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Felsglück & Wetterpech in Patagonien

Jonas Schild, Mittwoch, 02. Dezember 2020

Zusammen mit Roger Schäli reiste ich diesen Februar nach El Chalten, Patagonien. Meine erste Reise ins Land von wilden Granitspitzen, starkem Wind, grossen Steaks und feinem Wein.

Wir hatten klare Ziele im Kopf, wussten aber auch von den schwierigen Wetterbedingungen im Süden Argentiniens. So kam es, dass bis zu unserer Ankunft Ende Januar praktisch nur schlechtes Wetter herrschte und keine grösseren Touren gemacht werden konnten. Jedoch bereits zu Beginn schien es das Wetter nicht schlecht mit uns zu meinen und wir waren am Tag nach unserer Ankunft zwar noch etwas müde aber voller Motivation schon unterwegs an den Berg.

Wir wussten, dass die Bedingungen sicher nicht gut sein werden nach so viel Niederschlag und es war auch nur ein Tag wirklich gutes Wetter. Während dem Hineinlaufen zur Laguna Sucia wurden wir bereits zum ersten Mal verregnet und wir biwakierten weiter unten als geplant. Nach einer kurzen Nacht machten wir uns auf in Richtung Campo Suiza an der Ost Seite der Aguja de l’S. Zuerst wollten wir die Bedingungen von nahem checken, bevor wir uns für eine Route entschieden. Der angeklebte Schnee der Vortage und die relativ warmen Temperaturen liessen wenig Spielraum. Schlussendlich kletterten wir die Austriaca auf die Aguja de l’S. Ein Tag nach Ankunft bereits auf dem ersten Gipfel. Einer der kleinen Berge in Patagonien, bei diesen Bedingungen sicher nicht zu unterschätzen.


Vom Kletterer zum Meteorologen

Zurück im Tal konnten wir uns einrichten und uns an den Chalten-Lifestyle gewöhnen. Freunde treffen, Kaffe Trinken, Assados, gute Gespräche, bouldern und ganz wichtig: Wettercheck. All diese schönen Sachen machten den Schlechtwetter-Alltag relativ erträglich.


Schon vor unserem Abflug zeigten einige Wettermodelle eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für längeres Hochdruckwetter Anfangs Februar. Zu unserem Glück bestätigte sich dies. Kurz nach unserer ersten Tour waren wir bereits wieder unterwegs mit der Aussicht auf vier bis fünf Tage gutes Wetter. Eine Ausnahme für Patagonien. Gleichzeitig wussten wir vom vielen Schnee der Vortage, deshalb warteten wir einen Tag ab mit dem Start.



Am ersten Tag gings die 20 Kilometer rein ins Campo Polacos vis-à-vis der Torre Gruppe. An den folgenden drei Tagen überschritten wir die drei Gipfel Aguja de l’S, Aguja Saint-Exupéry und Aguja Rafael. An der Saint-Exupéry mussten wir auf die Nord West Wand ausweichen, da es noch immer zu viel Neuschnee auf der Schattenseite hatte und sehr kalt war. Es waren drei unglaubliche Tage mit super Kletterei, schönen Biwaks und wilder Abseilerei. Leider war es sehr kalt und der viele Schnee machte schnelles Vorankommen in dieser Exposition teilweise unmöglich. Dies war auch der Grund, weshalb wir uns entschieden, bei diesen Bedingungen nicht mehr in die gewaltige Südwand der Poincenot einzusteigen.



Nach fünf Tagen in den Bergen waren wir in Chalten froh über eine warme Dusche, gutes Essen und einigen Tagen schlechtem Wetter zur Erholung. Nach einem solch aussergewöhnlichen Wetterfenster waren wir nicht sicher, ob wir nochmals eine Chance auf ein weiteres kriegen. Doch wir hatten Glück und eine weitere Hochdrucklage wurde prognostiziert. Das hiess; nochmals planen und hoffen, dass wir die richtige Tour in der richtigen Exposition und Höhe auswählten. Im Vergleich zum letzten Mal waren wärmere Temperaturen angesagt, jedoch gab es in den Tagen zuvor wieder viel Schnee in der Höhe. Somit entschieden wir uns dazu, eine neue Linie an der Ostwand des Torre Eggers zu versuchen, welche viel Sonne kriegt und auch vom Wind etwas geschützter ist. Doch als wir am ersten Tag unter der Wand standen, mussten wir akzeptieren, dass die Ostseite deutlich mehr Schnee bekommen hat als das letzte Mal und unser eigentliches Vorhaben nicht möglich ist. Kurzfristig war die Stimmung schlecht.


Patagoniens Aussichtspunkt

Beim Abstieg sahen wir, dass die Westseite der Fitz Roy Gruppe diesmal deutlich trockener aussah. Bei warmen Temperaturen ist so das Klettern im Schatten sicher auch angenehmer. So entschieden wir uns doch noch bei der letztmals angefangenen Überschreitung weiterzufahren. Am nächsten Morgen stiegen wir beim ersten Tageslicht in die 900m lange Fonrouge Rosasco in der Südwand der Poincenot ein. Bereits nach den ersten 100m kamen wir an eine Verschneidung, an derein Wasserfall drüberlief. Grossartige Morgendusche. Mit kühlem Kopf gings in unübersichtlichem Gelände weiter. Teils durch klassische Kamine, teils perfekte Splitter. Die steilste Wandstelle im oberen Teil hatte viel Schnee in den Verschneidungen, welche wir in unangenehmer Kletterei in brüchigem Felsen umgehen mussten, was das Ganze deutlich anspruchsvoller und zeitraubender machte. Der obere Teil führte uns in moderater Kletterei in die klassische Willhans-Crohane, über welche wir in zwei simultan gekletterten Längen den Gipfel erreichten.



Was für ein Gefühl auf dieser Nadel den Sonnenuntergang geniessen zu können, mit Blick auf das Inlandeis, die Torre Gruppe, den Fitzroy und El Chalten. Das Abseilen in der Nacht über die Willhans Rampe ging ziemlich flott. Der Abstieg über den Gletscher runter zur Languna de los Tres war dann alles andere als angenehm; Ständig sanken wir bis zur Hüfte im durchnässten Schnee ein. Zum Schluss war noch ein 10km langes Footing nach Chalten angesagt, wo wir genau 24 Stunden nach dem Einstieg ein feines Schnitzel genossen. Nicht selbstverständlich um 7 Uhr morgens.


Alles in allem hatten wir eine geniale Zeit in El Chalten. Die Bedingungen liessen leider nicht das zu, was wir eigentlich vorhatten, doch aus unserer Sicht haben wir das Beste draus gemacht und sind super vorbereitet, um nächstes Jahr zurückzukommen. Auch nebst dem Klettern und Bergsteigen war es eine wunderbare Reise. Wir durften viele neue Freundschaften schliessen, alte Freunde wieder treffen und grundsätzlich ein sehr motivierendes und starkes Umfeld erleben. Im Speziellen möchten wir Rolando Garibotti danken, der uns mit wichtigen Infos und dem Wetterbericht unglaublich unterstützt hat. Es war enorm bereichernd mit ihm wie auch vielen anderen Gespräche über Gott und die Welt zu führen, was für mich gleich wertvolle Erinnerungen sind wie die Erlebnisse am Berg.

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