"Sieht aus wie Mascara – einfach in Weiss", lacht
Jennifer Venz, zückt ihr Mobiltelefon und macht ein
Foto von ihrer Freundin Michaela Fux, auf deren
Wimpern und Haarspitzen sich innert kürzester Zeit Raureif
abgesetzt hat. Wenig erstaunlich, hatte doch das Thermometer
des Autos frostige minus 18 Grad angezeigt, als
die zwei vor einer Viertelstunde beim Berghaus Malbun
losliefen. Für das Aufziehen der Felle hatten sie noch keine
Stirnlampen benötigt, und auch die ersten Höhenmeter
entlang des Skilifts konnten sie noch ohne künstliches Licht
zurücklegen. Aber jetzt, im Schibenwald, ist es zappenduster.
Michaela knipst ihre Stirnlampe an. Der Lichtkegel
wandert suchend durch den verschneiten Tannenwald
und lässt die Bäume wie mit Zuckerguss überzogen erscheinen.
Alles glitzert und glänzt.
NEUE PERSPEKTIVE
Auch wenn der Lichtkegel der Lampe relativ breit ist und
das Licht vom Schnee reflektiert wird, so ist das Sichtfeld
bei Nacht doch eingeschränkt. Die Landschaft ist nur in
Teilen sichtbar, und selbst die schon oft begangene Tour
am Hausberg wird unter den neuen Bedingungen wieder
zur aufregenden Pioniertour. Spätestens nachdem die
zwei jungen Skitourengeherinnen die Alp Obersäss hinter
sich gelassen haben und Richtung Hanenspil weiterziehen,
verlieren sich die Referenzpunkte. Die Waldgrenze
liegt hinter ihnen, das anvisierte Gipfelziel über der Nebeldecke
und dazwischen scheint sich alles aufzulösen in
sanfte Hügel und Wellen in Weiss. Zum Glück ist die einzelne
Aufstiegsspur noch vage auszumachen unter dem
Neuschnee – das erleichtert Michaela die Orientierung,
während sie ihrerseits eine neue Spur in den frischen
Pulverschnee zieht. Schritt für Schritt, immer höher, immer
weiter. «Schon krass, dieser Kontrast», durchbricht sie
die Stille und dreht sich zu Jennifer um, «noch vor eineinhalb
Stunden stand ich in der Bächli Bergsport Filiale in
Pfäffikon und war bis dahin fast ununterbrochen in Beratungsgesprächen
mit Kunden. Und jetzt sind wir hier, in
dieser absolut menschenleeren Landschaft, in der man
nicht viel mehr hört als seinen eigenen Atem.»
KAPITULATION VOR VÄTERCHEN FROST
Als die zwei Skitourengeherinnen im Licht ihrer Stirnlampen
Richtung Chli Fulfirst zur Glannahütte traversieren, wird
das Gelände etwas flacher. Mittlerweile liegt die Nebeldecke
unter ihnen. Wie eine gewaltige flauschige Daunendecke
ruht sie über dem Rheintal. Ein leicht oranger Schimmer
deutet das Licht der zahlreichen darunterliegenden Dörfer
und Städte an. Der Mond taucht die Gipfel von Glannachopf,
Chli und Gross Fulfirst jetzt in ein sanftes Licht. Mit jedem
Schritt Richtung Gipfel sinkt die Temperatur noch weiter ab.
Bei der Glannahütte sindʼs bitterkalte minus 22 Grad. Die
zwei Freundinnen diskutieren nicht lange. Für beide ist
klar, dass jetzt der Zeitpunkt zum Umkehren gekommen ist.
Flugs ziehen sie sich die Isolationsjacken über und machen
sich daran, die Steigfelle von den Skiern abzuziehen. Nur
keine Zeit verlieren! Aus Erfahrung wissen sie, dass es bei
diesen Temperaturen keine fünf Minuten dauert, bis die
Bewegungen ungelenk werden und der ganze Körper vor
Kälte zu zittern beginnt. Nachdem die Felle in den Rucksack
gesteckt, die Skitourenschuhe und -bindungen in den
Abfahrtsmodus gebracht und alle Bekleidungsstücke übereinandergeschichtet
sind, schieben die zwei über den flachen
Geländerücken Richtung Marchenböden. «Ich glaub,
ich bin angefroren», lacht Jennifer, als sie nur mühsam
vorwärts kommt. Der Schnee ist so kalt, dass der Skibelag
kaum gleitet. «Musst halt bei mir im Geschäft vorbeikommen
für einen Skiservice», neckt Michaela. Dann herrscht
wieder Ruhe. Die Abfahrt über den Farnboden zurück
zur Malbunalp erfordert die volle Konzentration. Jetzt, in
der Dunkelheit und bei diesen Temperaturen, wäre ein Unfall
fatal. Sehr fokussiert stehen sie zentriert auf dem Ski
und setzen Schwung für Schwung an. Jetzt profitieren sie
davon, dass sie in diesem Winter schon zahlreiche Skitouren
bei teilweise schwierigen Verhältnissen unternommen
haben, daheim im Glarnerland. Und natürlich
auch davon, dass sie in ihrer Jugend im Skiclub unzählige
Trainings- und Renntage absolviert haben. Und trotzdem:
Die Abfahrt im Schein des Lampenlichts ist auch
für die erfahrenen Skitourengeherinnen keine Routineangelegenheit.
Beim Berggasthaus Malbun schwingen
sie ein letztes Mal ab. Keine fünf Minuten später ist das
Material im Auto verstaut und die Heizung auf die
höchste Stufe gedreht. «Schön warʼs!», resümiert Michaela.
«Auch schön kalt!» Jennifer lacht schallend und erwidert:
«Ja, war cool, mit dir auszugehen. Und vergiss nicht,
vor dem Schlafen die Mascara zu entfernen!»
Auf Skitour nur im Schein der Stirnlampen ist auch für die erfahrenen Skitourengeherinnen Michaela und Jennifer keine Routine.
Wildruhezonen & Wildschutzgebiete
Wildtiere sind im Winter besonders anfällig für Störungen. Sie müssen mit ihren Energiereserven haushalten, weil das Nahrungsangebot spärlich und nährstoffarm ist, die kurzen Tage wenig Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme bieten und die Tiere durch Stress oder auf der Flucht viel Energie verbrauchen. Bei wiederholter, unvorhersehbarer Störung fühlen sich Wildtiere verunsichert und verlassen ihre angestammten Einstands-, Futter-, Balz- oder Nistplätze.
Bei Tag und umso mehr bei Nacht sind die designierten Wildruhezonen und Wildschutzgebiete zwingend zu beachten. Schneeschuh-, Ski- und Snowboardtouren sind nur auf ausgewiesenen Routen («erlaubten Wegen») zugelassen, Hunde sind im Wald an der Leine zu führen. Wildschutzgebiete können durch Wildruhezonen mit weiterreichenden Einschränkungen überlagert sein. Bei einer Übertretung ist mit einer Strafanzeige und/oder Ordnungsbusse zu rechnen. Für die Tourenplanung können die Wildruhezonen auf den Websiten www.wildruhezonen.ch sowie www.map.geo.admin.ch konsultiert werden. Allgemeine Informationen: www.respektiere-deine-grenzen.ch
Im Zweifelsfall ist es immer ratsam, den lokalen Wildhüter oder Jäger zu konsultieren. Er kennt die Situation vor Ort am besten und kann bei der Suche nach möglichst konfliktfreien Routen behilflich sein. Die Kontaktdaten der kantonalen Wildhüterverbände in der Übersicht: www.wildhueterverband.ch/jagdverwaltungen.html
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