Die Qual der Wahl
Mit der Aussichtsmeister-Web-App suche ich mir zwei Lieblingsspots aus, zwischen welchen ich möglichst viele andere Aussichtspunkte erreichen kann. Die Rundwanderung zum Rätschenhorn in Klosters deckt gleich drei ab, wobei sich der Start und Endpunkt auf der Madrisa Alp befindet, auf welcher sich auch mein Maiensäss für die Nacht befindet. Da die Bahn frühmorgens noch nicht fährt, plane ich den Weg zurück nach Klosters zu Fuss zu gehen. Die dabei gesammelten Punkte helfen als Motivation, nicht die Bahn zu nehmen. Die Jöriseen sind ein beliebtes Ausflugsziel - und der Weg dahin hat einige Aussichtspunkte zu bieten. Falls ich am Ende noch die Kraft habe, bietet sich der Flüelapass als Abschluss meiner Tour an.
Meinen Rucksack möchte ich möglichst leicht halten und somit wähle ich schon von Anfang an den kleinsten mit 18 Liter Fassungsvolumen. Ich packe Proviant, genügend Wasser, Kleider, mein Kameraequipment sowie weitere Kleinigkeiten.
Die Reise nach Davos
Am Abend zuvor reise ich nach Klosters, damit ich am nächsten Morgen früh loskomme. Mein Einzelzimmer im Hotel Wynegg ist richtig gemütlich und einige Goodies von der Destination Davos Klosters warten auf mich. Nach der Ankunft setze ich mich ins Restaurant und geniesse mit den anderen Gästen den Abend. Die Adresse werde ich mir auf jeden Fall merken, denn das Essen schmeckt super lecker. Egal ob eine Vorliebe für Fleisch, vegan oder vegetarisch, hier kommen alle auf ihre Kosten.
Erster Tag: Rundwanderung zum Rätschenhorn
Gestärkt vom Frühstück starte ich in den ersten Tag bei der Bergbahn Madrisa, welche dank meiner Gästekarte stark vergünstigt ist. In der Bergbahn bin ich nicht alleine. Eine ältere Dame sitzt mir gegenüber und erklärt mir, dass sie und ihre Freunde den gleichen Weg vor sich haben wie ich. Auch erzählt sie mir von der Wanderung zu den Jöriseen, welche sie am Tag zuvor unternommen hatten. Zu dem Zeitpunkt weiss ich noch nicht, dass diese Wanderung beliebter ist als ich ahne.
Von der Madrisa Alp starte ich um 9 Uhr Richtung Mässplatte, wo es den ersten Abenteuerpunkt zu holen gibt. Ich wandere auf dem breiten Weg, bis ich eine kleine Abzweigung nach links unten sehe, die laut Schild zu einem Wasserfall führen soll - der kleine Umweg lohnt sich auf jeden Fall. Auf der Mässplatte angekommen kann man die Aussicht auf modernen Holzbänken geniessen. Natürlich darf man auch nicht vergessen, den OR-Code zu scannen. Ich hole mein Handy hervor und öffne die Web-App. Die Kartendaten kann man sich auch herunterladen, dann ist die Web-App auch offline verfügbar. Ist der Code gescannt, werden die Punkte automatisch auf mein Konto gutgeschrieben und die Markierung erhält eine andere Farbe.
Weiter geht’s zum 2’276 Meter hohen Geisshorn, welches von der Mässplatte rasch erreicht ist. Hier erhalte ich fünf weitere Abenteuerpunkte. Westlich vom Geisshorn geht es steil hinunter, doch die Gratwanderung von dort aus hat ihren Reiz. Das Gestein am Grat ist hell und sticht neben dem satten Grün des Grases hinaus, was mich als Fotografin direkt anspricht. Als ich dem Grat entlangwandere, streckt ein Murmeltier in nächster Nähe seinen Kopf aus der Erde. Es sieht mich und als ich mich bewege, verschwindet es schnell wieder in seinem Zuhause. Ich lege mich neben die Öffnung, auf die ich meine Kamera richte und versuche, möglichst ruhig zu sein. Sogar mein Atem wird flach und nach einigen Minuten habe ich Glück. Das Murmeltier erscheint wieder und bleibt dieses Mal etwas länger da. Neugierig schaut es mich an und wir verharren so sicherlich eine ganze Minute.
Die Zeit verfliegt schnell und als ich am Ziel, dem Rätschhorn ankomme, ist es schon 12.30 Uhr. Hier befindet sich der Aussichtspunkt Nummer 100, der mir ganze zehn Abenteuerpunkte einbringt. Das sind aber auch schon die letzten Punkte für heute. Ich geniesse mein Zmittag, das aus Brot, Hummus und Käse besteht. Über mir haben sich dunkle Wolken gebildet. Laut Meteo habe ich aber Glück und die Wolken verziehen sich wieder. Dennoch ziehe ich rasch weiter, um nicht doch noch in den Regen zu kommen.
Die Rundwanderung führt nun über das Rätschenjoch und um den Bärnet zurück zur Madrisa Alp. Hinter dem Rätschjoch führt der Wanderweg durch ein Steinfeld, bei dem irgendwo ein kleiner See versteckt sein soll. Mit der Wanderkarte versuche ich diesen zu finden, was sich als nicht ganz einfache Aufgabe erweist. Ich hüpfe von einem Stein zum anderen und plötzlich, nach einer Neigung, entdecke ich den kleinen See. Die Bergspitzen spiegeln sich leider nur ein wenig im See, für einen kleinen Snack ist der Ort aber bestens geeignet. Danach steht noch der letzte Abschnitt an.
Die Nacht verbringe ich heute direkt bei der Bergstation der Madrisa Alp in einem Maiensäss. Als ich die Türe öffne, ziehe ich sie direkt wieder hinter mir zu. Ich spähe vorsichtig durchs Fenster, versichere mich auf dem Plan nochmals, ob ich wirklich am richtigen Ort bin, aber auch der Schlüssel passt. Als ich zum zweiten Mal die Türe öffne, fällt mir auf, dass die Gegenstände nur zur Show dastehen. Es handelt sich bei den Spiegeleiern auf dem Tisch, dem Gemüse im Korb und dem Rucksack in der Ecke um Requisiten. Ich betrete neugierig die kleine Hütte und gelange direkt in eine Art kleinen Wohnbereich mit Küche, Tisch und Garderobe. Links von mir befindet sich eine Treppe, die zum Schlafzimmer führt. Die typisch rot karierte Decke auf dem Doppelbett und das schummrige Licht machen diesen Raum richtig gemütlich.
Nach einer wohltuenden Dusche in der Bergstation gehe ich in Richtung Restaurant, in welchem das Abendessen serviert wird. Bei dem grossen Buffet wird es kein Problem, meinen grossen Hunger zu stillen. Am Buffet kann man sich an verschiedenem Gemüse, Salat, Käse und - wer will - auch an Fleisch bedienen. Auf dem Tisch steht ein Racletteofen bereit.
Um 19.30 Uhr gehe ich zurück zu meinem Maiensäss, um mein Kameraequipment zu holen. Die Sonne steht schon tief und das goldene Licht fällt über die Blumenwiese. Ich laufe kurz Richtung Westen und gelange zu einer kleinen Lichtung mit wunderbarer Rundsicht über das Prättigau. Kurzerhand lasse ich mich in Gras fallen und geniesse die letzten warmen Sonnenstrahlen im Gesicht. Im weichen Licht sind die verschiedenen Gebirgsketten hintereinander wunderbar zusehen. Die Sonne verschwindet ganz langsam hinter den Wolken und hinterlässt einen roten Schimmer auf den Bergspitzen links von mir. Bevor es ganz dunkel ist mache ich mich auf den Weg zurück.
Zweiter Tag: Morgengrauen und die türkisblauen Jöriseen
Mein Wecker klingelt heute um 5:15 Uhr, noch bevor man die ersten Strahlen der Sonne sehen kann. Ich schiebe meine Füsse langsam unter der kuscheligen Decke hervor und wenn ich meine Gedanken mit dem bevorstehenden Sonnenaufgang ablenke, vergesse ich meine Müdigkeit. Mein Rucksack steht gepackt am Eingang und als ich die Tür des Maiensäss öffne, kommt mir die frische Morgenluft entgegen. Das Knirschen der Steine unter meinen Wanderschuhen ist in der Morgenstille ungewohnt laut. Da heute noch ein langer Weg vor mir liegt, entscheide ich mich dazu, den Sonnenaufgang beim Aussichtspunkt Flue anzusehen und das Frühstück vom Maiensäss gezwungenermassen auszulassen. Der Weg dorthin führt mich durch einen Wald, der im Morgengrauen mystisch wirkt. Ich brauche zirka 35 Minuten, bis ich die Flue erreiche. Dort angekommen erstreckt sich im Tal vor meinen Füssen Klosters. Ich scanne den nächsten QR-Code mit der App und erhalte zwei weitere Abenteuerpunkte. Die Sonnenstrahlen haben den Gipfel Casanna rechts vor mir noch nicht erreicht, weshalb ich mich kurzerhand dazu entscheide, noch ein wenig weiter zu laufen, um rechtzeitig im Tal zu sein. Zehn Minuten später erreiche ich eine weitere Lichtung, welche mir die Sicht auf den nun geröteten Casanna freilegt.
Nach diesem Augenschmaus muss ich unbedingt weiter, denn der Zug wartet nicht. Auf der Wanderung nach unten befindet sich noch eine weitere Aussichtsmarkierung, diesen Punkt lass ich mir natürlich nicht entgehen. Der kleine Umweg zur Hängebrücke über das Schlappintobel lohnt sich definitiv. Zwar erhält man nur einen weiteren Abenteuerpunkt, doch wer weiss, vielleicht entscheidet am Schluss noch genau dieser Punkt. Auch die Hängebrücke selbst ist natürlich ein kleines Erlebnis. Sie erstreckt sich über den kleinen Fluss und man hat freie Sicht auf eine Steinformation, die mit Tannen bewachsen ist.
Zurück im Tal schaue ich im kleinen Dorfladen nach weiterem Proviant, um die Reste vom Vortag etwas aufzupimpen. Mit der Rhätischen Bahn fahre ich bis nach Davos Dorf und steige dort auf den Bus Richtung Susch um. Mir kommt es fast so vor, als wollen sich alle Personen aus dem Zug in den engen Bus quetschen. Ich wusste ja schon von Anfang an, dass diese Wanderung beliebt ist, hätte aber nicht gedacht, dass es eine solch grosse Masse ist. Und wer hätte es geahnt, natürlich steigt der grösste Teil auch bei der Busstation Flüela, Ospiz um 8.23 Uhr mit mir aus. Als ich nun jedoch einen Fuss nach dem anderen vor mich hinsetze, merke ich die Müdigkeit und da bin ich schon fast wieder froh, mich in der Menschengruppe ein wenig treiben lassen zu können und nicht ganz alleine die ersten Höhenmeter aufsteigen muss. Die Wanderung zu den Jöriseen mit dem kleinen Ausschweifer zum Jöriflesspass dauert laut der Swisstopo-App 5 h 20 min. Nach einer guten Stunde merke ich die anfängliche Gruppe an Wanderern gar nicht mehr, da alle ihr eigenes Tempo gehen. Die Steigung bis zum zweithöchsten Punkt der Wanderung ist sehr angenehm. Auf der Jöriflüelafurgga auf 2’722 Metern werde ich mit einer wunderschönen Aussicht auf die Bergketten Richtung Flüelapass einerseits und auf die türkisblauen Jöriseen andererseits belohnt. Zwar ist es erst 9.45 Uhr, jedoch spüre ich die Sonne bereits sehr. Bevor ich's vergesse, scanne ich auch hier den QR-Code, um meine sechs Abenteuerpunkte zu erhalten. Mit Musik in den Ohren steige ich langsam den kurzen Abstieg zu den Jöriseen hinunter. Der Ausblick ist wirklich atemberaubend und mir wird schnell klar, wieso diese Wanderung so beliebt ist.
Beim grössten See angekommen setze ich mich ans Ufer und geniesse die warme Sonne auf meiner Haut. Bei der Wanderung war es schon früh sehr warm und eine Abkühlung wäre sicherlich nicht verkehrt. Meine Meinung ändert sich aber rasch, als ich meine Zehenspitzen in das Wasser stecke. Da ich aber schon im Badeanzug bin, kann ich keinen Rückzieher mehr machen. Tapfer laufe ich schnurstracks ins Wasser, lange bleibe ich darin aber nicht. Nach einigen Sekunden fühlt sich mein Körper wie ein Eiszapfen an und ich husche rasch wieder aus dem Wasser. Ein Beweisfoto für meine Familie habe ich aber nicht, deshalb husche ich auch noch ein zweites Mal rein, als jemand anbietet, ein Foto von mir zu machen. Was man heute nicht alles für ein Foto macht.
Nach fast einer Stunde Pause geht es für mich um 12 Uhr weiter. Zuerst suche ich den Stab mit dem QR-Code für die Jöriseen, den ich wie gewohnt exakt bei der eingezeichneten Stelle in der App antreffe. Hier erhalte ich nochmals sechs Punkte. Um auch noch die sechs Abenteuerpunkte vom Jöriflesspass zu erhalten, mache ich einen kleinen Abstecher dahin. Beim Jöriflesspass hat man noch einen wunderschönen Blick gen Osten ins Val Fless. Der Weg zurück führt mich wieder an den zwei weiteren kleinen Seen vorbei und danach mache ich den Anstieg zum höchsten Punkt der Wanderung. Der Weg dahin führt an weiteren Seen vorbei. Insgesamt zählen zu den Jöriseen 27 Seen, alle habe ich definitiv nicht gesehen. Dennoch habe ich sehr über die Vielfalt der Seen gestaunt, die ich angetroffen habe. Der Weg hier hinauf führt über helles Geröll-Gestein und ich treffe sogar ein kleines Schneefeld an. Hindurchlaufen muss man aber nicht, der Weg führt drum herum. Die Winterlücke liegt mit ihren 2786 Metern nicht viel höher wie zuvor die Jöriflüelafurgga. Ich erhalte aber gleich acht weitere Punkte, als ich meinen letzten QR-Code scanne. Auf der Höhe geniesse ich noch die letzte Aussicht, bevor ich mich auf den Weg zurück mache. Jetzt folgt ein Abstieg von 579 Höhenmeter Richtung Flüelapass.
Mit müden Beinen, aber sehr glücklich und zufrieden, komme ich um 15.10 Uhr wieder bei der Busstation an. Dass ich gleich so früh wieder zurück bin, hätte ich nicht erwartet. Nun könnte man eigentlich noch auf den Flüelapass hinaufspazieren, um noch weitere Abenteuerpunkte zu sammeln. Ich verzichte aber darauf und bin mit meiner Route heute zufrieden. Da der Bus noch eine Weile braucht, versuche ich mein Glück mit Autostopp Richtung Davos. So reicht es auch noch für eine Glace am Bahnhof Davos als Belohnung, bevor ich wieder in den Zug nach Hause einsteige. Und so enden meine zwei Tage mit knapp 33 km, 2200 Höhenmetern, 45 Abenteuerpunkten und vielen schönen Erinnerungen.
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