An die alte NCR-Kasse kann sich Walter Locher noch gut erinnern.
«Die konnte nur zweistellig verrechnen», meint der
heute 76-jährige Pensionär, der 1983 als einer der ersten Mitarbeiter
bei Bächli Bergsport angestellt wurde. «Daher hat
Heinz Bächli die Hunderternötli direkt in eine Ledermappe
gezählt und im Tresor hinter der Werkbank aufbewahrt. Aus
dieser Mappe haben wir dann auch unseren Lohn ausbezahlt
bekommen», erinnert sich Locher, der bei Bächli nahezu jede
Abteilung durchlief und vor elf Jahren pensioniert wurde.
Es sind Anekdoten wie diese, die den ganzen Konferenzraum
in Nänikon ins Schmunzeln versetzen. Denn heute, in einer
global vernetzten, in ihren Prozessen verschlankten und hochgradig
professionalisierten Bergsportbranche, wirkt der vom
Chef persönlich ausbezahlte Lohn so überkommen wie ein Hanfseil
in der Eigernordwand. Dabei war schon der Schritt in ein Ladenlokal
mit eigenen Mitarbeitern ein unendlich grosser: Erster
Firmensitz von Bächli Bergsport war das Wohnzimmer einer
90-m2-Mietswohnung in der ASIG, das neben zwei kleinen Kindern
fortan vor allem Bergsportausrüstung beherbergte. «Ausser
in unseren Betten war kein Platz mehr frei», erinnert sich
Margrit Bächli an die Ausrüstungsberge in den heimischen vier
Wänden.
Sie und Heinz hatten 1974 die Firma gegründet – ohne
Kapital, aber mit dem Ziel, Bergsteigern bessere Ausrüstung
anzubieten als der damalige Monopolist Eiselin. Die Annahme,
dass der Schweizer Markt gross genug für zwei Bergsporthändler
sein könnte, war damals ebenso waghalsig wie die Entscheidung,
den Lehrerberuf samt 13 Wochen Ferien aufzugeben und
die Pensionskasse für den Materialeinkauf zu plündern.
Das Bächli Bergsport-Logo im Wandel der Zeit.
Der Zauber, der jedem Anfang innewohnt, der wird an diesem
Nachmittag in Nänikon greifbar. Nichts war festgeschrieben
oder gar vorbestimmt, und der «Businessplan», den heute
jedes Start-up für einen Mikrokredit vorlegen muss, der bestand
in der Frühzeit von Bächli Bergsport zu grossen Teilen
aus tiefer Passion und der Bereitschaft, unkonventionelle
Wege zu gehen. Damals war die Bergsteigerszene eine kleine,
verschworene Truppe. Jeder machte alle Disziplinen, einen
Begriff, den man damals kaum in den Mund nahm.
Erst ab
Mitte der 1980er-Jahre kam die Spezialisierung, mit der die
einen sich zum Eiskletterer und die anderen zu Boulderfreunden
verfeinerten. So erging es auch der Bächli-Belegschaft in
den ersten Jahren: «Jeder hat alles gemacht und zwar immer
dort, wo gerade Bedarf war», erinnert sich Christine Joss,
die ihr 40-jähriges Jubiläum bei Bächli dieses Jahr feiert und
noch einmal pro Woche in der Logistikabteilung tätig ist. Ob
Kunden im Laden bedienen, Bestellungen aus dem eigenen
Katalog in einem Paket verpacken oder Artikel mit orangenen
Preisetiketten versehen: Kein Arbeitstag glich dem anderen.
Import, Export, Bergsport
Um das Jahr 1983 waren die «EBs» an der Schwamendingerstrasse
41 in Zürich-Oerlikon eingetroffen: die ersten Kletterschuhe,
die man nach heutigen Massstäben so bezeichnen
kann. Die profillosen Schlappen von Edmond Bourdonneau legten
einen Siegeszug im steilen Granit des Yosemite-Parks hin
und schwappten auf dieser Erfolgswelle zurück nach Europa
– Heinz Bächli importierte die Schuhe direkt aus Frankreich in die Schweiz, wo sie dank Mund-zu-Mund-Propaganda reissenden
Absatz fanden.
Die profillosen Schlappen von Edmond Bourdonneau, direkt aus Frankreich in die Schweiz importiert, fanden in den 80-Jahren reissenden Absatz.
Ein anderes Produkt ging den umgekehrten
Weg: Bächli Bergsport verkaufte damals nicht nur Ausrüstung,
sondern produzierte auch selbst welche. Dazu zählten etwa die
Bächli-Schlaghaken und die Bächli-Seilbremse, hergestellt
von der Glarner Giesserei Schraner Oberurnen nach den Vorgaben
von Heinz Bächli. Und während Sohn Felix als Bub den
Ölfilm von den frisch gelieferten Seilbremsen wischte, importierte
sie kein geringerer als Patagonia-Gründer Yvon Chouinard
in Batches von 200 Stück in die USA. «Wir waren nicht der
erste Kunde von Patagonia, sondern Patagonia der erste Kunde
von uns», erinnert sich Walter Locher. Verschickt wurden die
stählernen Preziosen in Plastikbidons.
Wer vom heutigen Angebot (und Niveau) mehrlagiger
Wetterschutzjacken verwöhnt ist, der mag sich die Augen
reiben, was vor knapp einem halben Jahrhundert der letzte
Schrei war. In den 1980er-Jahren liessen Margrit und Heinz
Bächli beim Fabrikanten Truns aus dem bündnerischen Trun
Berghosen aus «Bündner Tuch» herstellen, einem Mischgewebe
aus Baumwolle, Polyester und Lycra, für das man heute
ein Heidengeld hinlegen muss. Für die Passform sorgte
wieder der Chef persönlich: Die Pranken von Heinz mussten
samt Landeskarte in der seitlichen Hosentasche Platz haben.
Erst 1983 ging mit der «Lighting» vom britischen Hersteller
Berghaus die erste Dreilagen-Jacke mit Gore-Tex-Membran
über den Ladentisch.
Vorbei waren damit die Gründerzeiten, als die Hauptaufgabe
die Beschaffung von Produkten war, der Absatz mangels
Alternativen aber fast von alleine lief. Nun galt es zusehends,
aus dem Guten das Beste herauszufiltern, frühzeitig Trends
und Emporkömmlinge zu erkennen und nicht zuletzt auch auf der Verkaufsfläche Überzeugungsarbeit zu leisten. Weil das
gelang, war Bächli in einigen Fällen der Zeit voraus: Merinoshirts
waren längere Zeit exklusiv bei Bächli zu haben, ebenso
die für ihre gute Passform gerühmten Jacken der Firma
Arc’teryx oder die erste Rahmenbindung von Fritschi. Möglich
machten das auch die jahrelang gewachsenen Beziehungen
zu den Lieferanten.
Eigenes Eisen: In der
Pionierphase hat Bächli nicht
nur mit Bergsportartikeln
gehandelt, sondern auch
produzieren lassen: etwa die
Bächli-Schlaghaken (links) und
die Bächli-Seilbremse (rechts), die
Yvon Chouinard (Patagonia)
umgehend nach USA
importierte.
Lehrzeit im «Billig-Bächli»
1985, also gerade einmal elf Jahre nach der Firmengründung,
zeigte sich, dass der Schweizer Markt neben der damaligen
Nummer eins, Eiselin Sport, auch Bächli eine Expansion
durch Filialisierung erlaubte: Das erste Bächli-Bergsport
Outlet in Zürich-Schwamendingen eröffnete. Die Trennung
von Hauptgeschäft und Outlet, in dem ausschliesslich Restposten
und preisreduzierte Artikel verkauft wurden und von
den Kunden bald liebevoll «Billig-Bächli» getauft wurde, war
eine Sensation.
Im Outlet begann auch die Firmenkarriere von
Felix Bächli, der 1989 als Teilzeitverkäufer einstieg und noch
heute das Rattern des Nadeldruckers im Ohr hat: «20 Sekunden
hat er für eine Rechnung gebraucht!», weiss Felix noch.
Fünf Jahre später wechselte er in Vollzeit nach Oerlikon: Der
erste «ganze» Arbeitstag bestand darin, den verwaisten Arbeitsplatz
durch einen Einkauf bei IKEA betriebsfähig zu machen.
Von Grund auf setzte er in den Folgejahren sämtliche
Abläufe auf den Prüfstand, um sie in stundenlangen Strategiediskussionen
mit Vater Heinz Bächli zu diskutieren.
In dieser Zeit, also den 1990er- und 2000er-Jahren, professionalisierte
sich die gesamte Bergsport- und Outdoorbranche
enorm. Prozesse wurden definiert, Abteilungen spezialisiert
oder gar begründet. Bei Bächli Bergsport wurden Logistik, Einkauf und Verkauf ausgebaut. Eine Marketingabteilung gab es zu
Beginn nicht, trotzdem schickte man den Kunden schon früh
zwei Mal pro Jahr einen Katalog nach Hause, weiss Lukas Imhof
noch. Sein erster Job bei Bächli war damals die Digitalisierung
aller Kundenadressen. Fast alle aktuellen Bergsportartikel wurden
im Katalog beschrieben und abgedruckt, und in dem Mass,
wie er Jahr für Jahr an Umfang zunahm, wurde sichtbar, wie
auch die Firma wuchs. Bald schon war das Zentrallager in Oerlikon
zu klein und zügelte mitsamt der Verwaltung nach Schwerzenbach.
In den Warenlift passten zwar zwei Paletten, erinnert
sich Bruno Schuhmacher, der heutige Leiter der Logistik, aber
weil alle Artikel auf vier Stockwerken gelagert wurden, war die
Kommissionierung für den Versand und die Filialen eine «Herkulesarbeit
», merkt Margot Hilland schmunzelnd an. Auch sie
arbeitet heute noch in der Logistik.
Der Lauf der Dinge: Das
Antlitz des Bächli-Katalogs
hat sich mit den Jahren
stetig gewandelt. Immer im
Fokus jedoch: beste Produkte
für den Bergsport.
Infolge einer unerwarteten Vakanz im Kundendienst
übernahm Susanna Bächli zum Jahrtausendwechsel notfallmässig
die anspruchsvolle Stelle des Kundendienstleiters und
stärkte damit den Servicegedanken im Familienunternehmen
weiter. Mit dem zweijährigen Sohn auf dem Schoss fehlten der
heutigen Verwaltungsrats-Vizepräsidentin allerdings die zeitlichen
Ressourcen, die komplexen Abläufe in die weiter um
sich greifende Computerisierung zu integrieren. Diese Aufgabe
übernahm in der Folge Bruno Hayoz, perfektionierte sie in
anspruchsvoller und mühseliger Arbeit, gab sie schliesslich
auch weiter, um sich in der neu geschaffenen Einkaufsabteilung
der Schuhbeschaffung zu widmen.
Die zweiten 25 Jahre Bächli Bergsport, samt
dem Aufbau von 13 Filialen in der ganzen Schweiz,
schildert Teil 2 der Firmengeschichte in
Inspiration 3/2024. Das Magazin erscheint Ende Juni 2024.