Du warst in den USA über mehrere Jahre für Nonprofit-Organisationen im Bau von Wanderwegen tätig und hast dabei mehrheitlich im Zelt übernachtet. Im Hinblick auf den ökologischen Fussabdruck: Auf was hast du dabei geachtet?
Dass mein Zelt auf einem soliden, trockenen Untergrund steht. Die Gefahr, sensible Ökosysteme zu beschädigen oder gar zu zerstören wird dadurch bereits stark gesenkt.
Warum?
Weil ein weicher Boden in der Regel voller Leben ist. Das müssen nicht einmal auffällige, schöne Blumen sein, im Erdreich leben in jede Menge Insekten, denen man Schaden zufügt, ohne sie überhaupt zu sehen. Aber auch bei vermeintlich zähen und unspektakulären Pflanzen sollte man vorsichtig sein. Solche über der Baumgrenze wachsen teilweise sehr langsam. Wenn man sein Zelt auf sie stellt, zerstört man unter Umständen mehrere Jahre dieses Wachstums.
Was, wenn keine andere Wahl besteht?
Das zählt nur in Notfallsituationen. Ansonsten gilt der Grundsatz: Plane voraus und bereite dich vor. Es gibt genügend Recherchemittel, um im Vornherein zu sehen, wo sich beispielsweise empfindliche Moore, seltene Pflanzen und dergleichen befinden. Lies über die Natur, in die du gehst. Das ist übrigens einer der sieben Grundsätze der Leave no Trace-Initiative.
Was ist das für eine Initiative?
Leave no Trace ist ein Ethik- und Ausbildungsprogramm, das aus den USA stammt. Es ist hier weniger bekannt als in Übersee, aber die Grundsätze lassen sich natürlich überall anwenden. Wer sich daran hält, wird automatisch weniger oder gar keine Spuren in der Natur zurücklassen – eben Leave no Trace.
Keine Spuren hinterlassen, das klingt simpel.
Das ist es. Gleichzeitig gibt es aber auch viele kleine Details. Gerade beim Essensreste wegwerfen.
Wie meinst du das?
Nimm einen Apfel als Beispiel. Du bist in den Bergen und wirfst den Apfelkern weg. Das ist falsch. Nur weil ein Apfel ein natürliches Produkt ist, heisst das noch lange nicht, dass seine Reste in die alpine Umgebung gehören. Oder hast du einmal einen Apfelbaum in den Alpen gesehen? Dasselbe gilt für Bananen- oder Nussschalen. Keine Spuren hinterlassen bedeutet, Abfälle wieder nach Hause zu nehmen, egal welche.
Was ebenfalls nicht ausser Acht gelassen werden darf, ist die Tierwelt. Wenn sich wilde Tiere an Essen gewöhnen, das ihnen eigentlich fremd sein sollte, werden sie von dessen Geruch umso mehr angezogen, wodurch es zu unnötigen oder gar gefährlichen Begegnungen zwischen Mensch und Tier kommen kann. Zudem können ungewohnte Essensreste für Tiere schädlich sein. Es ist dasselbe, wie man Enten am See nicht mit Brot füttern sollte. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Bergwelt.
Gibt es weitere Beispiele, wie man menschliche Spuren minimieren kann?
Wenn wir von Essen sprechen, müssen wir auch davon sprechen, was danach passiert. Es gibt in der Natur keine Toiletten, aber man kann sein Geschäft trotzdem möglichst spurlos verrichten. Die Regel dabei ist, sich mindestens 60 Meter von Wasserquellen zu entfernen. Dieses könnte nämlich kontaminiert werden. Grabe ein Loch und schütte es zu, wenn du fertig bist. Nach der Leave no Trace-Philosophie darf man benutztes WC-Papier nicht mitvergraben, aber ich gebe zu, dass auch ich diesbezüglich eine Ausnahme mache.
Von Menschen gebaute Wanderwege: Sind das nicht auch Spuren, die wir in der Natur hinterlassen?
Klar, aber irgendwer hat sich beim Bau Gedanken gemacht, wo der Weg durchführt, um eben die Natur möglichst unberührt zu lassen. Darum sollte man auch nicht von den Wegen abweichen.
Was passiert, wenn man es trotzdem tut?
Dadurch entstehen unnötige Zusatzwege. Das kann leider gut beobachtet werden, wenn ein Wanderweg durch viel Niederschlag matschig wird. Läuft eine Person um eine Pfütze drum herum, tun es ihr andere gleich. So wird aus einem schmalen Weg schnell eine grosse Fläche, die zertrampelt wird.
Aber wie kann man sonst der Pfütze ausweichen?
Das muss man nicht. Auf Wanderwegen befinden wir uns in der Natur, da darf es auch mal dreckig und nass werden. Einzig, wenn der Umweg über Steine oder sonstigen festen Untergrund gemacht werden kann, ist es ok.
Gibt es auch Dinge, die indirekt einen Einfluss auf die Natur haben?
Ja, beispielsweise Lichtquellen. Wer mit Taschen- oder Stirnlampen in der Nacht unterwegs ist, kann Tiere stören und aufschrecken. Apropos Licht, dein Zeltnachbar wird dir dankbar sein, wen du ihn nicht mit deinem superhellen Lichtstrahl mitten in der Nacht weckst.
Respekt vor anderen Menschen in der Natur gehört auch zu einem nachhaltigen Verhalten?
Auf jeden Fall. Das ist sogar einer der sieben Leave no Trace-Grundsätze. Andere sollen dasselbe Naturerlebnis geniessen können, wie du. Das fängt damit an, dass man weder Blumen pflückt, noch hübsche Steine mitnimmt und hört damit auf, dass man sich beispielsweise keine dieser unsäglichen Bluetooth-Boxen mit lauter Musik an den Rucksack hängt.
Stichwort Rucksack: Hast du Tricks, wie du deinen Rucksack packst?
Prinzipiell achte ich darauf, dass ich Dinge, die ich tendenziell wegwerfen könnte, gar nicht erst mitnehme. Das heisst, ich trage eine Aluminium- anstatt einer PET-Flasche mit mir. Essen fülle ich in wiederverschliessbare Beutel, die ich, wenn sie leer sind, als Müllsack nutzen kann. Sowieso achte ich darauf, dass ich Essen einpacke, welches ich komplett ohne Reste konsumieren kann.
Die sieben Grundsätze von Leave no Trace
- Plane voraus und bereite dich vor.
- Wandere und übernachte auf festem Untergrund.
- Entsorge deinen Müll sachgerecht.
- Nimm nichts aus der Natur mit.
- Minimiere Campingfeuer.
- Respektiere wilde Tiere.
- Sei rücksichtsvoll gegenüber anderen Menschen.
Alle Grundsätze und viele weitere Informationen zu Leave no Trace findet ihr auf deren Website.
Das stimmt schon, es gibt in gewissen Dingen bestimmt eine Grauzone. Dein Beispiel mit den Äpfeln ist so eines. Die Dohlen haben Freude daran, andere vertragen das Obst allenfalls nicht. Und eben, der exotische Geruch und Geschmack kann Tiere auch unnötigerweise anlocken.
Letztendlich gilt aber natürlich der gesunde Menschenverstand.