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Adventskalender: Beat Hächler, Direktor des Alpinen Museums der Schweiz

Bächli Bergsport, Sonntag, 11. Dezember 2022

Menschen und die Liebe zu den Bergen – in unserem Adventskalender stellen wir täglich eine Person vor, die ihre Leidenschaft und ihren Beruf mit der Alpinwelt verbindet. In unserem 11. Türchen stellen wir euch Beat Hächler vor. Als Direktor und Ausstellungsmacher des Alpinen Museums der Schweiz erlebt er die Berge nicht nur als Naturspektakel, sondern auch als Kunstobjekte.

Das alpine Museum sieht sich als «Botschafter der Alpen». Wieso ist das wichtig?
Berge sind ein perfekter Zugang, die Welt zu verstehen, in der wir leben. Nirgendwo sind die Auswirkungen des Klimawandels so sichtbar wie im Hochgebirge. Nirgendwo diskutieren wir die Energiewende so kontrovers wie bei Neubauprojekten von Staumauern oder Solarkraftwerken in den Bergen. Nirgendwo ist der Autoverkehr so umstritten wie auf den alpenquerenden Transitachsen.

Wenn wir über Berge sprechen, sprechen wir über unser Leben, unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Sich dafür ein Haus, das alps (Anm.d.Red. Alpines Museum der Schweiz) zu leisten, ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Wir sind heute viel mehr als nur ein Museum. Wir sind ein Ausstellungshaus, ein Veranstaltungsort, ein Restaurant, eine Buchhandlung und verlassen mit unseren Projekten auch regelmässig die eigenen vier Wände, um im Berggebiet Ausstellungen zu zeigen. Ausserdem haben wir eine sensationelle Fotosammlung zu den Bergen der Schweiz.

Mit welchen Themen beschäftigen sich Ihre Ausstellungen?
Meist mit der Gegenwart, mit dem, was uns derzeit um die Ohren fliegt. Klimathemen, Tourismus und Bergsport, Blicke in andere Bergländer der Welt. Jüngst Nordkorea, davor der Iran. Soeben haben wir die Ausstellung „Heimat. Eine Spurensuche in Mitholz“ eröffnet. Mitholz ist das Dorf unterhalb von Kandersteg, das 1947 durch die fürchterliche Explosion eines militärischen Munitionsdepots im Berg zerstört wurde. Danach wurden die Altlasten nur halbherzig beseitigt. Heute, 75 Jahre danach, holt uns die Geschichte wieder ein. Viele der Dorfbewohner müssen ihre Häuser verlassen und können erst 2040 wieder zurückkehren. Was bedeutet es, seinen Ort zu verlieren? Wie gehen wir mit Risiken um? Es stellen sich viele Fragen. Die Ausstellung entstand über zwei Jahre mit einer Gruppe aus dem Dorf. Es war eine tiefe Auseinandersetzung über Verlust, Ängste und Hoffnungen, die für ein Publikum jetzt erlebbar wird.

Kurz: Das alps macht selten Postkarten-Schweiz-Ausstellungen, sondern zoomt in reale Welten, die wir nicht immer im Blick haben. Das ist Museumsarbeit heute: Es geht um die Gesellschaft und unsere Fragen an die Gegenwart und weniger um staubdichte Vitrinen.

Worin finden Sie Inspiration, wenn Sie Ihr Programm planen?
Im Alltag, im Gespräch mit einem inzwischen breit gewordenen Netzwerk von ganz unterschiedlichen Menschen, die uns nahestehen. Da gehört der Bergsport natürlich dazu, bei uns ist dies vor allem der SAC, das sind aber auch NGOs im Umweltbereich, das sind touristische Organisationen. Das sind lokale Museen im Berggebiet, die sehr nahe an den örtlichen Fragen dran sind. Das ist auch die Alpenforschung verschiedener Institute und Universitäten, in Lausanne, Luzern, Bern, Zürich, Lugano. Viele Themen werden an uns herangetragen; wir realisieren unsere Projekte eigentlich nur noch in Kooperationen.

Der Alpenraum als Ganzes, der Bergsport im Speziellen – wie manifestiert sich letzteres im alpinen Museum?
Wir haben keine Dauerausstellung mehr, die dem Publikum die Faltung der Alpen erklärt und ausgestopfte Murmeltiere zeigt. Das war einmal. Aber wir machen den Alpenraum über gegenwartsnahe Themen sichtbar und immer über Menschen. Der Bergsport ist derzeit in unserem „Fundbüro für Erinnerungen“ das Thema. Es geht um Frauen am Berg. 1908 bis 1980 waren Frauen von der Mitgliedschaft im SAC ausgeschlossen. Das hat in unserer Sammlung, aber auch auf Wikipedia Spuren hinterlassen. Es fehlen viele Zeugnisse von bergsportlichen Leistungen der Frauen. Meine Kollegin Rebecca Etter versucht hier etwas aufzuholen und sammelt partizipativ Objekte und Geschichten von bergsteigenden Frauen. Hier ist es offensichtlich, dass Sportgeschichte vor allem Gesellschaftsgeschichte ist. Auf www.e-fundbuero.ch lässt sich Vieles zum Thema entdecken und einspeisen.

Zu Ihrem Job: Was ist Ihre konkrete Aufgabe als Museumsdirektor?
Ich habe zwei Hüte auf. Leitung heisst Verantwortung für den Gesamtbetrieb und da geht es um Management und permanent um das liebe Geld. 45 Prozent von 3,5 Millionen pro Jahr müssen wir selber generieren. Das fällt nicht aus den Wolken. Der andere Job, für den ich sehr viel Herzblut habe, ist, Ausstellungen zu machen. Derzeit bin ich an der kleinen Ausstellung „Après-Lift“ in Zusammenarbeit mit dem Berner Bergpublizisten Daniel Anker dran. „Après-Lift. Skiberge im Wandel“ spürt dem Sterben der kleinen Skilifte in der Schweiz nach, zum Beispiel in Walde, Kanton Aargau, oder am Col de Montvoie, Kanton Jura, in der Nähe von Porrentruy. Ein melancholisches, aber charmantes Thema.

Was war Ihr bis dato grösstes Highlight im Museum?
Eindeutig „Let’s talk about Mountains. Eine filmische Annäherung an Nordkorea“, in der Saison 2021 und 2022. Eine Ausstellung, die ausschliesslich Filmmaterial zeigte und mit dem für diese Arbeit preisgekrönten Bündner Filmer Gian Suhner entstand. Wir bereisten 2018 und 2019 Nordkorea, darunter einige Berggipfel, und konnten mit Alltagsmenschen über 40 Interviews führen. Berge waren unsere Türöffner, daraus entstand eine sehr berührende, manchmal auch verstörende Ausstellung, die nächstes Jahr in ein grosses Museum nach Dresden weiterwandert. Weitere Stationen sind in Abklärung. Das Berührendste für mich war, in Nordkorea nicht nur das Monster zu sehen, sondern die Menschen zu entdecken, die manchmal, wenn sie über Berge sprechen, gar nicht so anders sprechen wie wir.

Wie sind Sie am liebsten privat in den Bergen unterwegs?
Ich liebe Bergwanderungen, am liebsten tagelang. Gipfel sind auch gut, aber die Zone, wo es noch Kultur gibt, Häuser, Felder, Wege, interessiert mich fast mehr. Im Tessin ist es mir am wohlsten. Das hat mich auch dazu gebracht, in der Sezione Locarno des CAS Mitglied zu werden und Jahre davor ein literarisches Wanderbuch über das Tessin zu schreiben.

Gibt es etwas, das Sie der Bergsportgemeinde mit auf den Weg geben möchten?
Berge sind mehr als ein Sportgerät. Wer nur sein Mountain Bike im Blick behält oder den Gipfel sieht, verpasst viel. Der Weg ist genauso Ziel und die Menschen, die an diesem Weg manchmal stehen und viel zu erzählen haben, sind eine Bergdimension mehr. Bergsport darf etwas kultureller werden und verliert dennoch nichts von seiner Sportlichkeit.

 

Der heutige Tagespreis

Hinter unserem 11. Türchen versteckt sich ein Grigri+-Seilgerät von Petzl.
Dieser Preis ist leider schon verlost worden.

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