Was ist dein grösster Ansporn, eine Hütte zu bewarten?
Die Berge sind die Konstante in meinem Leben. Es war für mich daher nur eine logische Konsequenz, einmal einen Teil des Jahres in den Bergen lebend und arbeitend zu verbringen. Da ich wohl besser im Umgang mit Menschen als mit Tieren bin, ist daraus das Amt der Hüttenwartin geworden.
Abgesehen davon finde ich es immer wieder aufs Neue faszinierend, was in diesem Beruf alles an unterschiedlichsten Aufgaben und Themen zusammenkommt. An solch abgeschiedenen Orten ist man auf sich selber gestellt. Dementsprechend ist man nebst Gastgeberin und Köchin auch Weg- und Zustiegsverantwortliche, Mechanikerin, Sanitärin, Stromerin, Buchhalterin, Marketingverantwortliche, Logistikerin, Wetterfrosch und vieles mehr. Diese Vielseitigkeit an einem einfach-urchig-schönen Ort ausleben zu dürfen, ist ein Privileg und Ansporn genug.
Was ist dein primäres, persönliches Ziel als Hütten-Gastgeberin?
Mein primäres Ziel als Hütten-Gastgeberin ist, die Oberaletschhütte - und damit die Basis für Wandernde und Bergsteigende - mit Leben, Herzlichkeit und Qualität zu füllen. Das einfache und urchige dieses Ortes soll dabei erhalten bleiben.
Kochen, Reinigen, Haushalten: Auf einer Hütte geschieht das sehr ressourcenschonend. Was sind deine besten Tricks?
Ich achte auf eine vorausschauende Planung sowie eine effiziente Logistik. Es soll nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich geflogen werden. Das Angebot muss daher so gestaltet sein, dass es den aktuellen Umständen entsprechend flexibel angepasst und Foodwaste vermieden werden kann. Im Alltag ist bei uns die Ressourcenfrage omnipräsent: sämtliche Verbrauchsmaterialien wie Holz, Strom, Wasser, Diesel und Lebensmittel müssen sorgfältig eingeteilt werden. Der Trick besteht für mich daher darin, diesen Aspekt bei sämtlichen Handlungen stets mitzudenken, was sodann irgendwann zu einer Selbstverständlichkeit wird.
Hand aufs Herz, wie äusserst sich der Hüttenkoller und wie wirst du ihn wieder los?
Den gibt es bei mir nicht. Nein, Spass beiseite, natürlich kenne auch ich sie, diese Hüttenkoller-Momente. Wenn mich beispielsweise die zwei Gäste, die trotz schlechtem Wetter unbedingt zu uns kommen wollen, nerven, weil ich endlich einmal lieber einen freien Abend hätte. Oder wenn mich gewisse Fragen oder Verhaltensweisen der Gäste, welche ich normalerweise mit einem Schmunzeln taxiere, innerlich laut aufstöhnen und die Augen rollen lassen. Oder wenn ich mir überlege, den fliegenden Pizzakurier kommen zu lassen, anstatt selber zu kochen.
Das deutlichste und entsprechend auch ernst zu nehmende Anzeichen von Hüttenkoller ist jedoch, wenn ich die Schönheit, die mich tagtäglich umgibt, nicht mehr wahrnehmen und schätzen kann. Spätestens dann gilt es, zu handeln.
Gegen milderen Hüttenkoller helfen kleine Auszeiten wie eine halbtägige Wanderung weg von der Hütte, eine volle Hüttenstube, positive Rückmeldungen der Gäste, ein aufgestelltes Team und Humor. Bei ernsthaftem Hüttenkoller hingegen hilft nur noch ein Tapetenwechsel. Im besten Fall mit einer Auszeit von zwei bis drei Tagen im Tal.
Was rätst du Menschen, die auch Hüttenwart*in werden wollen?
Es lohnt sich, sich diese Frage tatsächlich gut zu überlegen und sich auch Zeit zu lassen, diesen Entscheid zu treffen. Vorgängige, einschlägige Erfahrungen als Hüttenhilfe finde ich persönlich unerlässlich, um wirklich feststellen zu können, ob einem das Hüttenwarten zusagt oder ob man gegebenenfalls eine etwas zu romantische Vorstellung davon hatte. Ein unterstützendes und zumindest punktuell mitanpackendes Umfeld ist ebenfalls unerlässlich, alleine geht es schlichtweg nicht.
Wer zudem Kontraste liebt, ein saisonales Sozial- und Beziehungsleben nicht scheut und sich nicht grad ins Bockshorn jagen lässt, wenn mal etwas nicht funktioniert, bringt bereits sehr gute Voraussetzungen mit, um Hüttenwart oder Hüttenwartin zu werden.
Mit welchen Herausforderungen wirst du tagtäglich konfrontiert?
Die grösste Herausforderung stellt für mich die enorme Präsenzzeit dar, die eine Hüttensaison mit sich bringt: Während fünf Monaten rund um die Uhr und am selben Ort präsent sein, die mangelnde Selbstbestimmtheit und den sehr begrenzten Radius, den man in dieser Zeit hat. Alle anderen Herausforderungen wie eben Ressourcenknappheit, aufwändige Logistik, rustikale oder defekte Infrastruktur, Netzausfall, Lawinenwarnstufe 3 im WC oder sonst Schnee, wo er nicht sein sollte, schwierige Umgebungsverhältnisse, Naturgefahren, anspruchsvolle Gäste und Personalausfälle sind dagegen einfach Teil vom Daily Business - manchmal nervig, manchmal aber auch unglaublich spannend.
Wie bist du am liebsten privat in den Bergen unterwegs?
Vielfältig, so wie es die Berge selber eben auch sind: Kraxelnd, wandernd, biwakierend, mal mit Steigeisen an den Füssen, mal mit Seil, mal ohne. Aber ganz besonders gefällt mir, wenn ich meine eigene Spur durch den Tiefschnee ziehen kann. Das ist Glück pur.
Gibt es etwas, das du der Bergsportgemeinde mit auf den Weg geben möchtest?
Weniger ist manchmal mehr. In diesem Sinne möchte ich daran appellieren, wieder vermehrt verbindlich zu planen und auch mal etwas zu wagen: Kann sein, dass das Wetter am geplanten Datum nicht perfekt ist und die Bedingungen andernorts gegebenenfalls eine Nuance besser sind. Aber als Hüttenwartin habe ich die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die nicht immer nur das Optimum anstreben, für diese Haltung belohnt werden. Zum Beispiel mit einer nicht überfüllten Hütte, mit einsamen Touren, mit einer vielleicht nicht alltäglichen Herausforderung, mit urchig-wilden Stimmungen, mit Zeit für Begegnungen.
Der heutige Tagespreis
Hinter unserem ersten Türchen versteckt sich ein 50-Franken-Gutschein.
Dieser Preis ist leider schon verlost worden.
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