skischuhen besser laufen.

Recycling verlangt, dass sich alle Involvierten eingeben. Als Bächli Bergsport sind wir quasi die Sammelstelle. Wir nehmen Waren an und geben sie weiter. Mit einem selbstkritischen Blick könnten wir mehr machen. Wir müssen transparenter werden, mehr Weitsichtigkeit zeigen und Recyclingpartner unterstützen. Dies versuchen wir in einem ersten Schritt mit Beiträgen wie diesem und einer gesamtheitlichen Kommunikation rund um unser Recyclingprojekt: www.baechli-bergsport.ch/recyclingprojekt.

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