Obwohl das ÖV-Angebot in der Schweiz zu den besten der Welt zählt, reisen die meisten Bergsteiger mit dem Auto an – und das oftmals lang und wenig umweltfreundlich. Warum verzichten nicht mehr Bergsteiger auf das Auto und welche Alternativen gibt es? Wir haben nachgefragt.
«Bergsteiger sollten mehr CarSharing nutzen.»
Das ÖV-Angebot in der Schweiz ist sehr gut ausgebaut und im Vergleich zu anderen Ländern funktioniert es problemlos. Vor allem der Zugang zu Informationen über diverse Apps ist super. Auf Schweiz Mobil sind beispielsweise alle Wanderrouten mit Haltestellen und genauem Fahrplan digitalisiert. Das Argument, dass das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kompliziert ist, ist somit völliger Blödsinn. Selbst das Argument, dass die Skitourenausrüstung zu schwer ist, ist heute keine Ausrede mehr. Trotzdem – und dazu muss ich mich auch zählen – sind die Leute bequem und möchten nicht auf ihre Flexibilität verzichten. Im Winter fahre ich oft vor fünf Uhr los und bin beim ersten Tageslicht am Gipfel. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln müsste ich am Vorabend anreisen und übernachten. Das ist mir in der Praxis zu umständlich – und geht bei spontanen Touren nicht. Als Bergführer bevorzuge ich Fahrgemeinschaften. Kontraproduktiv sind hier allerdings die Parkgebühren der Fahrgemeinschaftsparkplätze. Das ärgert auch die Gäste, denn weiter oben am Ausgangspunkt der Tour sind die Parkplätze meist kostenfrei. Das fördert das gemeinsame Fahren natürlich keineswegs. Eine gute Sache sind Carsharing-Angebote wie sharoo oder Mobility: Ins Tessin fahre ich zum Beispiel mit dem Zug, um Stau zu umgehen. Vor Ort miete ich für die Gäste und mich ein Mobility-Auto. Bergsteiger sollten diese Angebote viel mehr nutzen – vielleicht würde sich sogar eine Carsharing-Plattform nur für Bergsteiger rentieren. Was mit den ÖV wiederum toll funktioniert, sind Skitouren, bei denen sich Ausgangs- und Endpunkt unterscheiden. Solche Tourenmöglichkeiten könnte der SAC stärker bewerben. Und mein persönlicher Vorsatz: Wenn ich nicht wie beim Canyoning viel Material mitnehmen muss, möchte ich keine Ausreden mehr gelten lassen.
Felix Maurhofer – Berg-Canyoningführer, IVBV und Mitglied des, Touring Club Schweiz (TCS)
«Wenn man weit reist, soll man auch lang bleiben.»
Dem Schweizer Alpen-Club SAC ist es ein grosses Anliegen, dass Bergsportler vermehrt mit dem ÖV unterwegs sind. Ein Projekt dazu ist der Schneetourenbus (schneetourenbus.ch), der das Ziel hat, Ausgangspunkte von Ski- und Schneeschuhtouren mit dem ÖV zu erschliessen. Der Bus hat letztes Jahr rund 300 Fahrgäste transportiert. Dieses Jahr haben wir das System für die Kunden nochmals vereinfacht und im nächsten Jahr werden wir auch in die Westschweiz ausbauen. Wir hoffen in dieser Saison auf deutlich höhere Fahrgastzahlen. Ein weiteres Anliegen ist, dass man die Anreisedauer mit der Tourendauer in Einklang bringt. Das heisst, wenn man weit reist, soll man auch lang bleiben. Das reduziert die Reisekilometer – wenn man nicht jeden Tag anreisen muss. Weiter tragen wir so zur Wertschöpfung in den Bergregionen bei und stärken unser Bergerlebnis. Insgesamt ist mein Eindruck, dass mittlerweile auf den Sektionstouren der ÖV-Anteil höher ist. Trotzdem darf man das Auto nicht einfach verteufeln, sondern muss immer die Rahmenbedingungen für eine Sektionstour im Auge behalten: Frühlingsskitouren sind schwierig mit ÖV – dann gilt es die Autos gut zu füllen – oder warum nicht am Vorabend anreisen? Ein weiterer Unterschied ist die Ausgangslage: Eine Bergsektion, die einen Grossteil ihrer Touren in ihrer Umgebung macht, legt insgesamt viel weniger Kilometer zurück als eine Stadtsektion, die bis zum Schnee eine lange Strecke bewältigen muss. Deshalb scheint es mir besonders für die Flachland-Sektionen wichtig, dass sie, wann immer möglich, den ÖV nutzen und mit Angeboten wie Taxi, Schneetourenbus oder Bus alpin ergänzen. Diese Überlegungen zur Mobilität gelten natürlich nicht nur auf Sektionstouren. Jeder Bergsportler, jede Bergsportlerin kann mit seinem Verhalten viel bewirken.
Benno Steiner - Schweizer AlpenClub SAC, Fachmitarbeiter, Landschaftsschutz
«Langfristig geht es um das Überleben.»
Wann und wo Autos in unserem Alltag oder unserer Freizeit noch angemessen und sinnvoll eingesetzt werden können, lässt sich nicht so einfach beantworten. Das ist eine Frage, welche die Personen primär mit sich selbst aushandeln müssen. Es gibt keine Gesetze und leider oft relativ wenig Anreize für Menschen, die das Reisen mit Auto gewohnt sind, konsequent auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Die meisten Wintersportler*innen – und da bin ich keine Ausnahme – unterstützen schon mit dem Kauf von Liftkarten und Saisonabos eine Tourismusindustrie, die mit Pistenmaschinen und unzähligen Bauten einen enormen CO2-Ausstoss in eine fragile Umwelt pustet. Dass wir damit die Klimaerwärmung beschleunigen, dürfte allen klar sein. Auch die möglichen Konsequenzen bezüglich unserer Abenteuer in den Bergen sind uns bekannt. Darum ist es für mich persönlich zu einer Art moralischen Pflicht geworden, meinen ökologischen Fussabdruck so gering wie möglich zu halten. Bei der Mobilität, also unserem Reiseverhalten, gibt es in der Regel am meisten Möglichkeiten, klimaschädliche Emissionen einzusparen. Das wiederum kann gleichzeitig mit weiteren Vorteilen verbunden sein: Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist, kann unterwegs entspannen, genüsslich frühstücken oder einen gelungenen Tag beim Apero auf Schienen Revue passieren lassen. Es geht hier um Luxusprobleme und wir sollten diesen mit Bescheidenheit begegnen. Sich rücksichtsvoll zu bewegen, fühlt sich besser an. Weiterdenken als nur bis zum nächsten Powderturn ist angebracht! Bei dem Thema Mobilität und Bergsport geht es ‹nur› um maximalen Spass, langfristig gesehen aber um das Überleben von Individuen und Spezies. Klimagerechtigkeit ist ein Wort, das auch in märchenhaft verschneiten Landschaften nicht ignoriert werden sollte.
Reto Kestenholz – Snowboarder und Mitglied der Umweltinitiative Ride Greener
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