Motivation
Die Toggenburger Seven Summits - ein Langzeitprojekt, welches ich immer und immer wieder herausgeschoben hatte. Mit Ausnahme der Ausdauerchallenge für Körper und Geist bot es einfach zu wenig, um ganz oben auf der Liste zu stehen. Die Anstiege waren allesamt monoton und boten keine wirkliche Herausforderung geschweige den Abwechslung, und landschaftlich sah man über Stunden immer das Gleiche - Kuhweiden und Karstgelände.
Und trotzdem musste es halt einmal gemacht werden! In Anbetracht bevorstehender Ultraläufe schien nun der Zeitpunkt günstig, dieses Projekt zu vollenden und abzuhaken, und damit verbunden den Formtest zu bestehen. Um noch einen draufzupacken, starteten wir die Tour in Walenstadt anstatt in Starkenbach, das waren immerhin noch 1000 Höhenmeter extra. Und wir wollten auch immer wieder schön bis zur Strasse absteigen, um auch diese zusätzlichen Höhenmeter mitzunehmen. Das gewählte Datum war günstig, denn mit dem 21. Juni stand uns der längste Tag im Jahr bevor, und wir würden trotz frühem Start die Stirnlampen schon bald wieder löschen können. Zeitlich veranschlagten wir für diese 56 Kilometer und 5500 Höhenmeter gegen die 12 Stunden, Gewitter waren erst gegen Abend vorhergesagt, das sollte zu schaffen sein.
Da wir die Tour wie immer im «light & swift» Modus angingen und lediglich einen kleinen Trailrunning Rucksack mitführten, fand darin nur das Wesentliche Platz: Genügend Flüssigkeit (ca. 2.8l), reichlich zu essen (süss UND salzig), und eine leichte Windjacke, das musste reichen. Wir würden die Runde im Uhrzeigersinn unternehmen, und dies aus verschiedenen Gründen: einerseits würden wir so gegen Ende das Flüssigkeitsdefizit auf dem Chäserrugg (Bergrestaurant) ausgleichen können, und andererseits ersparten wir uns so den steilen und exponierten Abstieg von Gocht auf die Walenseeseite. Mit Gummibeinen stellte dies ein gewisses Risiko dar. Steil war es durchs Valsloch ebenfalls, aber besser gangbar und nicht ganz so absturzgefährlich.
Somit stand der Plan, und wir machten uns zur frühen Stunde auf Richtung Seeztal.
(Gocht Pkt. 1951m)
Tour
Start beim Dorfbrunnen in Walenstadt Pkt. 425m um 04:00 Uhr. Im Dunkeln hinauf zur Reha-Klinik Walenstadtberg und weiter in der Morgendämmerung nach Schwaldis. Herrliche Tiefblicke zum Walensee begleiteten uns. Nachdem wir uns bei Säls an einem Brunnen erfrischen konnten, ging es schon bald rechts weg hinauf Richtung Gocht Pkt. 1951m (Wegweiser, blau-weiss markiert). Obwohl es immer noch früher Morgen war, kreisten bereits jetzt schon lästige Fliegenschwärme um unsere Köpfe, das konnte ja heiter werden... Erst als der Wind etwas auffrischte liessen sie schliesslich von uns ab. Der Weg zur Gocht war gut gangbar aber stellenweise ziemlich exponiert, ausrutschen war verboten. Gut hatten wir den Weg im Aufstieg begangen.
Nach einer kurzen Pause folgte der erste Downhill Richtung Strichboden Pkt. 1578m. Anfangs galt es einige Schneefelder zu queren, was sich im mühsamen Karstgelände eher vorteilhaft auswirkte. Einen Verhauer hatten wir glücklicherweise rechtzeitig korrigiert. Bei Pkt. 1830m galt es dem Wanderweg Richtung Hinder Selun zu folgen! Bei Strichboden (Antenne) fanden wir den Wegweiser zum Selun 2204m, und 35 Minuten später standen wir bereits auf dem Gipfel. Wir fühlten uns immer noch frisch, und Dank der Quellbewölkung konnten wir mit dem Trinkvorrat haushälterisch umgehen, der Wettergott schien auf unserer Seite zu sein.
(Nr. 1 Selun 2205m || Nr. 2 Frümsel 2266m)
Nach dem Downhill und der Querung nach Altstofel Pkt. 1597m folgte der Anstieg zum Frümsel 2266m. Wiederum wurden wir von Fliegenschwärmen belagert, das war extrem lästig. Ich wünschte mir Wind und Wolken und wurde schliesslich erhört, und so konnten wir in der Folge problemlos auf den Gipfel steigen. Nummer 2 war im Sack, wir waren seit etwas mehr als 5h unterwegs. Zwar blieb uns die schöne Aussicht verwehrt, aber das war uns unterdessen einerlei.
Während Sam im Anstieg zum Frümsel seine erste Krise zu meistern hatte, bekam ich nun im Abstieg leichte Knieschmerzen, und wir waren noch nicht einmal in der Hälfte angelangt! Aber so schnell wie die Schmerzen auftraten waren sie dann wieder verflogen, noch einmal Glück gehabt. Nach der Querung zur Alp Selamatt folgte der Anstieg zum Brisi 2277m. Auf den Frümsel hatte mehrheitlich Sam die Führung übernommen, und nun wäre ich wieder an der Reihe gewesen. Doch ich fühlte mich platt und war froh, dass Sam erneut Führungsarbeit leistete. Während dem Anstieg hatte er mir noch das Ding mit der Cola-Skala erklärt. Dabei stellt man sich die Frage, wieviel man gerade für eine frische Cola bezahlen würde. Ich war bereit den Wucherpreis von CHF 10.- hinzublättern. Aber trotz der Krise hielt ich durch bis auf den Gipfel, war aber froh, dass wir nun eine etwas längere Pause einschalteten, gut assen und tranken, um wieder zu Kräften zu kommen. Die Wolken hatten etwas aufgelockert, und wir konnten immer mal wieder einen Blick auf den blaugrünen Walensee werfen, wunderbar.
(Nr. 3 Brisi 2277m, der erste Hänger || Schöne Tiefblicke zum Walensee)
Nach dieser bitter nötigen Pause war ich wie ausgewechselt. Flink wie eine Gams nahm ich den Downhill zum Brisizimmer Pkt. 1621m in Angriff. Bei der Alp 1621m füllten wir am Brunnen unsere Wasserreserven, zum Glück war das Vieh noch nicht auf der Weide! Wir liefen weiter nach Langlitten Pkt. 1578m, um kurze Zeit später den Zuestoll 2234m in Angriff zu nehmen. Die Fliegen hatten uns wieder, und sie liessen sich partout nicht abschütteln, es war zum davonlaufen! Aber das machten wir nun auch, mit alter Frische stürmten wir dem Gipfel entgegen. Der Wert einer Cola war wieder auf den normalen VP geschrumpft. Nun waren bereits 4/7 im Trockenen, und es nur noch ein «Katzensprung» bis ins Ziel.
Nach einer kleinen Verschnaufpause folgte der Abstieg hinunter zum Rüggli Pkt. 1736m und der zügige Gegenanstieg zum Schibenstoll 2234m. Auf dem Gipfel angelangt waren wir nun allerdings ziemlich erledigt, wir waren nun beinahe 10h unterwegs und hatten über 4700 Höhenmeter in den Beinen, bis auf die Wägital Rundtour hatte ich noch nie soviele Höhenmeter am Stück gefressen. Die Cola hatte nun wieder deutlich an Wert zugelegt. Doch es würde noch eine Weile dauern, bis wir uns im Bergrestaurant Chäserrugg den Wunsch erfüllen konnten.
Doch völlig unerwartet trafen wir im Abstieg zur Alp Hinterlücheren Pkt. 1545m ein nettes Älplerpaar, welches in einer Kühlbox mit Münzeinwurf frische Getränke feilbot. Preis für 0.5l Cola lächerliche CHF 3.-, auf dem Chäserrugg würde das sicher das Doppelte kosten.
(Nr. 4 Zuestoll 2234m, good times... || Nr. 5 Schibenstoll 2234m, ..bad times)
Nach einem netten Schwatz machten wir uns koffeingestärkt an den finalen Anstieg Richtung Gluristal und Hinderrugg 2306m. Die Drecksfliegen boten uns wiederum Begleitschutz. Während wir bisweilen ohne Pause auf den Gipfel stiegen, schalteten wir dieses Mal eine kleine Schönheitspause ein. Aber schliesslich hatte das Leiden ein Ende: das Gelände neigte sich zurück, und wir erreichten den hässlichen Sendemasten auf dem Hinderrugg 2306m. Es war ein emotionaler Moment, trotz einiger Krisen hatten wir es schliesslich doch recht problemlos bis hierhin geschafft, in weniger als 12 Stunden!
Nun galt es nur noch den Kreis zu schliessen. Und natürlich noch den 7 Gipfel einzusammeln, aber das war kaum der Rede wert. Nach wenigen Minuten erreichten wir das prunkvolle Gipfelrestaurant Chäserrugg 2260m. Doch da wir nunmehr nicht bereit waren für eine Cola Chf 5.- auszugeben, begannen wir sofort mit dem steilen Abstieg nach Walenstadt, es galt immerhin noch 1800 Höhenmeter zu vernichten. Die Knie machten nun wieder Probleme, aber auch dieses Mal waren die Schmerzen nur von kurzer Dauer. Und so eilten wir zügig dem Talboden entgegen, der Ruf des kühlen Weizenbiers verlieh uns beinahe Flügel. Nach etwas mehr als 13 Stunden erreichten wir den Dorfbrunnen von Walenstadt, und kühlen als erstes unsere heissgelaufenen Fusssohlen. Danach ging es aber schnurstracks zum Bier, und es hatte noch selten so gut geschmeckt wie heute!
Fazit
Wir hatten es geschafft, und die Toggenburger 7 summits ab Walenstadt bezwungen. Einmal und nie wieder! Wie bereits zu Beginn erwähnt, hatte ich Probleme, mich aufgrund der monotonen Angelegenheit zu motivieren. Ich war froh, dass ich einen guten Freund an meiner Seite hatte, welcher mich bisweilen ablenkte, und positive Vibes zu verbreiten mochte.
Die körperliche Herausforderung indes war grossartig! Auch wenn wir beide kleinere Krisen überwinden mussten, machte der Körper mit, und wir hatten nie das Gefühl am Ende zu sein, da ginge definitiv noch mehr! Nicht schneller, aber höher und weiter. Vielleicht ergibt sich ja wieder einmal ein Projekt dieser Dimension...
Die Fliegenschwärme dagegen trieben mich bisweilen fast in den Wahnsinn. Toggenburg aka Fliegenhochburg. Schon immer war das so! Aber wieso nur, Kühe gab es doch überall auf der Welt?
Trinkwasser ist wohl der grosse Knackpunkt der Tour, hier gilt es eine gute Taktik zu wählen, ansonsten dürften die einen oder anderen Asprianten daran scheitern. Wir hatten anfangs beinahe 3l mitgeschleppt, und konnten an den Brunnen noch weitere 2-3l auffüllen, und trotzdem wurde es recht knapp. Hätten wir die Gipfel jeweils in der prallen Sonne besteigen müssen, dann hätten wir wohl das Handtuch geworfen. Falls man es sich zeitlich leisten kann, dann würde ich vorgängig ein Trinkwasserdepot anlegen.
(Nr. 6. Hinderrugg 2306m, leiden auf hohem Niveau || Nr. 7 Chäserrugg 2260m, es ist vollbracht, die 7 Churfirsten sind erobert!)
Facts:
- Route: Walenstadt - Walenstadtberg - Alp Schrina - Säls Gocht - Hinderselun - Vorderselun - Strichboden - Selun - Strichboden - Altstofel - Torloch - Frümsel - Torloch - Selamatt - Brisizimmer - Brisi - Brisizimmer - Langlitten - Rüggli - Zuestoll - Rüggli - Schibenstoll - Rüggli - Alp Hinterlücheren - Gluris - Gluristal - Hinderrugg - Chäserrugg - Valsloch - Chammsässli - Vorderbüls - Wissenberg - Walenstadt.
- Distanz: 56.5km
- Höhenmeter: 5550m
- Schnittpuls: 115bpm
- Maxpuls: 146bpm
- Verpflegung: 3 Energieriegel, 1 Salztablette, 1 Sandwich, Nüsse, Trockenfleisch, Käse, 2.8l Iso, 2.5l Quellwasser, 0.5l Cola.
- Ausrüstung: Ultra Running Rucksack, Faltbare Stöcke, Trailrunners, Ultra Light Jacke, Armlinge, Sonnenbrille, Sonnencrème, kleines Medipack, Smartphone inkl. Swiss Map Mobile, zusätzlich Kartenausdruck, Bargeld.
- Terrain: 80% Berg- und Wanderwege, 20% Asphalt.
Charakter der einelnen Anstiege oder Abstiege:
- Gocht T4+: Ausgesetzter Pfad in wilder Umgebung, einige leichte Kraxelstellen.
- Selun T2: Schafweide.
- Frümsel T3+: Steile Grastritte, zuletzt etwas felsig.
- Brisi T3: Steile Grastritte, zuletzt etwas karstig.
- Zuestoll T4: Nach dem Rüggli kurze Kraxelstelle mit Eisentritten und Stiften, dann steile Grastritte, Gendarm auf ca. 2100m drahtseilgesichert, zuletzt einfache Kraxelstelle auf den Gipfel (ebenfalls mit Drahtseil gesichert).
- Schibenstoll T3: Karstgelände ab dem Rüggli, danach steile Grastritte.
- Hinderrugg T2: Langer, recht flacher Anstieg ins Gluristal, dann etwas steiler hinauf zur Gipfelabdachung.
- Chäserrugg T2: Übergang vom Hinderrugg ohne Schwierigkeiten.
- Valsloch T3+: Steiler Abstieg, bei Altschnee heikel, kurze Kraxelstelle auf ca. 1850m (Engstelle).
Die Zeiten:
- Start Walenstadt Pkt. 425m um 04:00 Uhr.
- Zwischenzeit Gocht Pkt. 1951m um 06:20 Uhr.
- Zwischenzeit Selun 2204m um 07:50 Uhr.
- Zwischenzeit Frümsel 2266m um 09:07 Uhr.
- Zwischenzeit Brisi 2277m um 10:46 Uhr.
- Zwischenzeit Zuestoll 2234m um 12:35 Uhr.
- Zwischenzeit Schibenstoll 2234m um 13:44 Uhr.
- Zwischenzeit Hinderrugg 2306m um 15:36 Uhr.
- Zwischenzeit Chäserrugg 2260m um 15:46 Uhr.
- Ankunft Walenstadt Pkt. 425m um 17:21 Uhr.
- Total ohne Pausen: 9:56 Std.
- Total mit Pausen: 13:21 Std.
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Live Film (Relive) klick!
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Bemerkungen:
Die Anstiege auf die einzelnen Churfirsten Gipfel sind durchwegs ausgeschildert.
Potentielle Trinkstellen:
- Quelle bei Säls auf der Walensee Seite, dann gab es Brunnen bei Vorderselun und Brisizimmer. Sobald das Vieh auf der Weide ist dürfte das Wasser aber ungeniessbar sein.
- Bei der Alp Hinterlücheren Pkt. 1545m Kühlbox mit frischen Getränken (Münzeinwurf). Bergrestaurant Chäserrugg.
Livecam vom Säntis-Sepp Richtung Churfirsten und Tödi: klick!
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